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MILITÄR/941: Chemiewaffen - Kriegsgründe inszeniert ... (SB)


Chemiewaffen - Kriegsgründe inszeniert ...


Vorgetäuschte Greueltaten, Inszenierungen und "Falsche-Flagge-Operationen" sind die bewährten Mittel, wenn die USA und ihre Verbündeten gegen irgendwelche "Schurkenstaaten" vorgehen und dabei die eigene Öffentlichkeit auf Kriegskurs bringen wollen. Unvergessen bleibt die Märchengeschichte von den "Brutkasten-Babys", die Saddam Husseins Soldateska 1990 bei der Eroberung Kuwaits und der angeblichen Ausplünderung des Zentralkrankenhauses in Kuwait-Stadt auf dem kalten Boden zum Sterben liegengelassen haben soll, weswegen 1991 die USA den Irak quasi in die Steinzeit zurückbomben mußten. Auch für die Existenz der vielfach postulierten "Massenvernichtungswaffen", die Saddam mit Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" in Verbindung brachte, gab es nie einen Beweis, trotzdem marschierten angloamerikanische Truppen 2003 in den Irak ein und führten einen "Regimewechsel" in Bagdad durch.

Seit 2011 versuchen Washington, London und Paris mit Hilfe einer sunnitischen Dschihadistenarmee das "Regime" Baschar Al Assads in Syrien zu stürzen. Nur dank der umfangreichen militärischen Hilfe Rußlands und des Irans ab 2015 hat die Syrische Arabische Armee (SAA) die Niederlage abwenden können. Im Syrienkrieg ist von westlicher Seite her immer wieder der Vorwurf erhoben worden, Damaskus' Truppen setzten illegalerweise Chemiewaffen gegen die Frei Syrische Armee, die Al-Nusra-Front, den Islamischen Staat (IS) und wie sie alle heißen ein, ohne bisher jedoch der Weltöffentlichkeit stichhaltige Beweise dafür zu liefern. Das Gegenteil ist der Fall. Im Frühjahr 2013 berichtete die Schweizer UN-Menschenrechtsbeauftragte Carla del Ponte sehr zur Verärgerung der Regierungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens vom Einsatz des Kampfgases Sarin durch die Rebellen. Im August desselben Jahres kam es zu einem Vorfall, bei dem der damalige Außenminister John Kerry mehrmals behauptete zu "wissen", die SAA hätte mittels Kampfgas 1.295 unschuldige Zivilisten in einem von Rebellen besetzten Teil von Damaskus getötet.

Später schrumpfte die Opferzahl auf 322, ohne daß Kerry seine kategorische Behauptung korrigierte. Damals drängten die Kriegstreiber im US-Kongreß, angeführt vom Vietnamkriegsveteranen John McCain, Präsident Barack Obama dazu, umfassende Raketenangriffe gegen die SAA zu befehligen. Obama schreckte jedoch davor zurück, erstens weil überraschend die Abgeordneten im Londoner Unterhaus gegen eine Teilnahme Großbritanniens an der geplanten Strafaktion votierten, und zweitens, weil die CIA zur restlosen Zufriedenheit des US-Präsidenten die Verantwortlichen für den Giftgasanschlag nicht eindeutig benennen konnte. Eine spätere Recherche des US-Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh ergab, daß hinter der sonderbaren Episode eine Gruppe Aufständischer steckte, die im Auftrag des türkischen Geheimdienstes MIT gehandelt hatte. Schließlich konnte die damalige internationale Krise mit Hilfe des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der die syrische Regierung zur Unterzeichnung des Chemiewaffenvertrags und zur Übergabe ihres sämtlichen Bestandes an solchen Kriegsmitteln einschließlich der zur Herstellung nötigen Vorläuferprodukten überredete, entschärft werden. 2014 konnte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons - OPCW) die ordnungsgemäße Vernichtung aller syrischen Chemiewaffen melden.

Trotzdem kommen die Assad-Gegner immer wieder mit dem Vorwurf des C-Waffeneinsatzes durch die SAA. Meistens geschieht es, wenn den Rebellen gerade eine strategische Niederlage droht. Seit Donald Trump US-Präsident ist, passierte es im Frühjahr 2017 und im Frühjahr 2018 zweimal - just nachdem der New Yorker Immobilienhai vergeblich versucht hatte, gegen den Rat der eigenen Generäle den Abzug aller amerikanischen Streitkräfte aus Syrien durchzusetzen. Für den Verdacht, hier gehe es nicht mit rechten Mitteln zu, spricht das Ergebnis einer Konferenz internationaler Abrüstungsexperten, die am 15. Oktober unter der Schirmherrschaft der Courage Foundation in Brüssel stattgefunden hat. Dort hat anonym ein ehemaliger Waffeninspekteur die gezielte Manipulation der Arbeit der vermeintlich "unabhängigen" OPCW durch westliche Geheimdienststellen enthüllt.

Im Mittelpunkt der inkriminierenden Zeugenaussage des Informanten mit dem Tarnnamen "Alex" stand der angebliche Angriff auf die Rebellenhochburg Douma in Ostghouta bei Damaskus mit Chlorgas am 7. April 2018, der 34 Zivilisten, darunter zahlreichen Frauen und Kinder, das Leben gekostet haben soll. Die von den White Helmets, eine vom Westen finanzierte PR-Division der Rebellen, aufgenommenen Bilder röchelnder, hustender, halb erstickter Menschen im Krankenhaus von Douma haben damals weltweit für Entsetzen gesorgt. Später sollte der langjährige Nahost-Korrespondent Robert Fisk, der als erster westlicher Pressevertreter den Ort des Geschehens erreichte, von Augenzeugen erfahren, daß es keinen Chlorgasangriff gegeben hatte und daß die Atemnot vieler Menschen am besagten Tag die Folge der durch die schweren Kämpfe verursachten Rauch- und Staubbildung gepaart mit einem wetterbedingten Sandsturm gewesen ist. Der Bericht von Fisk im Londoner Independent hat Trump, die britische Premierministerin Theresa May und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron nicht daran gehindert, zur "Vergeltung" sowie zur Demonstration transatlantischer Handlungsfähigkeit einen großangelegten Raketenangriff auf mehrere SAA-Anlagen durchführen zu lassen.

Nun stellt sich heraus, daß es sich bei dem Chlorgas-Angriff von Douma tatsächlich um eine fingierte Aktion gehandelt hat. Wer die 34 Zivilisten auf dem Gewissen hat, bleibt unklar. Dafür steht fest, daß es zu keinem Zeitpunkt Beweise für den Einsatz von Chlorgas durch die SAA gegeben hat. Als die OPCW-Inspekteure die zwei Gasflaschen untersuchten, die vom Hubschrauber abgeworfen worden sein sollen, fiel ihnen sofort das Fehlen irgendwelcher Hinweise auf einen Einschlag aus großer Höhe auf. Statt dessen sahen die Gasflaschen aus, als seien sie an den beiden "Tatorten" per Hand plaziert worden. Messungen hätten am "Einschlagsort" und in der Umgebung auch eine höhere Chlorkonzentration ergeben müssen. Dies traf in Douma aber nicht zu. Die Inspekteure wollten nach der Rückkehr in Den Haag diese Tatsachen im Zwischenbericht, der im Juli 2018, und Endbericht, der im März 2019 erschien, festhalten, wurden aber "von höherer Stelle" daran gehindert. Der britische Journalist Jonathan Steele, der selbst der Courage-Konferenz beigewohnt und darüber am 15. November einen aufschlußreichen Artikel bei Counterpunch veröffentlicht hat, gibt die Aussage von Alex zum alles entscheidenden Eingriff am 4. Juli 2018 wie folgt wieder:

[Bob] Fairweather, Kabinettschef [beim OPCW], lud mehrere Mitglieder des Entwurfsteams in sein Büro. Dort fanden sie drei US-Regierungsvertreter vor, die ihnen kursorisch bekanntgemacht wurden, ohne daß jedoch klar wurde, welche US-Behörde sie vertraten. Die Amerikaner erklärten ihnen nachdrücklich, daß das syrische Regime einen Gasangriff durchgeführt hätte und daß die beiden Zylinder, die auf dem Dach und im oberen Stockwerk des Gebäudes gefunden worden waren, 170 Kilogramm Chlor enthalten hätten. Die Inspekteure verließen Fairweathers Büro mit dem Gefühl, daß die Einladung an die Amerikaner, mit ihnen zu sprechen, die Ausübung eines nicht hinnehmbaren Drucks sowie einen Verstoß gegen die erklärten Prinzipien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der OPCW darstelle.

An der Konferenz in Brüssel hat auch der ehemalige OPCW-Generaldirektor Jose Bustani teilgenommen. Bekanntlich wurde der brasilianische Diplomat 2002 zum Rücktritt als OPCW-Chef gezwungen, nachdem er versucht hatte, Saddam Husseins Irak zum Beitritt zum Chemiewaffenvertrag zu bewegen, was die damaligen Kriegspläne der Regierung von US-Präsident George W. Bush durchkreuzt hätte. John Bolton, damals der für die Bekämpfung von Terrorismus sowie der Verbreitung von "Massenvernichtungswaffen" zuständige Staatssekretär im US-Außenministerium, hat Bustani mit der Ermordung seiner beiden Söhne, die in New York zur Schule gingen, gedroht. Seitdem gilt die OPCW praktisch als NATO-hörig. Als zuletzt die OPCW-Inpekteure zur Erstellung eines irreführenden Berichts zum Douma-Vorfall regelrecht gezwungen wurden, war derselbe Bolton in leitender Funktion in der US-Regierung tätig, diesmal mit Büro im Weißen Haus als Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten.

20. November 2019


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