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MILITÄR/926: Washington - Taktik, Tests und Provokationen ... (SB)


Taktik, Tests und Provokationen ...


Parallel zu dem eskalierenden Handelskrieg zwischen den USA und China nimmt die militärische Konfrontation zwischen Washington und Peking gefährlich zu. Gegenseitige Provokationen und Beleidigungen sorgen für eine zunehmende Vergiftung der bilateralen Beziehungen. Während die Militärs beider Seiten einander Muskelspiele im Südchinesischen Meer liefern, rückt der absehbarste Konfliktpunkt - Taiwan - immer mehr ins beiderseitige Visier. Dort prallen das Streben der Volksrepublik nach der Wiedereingliederung der abtrünnigen Provinz und der Wunsch der USA, die Insel weiterhin als Mittel der Hegemonie im asiatisch-pazifischen Raum zu benutzen, diametral aufeinander.

US-Präsident Donald Trump, der noch vor dem Einzug ins Weiße Haus 2017 die ein halbes Jahrhundert zuvor von Richard Nixon und Henry Kissinger mit Peking vereinbarte Ein-China-Politik in Frage stellte, hat inzwischen Strafzölle in Höhe von zehn Prozent auf chinesische Importe in die USA im Wert von 250 Milliarden Dollar verhängt. Er drohte im Falle chinesischer Vergeltung, die restlichen Importe aus der Volksrepublik im Wert von 270 Milliarden Dollar ebenfalls mit Strafzöllen zu belegen. Die Chinesen sind nicht in der Lage, Gegenmaßnahmen eins zu eins zu ergreifen. Schließlich exportiert China weit mehr Güter und Dienstleistungen in die USA als es von dort importiert. Nichtsdestotrotz hat Peking Washington in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie der chinesische Markt für Güter Made in the USA viel weiter als bisher geöffnet und der Handelsüberschuß der Volksrepublik reduziert werden könnte.

Doch das alles hat nichts geholfen, denn der Trump-Regierung geht es nicht nur um den Handelsüberschuß, sondern vor allem darum, den Aufstieg Chinas zum führenden Produzenten von High-Tech-Gütern wie zum Beispiel in den Bereichen Robotik und künstliche Intelligenz zu verhindern, weil dies die bisherige waffentechnologische Überlegenheit des Pentagons zunichte machen könnte. Wie sehr die wirtschaftlichen und militärischen Aspekte des Streits ineinander verwoben sind, zeigt die drastische Reaktion Pekings auf die Verhängung von amerikanischen Finanzsanktionen gegen die Rüstungsentwicklungsabteilung im chinesischen Verteidigungsministerium und dessen Leiter Li Shangfu am 20. September. Anlaß war der Kauf mehrerer Kampfjets vom Typ Su-35 sowie Batterien des vielgepriesenen Luftabwehrsystems S-400 von der staatlichen russischen Waffenschmiede Rosoboronexport, die sich wegen der angeblichen Einmischung Moskaus in die US-Präsidentenwahl 2016 auf einer schwarzen Liste des State Departments in Washington befindet.

Der Ärger der Chinesen ist verständlich. Beide Geschäfte waren vor der Verabschiedung des entsprechenden anti-russischen Sanktionsgesetzes durch den US-Kongreß im August 2017 getätigt worden. Die Kampfjets wurden bereits im Dezember 2017 und die Luftabwehrraketen im Januar 2018 an die Volksrepublik ausgeliefert. Peking hat deshalb mehrere Schritte unternommen, um seine Verärgerung deutlich zu machen. Das chinesische Außenministerium hat am 21. September die Verhängung der Sanktionen als "krassen Verstoß gegen die Grundregeln der internationalen Diplomatie" sowie als "Demonstration der Hegemonie" verurteilt und deshalb US-Botschafter Terry Branstadt einbestellt. Darüberhinaus wurde der ranghohe chinesische Marinekommandeur, Shen Jinlong, der an einer Militärkonferenz in den USA teilnahm, nach Hause beordert und ein für Ende September geplantes Treffen mit Vertretern des Pentagons zwecks Verbesserung der Kommunikationen zwischen den Kommandostäben der beiden Streitkräfte verschoben. Am 22. September hat das Finanzministerium in Peking geplante Gespräche über einen Ausweg aus der Sanktionsspirale zwischen Vizepremierminister Liu He und dem US-Finanzminister Steven Mnuchin bis auf weiteres abgesagt.

Seitdem reißt offenbar die Kette der gegenseitigen Provokationen nicht ab. Am 25. September hat die chinesische Regierung den Antrag der US-Marine um die Erlaubnis eines Hafenbesuchs in Hongkong für das Kriegsschiff Wasp im Oktober negativ beschieden. Am 26. September gab das Verteidigungsministerium in Washington bekannt, daß vier B-52-Bomber zwei Tage zuvor einen Überflug über das Südchinesische Meer, wo das chinesische Militär mehrere Riffe und kleine unbewohnte Inseln zu regelrechten Festungen ausgebaut hat, durchgeführt hatten. Im Rahmen der Operation haben die zum Transport von Atombomben fähigen Maschinen auch die Senkaku- bzw. Diaoyu-Felsengruppe im Ostchinesischen Meer überflogen, die seit Jahren Gegenstand eines erbitterten Souveränitätsstreits zwischen Japan und der Volksrepublik ist. Während die USA von einer "routinemäßigen" Operation sprachen, warf China der Trump-Regierung vor, einen neuen "Kalten Krieg" zu forcieren.

Am 21. September hat Washington eine weitere Tranche Militärhilfe für Taiwan in Höhe von 300 Millionen Dollar publik gemacht. Zu den Rüstungskomponenten, die diesmal an Taipeh geliefert werden sollen, gehören Ersatzteile für die Luftwaffe, insbesondere die in den USA gebauten Militärmaschinen vom Typ F-16, F-5 und C-130. Bereits 2017 haben die USA Taiwan Waffen im Wert von 1,4 Milliarden Dollar zukommen lassen, darunter vor allem Torpedos vom Typ MK-48, hochmoderne Raketen sowie Frühwarnradaranlagen geliefert. Bekanntlich macht man sich im Pentagon zunehmend Sorgen, daß die Volksarmee in einer Blitzaktion versuchen könnte, sich Taiwan gewaltsam einzuverleiben, noch bevor die US-Streitkräfte im pazifischen Raum etwas dagegen unternehmen können. Daher liefert die Nachricht vom 26. September, die USA zögen mehrere Batterien ihres Patriot-Raketenabwehrsystems aus Bahrain, Jordanien und Kuwait ab, um sie gegen Rußland und China in Stellung bringen zu können, keinen Anlaß zur Beruhigung.

29. September 2018


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