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MILITÄR/913: VAE betreiben geheime Foltergefängnisse im Jemen (SB)


VAE betreiben geheime Foltergefängnisse im Jemen

Die "Spartaner" Arabiens zeigen im Jemenkrieg ihr wahres Gesicht


Seit März 2015 leiden die Menschen im Jemen unter einem gräßlichen Krieg, den Saudi-Arabien und dessen sunnitische Verbündete, allen voran die Vereinigten Arabischen Emirate, dem Armenhaus der arabischen Welt aufgezwungen haben. Riad und Abu Dhabi wollen den demokratischen Aufbruch im Jemen im Keim ersticken und den 2014 von den schiitischen Huthi-Rebellen gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder einsetzen. Mehr als zwei Jahre später sitzt Hadi weiterhin in seiner Villa in Riad, während es die hochgerüsteten Saudis und Emirater im Jemen nicht geschafft haben, die Huthis und die Truppen des Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh in die Knie zu zwingen. Letztere kontrollieren nach wie vor die Nordwesthälfte des Jemens einschließlich der Hauptstadt Sanaa, während die Anhänger Hadis mit Hilfe saudischer und emiratischer Soldaten in der Südosthälfte einschließlich der strategisch enorm wichtigen Hafenstadt Aden das Sagen haben.

Daß die 28 Millionen Jemeniten unter dem Konflikt schrecklich leiden steht außer Frage. Mehr als 12.000 Menschen sind gewaltsam ums Leben gekommen. Durch dauernde Luftangriffe hat die saudi-geführte Koalitionsstreitmacht weite Teile der jemenitischen Infrastruktur zerstört. Dadurch ist zu der Hungersnot, die eine Folge der ausländischen Seeblockade ist und unter der die Hälfte der Bevölkerung akut leidet, eine schwere Cholera-Epidemie gekommen, die sich aktuell rasch ausbreitet. Doch der Jemen-Krieg wartet noch mit einer weiteren Facette des Grauens auf. Einem Bericht zufolge, dem eine umfassende, gemeinsame Recherche der Nachrichtenagentur Associated Press und der Nicht-Regierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) zugrunde liegt und der am 22. Juni veröffentlicht wurde, betreiben die VAE im Süden und Osten des Jemens ein Netzwerk von geheimen Foltergefängnissen. Die USA, die im Jemen seit Jahren mittels CIA-Drohnenangriffen und Operationen der Spezialstreitkräfte "Antiterrorkrieg" gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) führen, stehen im Verdacht, in die Kriegsverbrechen der Emirater verwickelt zu sein bzw. sie stillschweigend zu dulden.

Für ihre Studie haben die Reporter von AP und HRW nach eigenen Angaben mit zehn ehemaligen Gefangenen, fast 20 Angehörigen von Verschleppten sowie rund einem Dutzend ziviler und militärischer Vertreter der Hadi-Regierung gesprochen. Aus deren Aussagen geht hervor, daß die Emirater in den letzten zwei Jahren mit Hilfe diverser von ihnen ausgerüsteter und geführter Milizen im Süden und Osten des Jemens rund 2000 Männer verschleppt und an insgesamt 18 verschiedenen Orten grausam gefoltert haben. Bei den Geheimgefängnissen handelt es sich jeweils um ein oder mehrere Schiffscontainer, in denen die Opfer oft monatelang unter desaströsen hygienischen Bedingungen gehalten und schwer malträtiert werden. Das Hauptinternierungslager befindet sich auf dem Gelände des Flughafens Riyan der Hafenstadt Mukalla, die bekanntlich über ein Jahr lang, von 2015 bis 2016, von der AQAP verwaltet wurde. Dort werden die Gefangenen von Angehörigen der Hadramaut-Elite, einer mit den VAE kooperierenden Miliz, nicht nur geschlagen, getreten und sexuell mißhandelt, sondern auch im Einzelfall an einen langen Holzpfeiler gebunden über einem offenen Feuer gedreht. An den Folterungen sollen VAE-Militärs beteiligt gewesen sein, während Angehörige der US-Spezialstreitkräfte anwesend waren oder sich in unmittelbarer Nähe aufhielten.

Wie viele Menschen durch solche Torturen ermordet wurden, ist unbekannt. Viele der Überlebenden, die AP und HRW ausfindig machen konnten, wollten sich jedenfalls nur anonym äußern, so tief saß der Schrecken, der ihnen noch in den Knochen steckte. Furcht unter der jemenitischen Bevölkerung zu verbreiten dürfte der Hauptzweck dieser Foltergefängnisse sein. Die Suche nach Erkenntnissen über AQAP scheint dem nachgeordnet zu sein. Anders ist die Aussage des Opfers Ali Awad Habib, der 2016 mehrere Monate in einem Geheimgefängnis in Aden verbrachte und dort von Mitgliedern der von der VAE unterstützten Miliz Security Belt häufig mit schweren Drähten geschlagen und Elektroschocks traktiert wurde, nicht zu interpretieren: "Der eine wirft mir vor, Al-Kaida-Mitglied, der zweite ein Drogendealer, der dritte ein iranischer Agent zu sein." Nach Angaben von Habib wurde dessen Vater ebenfalls 2016 von emiratischen Soldaten nach Eritrea verschleppt, wo bekanntlich die VAE in Absprache mit der Regierung in Asmara mehrere Militärstützpunkte unterhält. Seitdem hat die Familie von dem Mann nichts mehr gehört. Mehrere Zeugen sagten aus, sie seien von emiratischen Militärs auf Schiffe vor der Küste transportiert und dort von Vertretern der USA vernommen worden. Bei letzteren könnte es sich um CIA-Mitglieder und/oder Militärangehörige handeln.

Gegenüber AP hat das Pentagon jede Kenntnis seitens des US-Militärpersonals bezüglich Folterpraktiken der VAE im Jemen kategorisch bestritten. Auch die Regierung der VAE hat alle Vorwürfe weit von sich gewiesen. Der Sprecher der CIA, Jonathan Lie, wurde von AP mit den Worten zitiert: "Zu diesen spezifischen Behauptungen haben wir keinen Kommentar abzugeben". Ein Dementi hört sich anders an. Von US-Präsident Donald Trump ist jedenfalls keine Initiative zur Beendigung des Folterspuks im Jemen zu erwarten. Das Gegenteil ist der Fall. Im letztjährigen Wahlkampf gegen die Demokratin Hillary Clinton hatte sich der Republikaner zu Waterboarding bekannt und seine chauvinistischen Anhänger mit dem Versprechen, als Präsident noch härtere Maßnahmen gegen "Terroristen" anzuordnen, zu wahren Jubelorgien veranlaßt. Seit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus Ende Januar ist die Zahl der US-Drohnenangriffe auf mutmaßliche "terroristische" Ziele im Jemen dramatisch angestiegen. Der demonstrative Schulterschluß, den Trump mit Saudi-Arabien und den VAE mit Blick auf deren Hauptfeind Iran Mitte Mai beim Besuch in Riad vollzogen hat, läßt weiteres großes Unheil nicht nur für den Jemen, sondern für die gesamte Region rund um den Persischen Golf befürchten.

24. Juni 2017


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