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NAHOST/978: Affäre um Ermordung des Hamas-Anführers Al Mabhouh (SB)


Affäre um Ermordung des Hamas-Anführers Al Mabhouh

Mossads Erfolge im Antiterrorkrieg könnten sich als Bumerang erweisen


Mit der Bitte um Amtshilfe haben sich die Behörden Dubais bei der Aufklärung der Ermordung des Hamas-Anführers Mahmoud Al Mabhouh an die Europäische Union gewandt. Der 49jährige Palästinenser wurde am 20. Januar in seinem Zimmer im Dubaier Fünf-Sterne-Hotel Al Bustan Rotana tot aufgefunden. Man geht davon aus, daß Al Mabhouhs Hinscheiden auf keine natürliche Ursache, sondern auf Fremdeinwirkung zurückzuführen ist. Die Polizei von Dubai ermittelt gegen elf Personen, die am Attentat gegen Al Mabhouh beteiligt gewesen sein sollen. Die zehn Männer und eine Frau, die allesamt mit EU-Reisepässen unterwegs waren, reisten am 19. Januar nach Dubai ein und gleich am nächsten Tag wieder ab. Doch allzu große Hoffnungen sollten die Dubaier nicht in die Hilfe der EU setzen, denn es deutet alles darauf hin, daß der aus Gaza stammende, zuletzt in Damaskus lebende Mitbegründer der Essedin-el-Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas, von Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad liquidiert wurde. Sollte dies der Fall sein, kann man annehmen, daß die Europäer, die ansonsten immer sofort zur Stelle sind, wenn es darum geht, "terroristische" Anschläge irgendwo auf der Welt zu verurteilten, aus Rücksicht auf Israel kein großes Aufhebens um die Verwendung ihrer Reisepässe zu Tötungszwecken machen werden. Man braucht kein Genie zu sein, um nachzuvollziehen, wie ein solches Herunterspielen der Ermordung Al Mabhouhs durch die EU-Regierungen in der arabischen und muslimischen Welt aufgenommen werden wird.

Kurz nach dem Vorfall warfen Vertreter der Hamas und der Familie des Verstorbenen dem Mossad vor, dessen Agenten hätten Al Mabhouh in seinem Hotelzimmer überfallen, ihn mit Stromschlägen traktiert und schließlich mit Schnur oder Draht erwürgt. In der arabischen Presse war von einer mysteriösen Frau die Rede, welche dem Todeskommando Zugang zum Hotelzimmer Al Mabhouhs verschafft hätte. Vor einer Woche wartete das französische Geheimdienstmagazin Intelligence Online mit "neuen Details" auf. Demnach waren an der Mossad-Operation zehn Agenten, darunter drei Frauen, beteiligt. Eine der Frauen soll, als weibliches Mitglieds der Personals des Al Bustan Rotana Hotels verkleidet, an der Zimmertür Al Mabhouhs geklopft haben. Als dieser die Tür aufmachte, sollen die Frau und weitere Mitglieder des Teams das Zimmer gestürmt, Al Mabhouh mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt und ihm anschließend eine tödliche Injektion verpaßt haben.

Auf einer Pressekonferenz am 15. Februar hat Generalleutnant Dhahi Khalfan Tamim, Polizeipräsident des Emirats, vorläufige Ermittlungsergebnisse zum spektakulären Mordfall präsentiert. Demnach haben erste Laboruntersuchungen ergeben, daß Al Mabhouh erstickt wurde. Tamim zeigte die Bilder der elf Verdächtigen, die während ihres nur 19stündigen Aufenthalts in Dubai von Sicherheitskameras aufgenommen worden waren. Die mutmaßlichen Attentäter stiegen in verschiedenen Hotels ab, waren unter anderem mit Perücken und Bärten verkleidet und gaben sich durch das Tragen von Tennisschlägern und anderer Sportausrüstung als ganz normale Touristen aus.

Laut Tamim waren mehrere Mitglieder des Attentatsteams Mabhouh nach dessen Ankunft am Flughafen in sein Hotel gefolgt und sind sogar mit ihm im Fahrstuhl gefahren, um das Stockwerk und die Nummer seines Zimmers zu erfahren. Daraufhin haben einige von ihnen für das gegenüberliegende Zimmer eingecheckt. Kurz danach haben vier der Attentäter ein elektronisches Spezialwerkzeug benutzt, um in das Zimmer Al Mabhous zu gelangen. Dort warteten sie auf ihr Opfer, das am Nachmittag woanders hingegangen war (In der westlichen Presse wird über einen eventuellen Abstecher in die iranische Botschaft spekuliert). Laut Tamim erfolgte die Ermordung Al Mabhous gerade fünf Stunden nach dessen Ankunft im Hotel und dauerte zehn Minuten. Noch am selben Abend verließen die Attentäter Dubai mit dem Flugzeug, einige Richtung Europa, andere Richtung Asien.

Sechs der mutmaßlichen Attentäter hatten bei der Grenzkontrolle britische und drei irische Papiere vorgezeigt, während die beiden letzten im Besitz eines deutschen respektive eines französischen Reisespasses waren. Dubai hat die Namen - Peter Elvinger, Paul Keeley, Stephen Hodes, Evan Dennings, Gail Folliard, James Clarke, Michael Barney, Melvyn Mildiner, Michael Bodenheimer, Kevin Daveron und Jonathan Graham - und die anderen persönlichen Details auf den elf Reisepässen an Interpol zwecks Erwirkung internationaler Haftbefehle übermittelt. Es ist jedoch hochwahrscheinlich, daß die Pässe gefälscht waren und folglich irreführende Angaben enthielten. Die Bestätigung für diesen Verdacht lieferte am 16. Februar das Außenministerium der Irischen Republik. Demnach hat das Passport Office in Dublin zu keinem Zeitpunkt Reisepässe für Personen mit den Namen Kevin Daveron, Evan Dennings und Gail Folliard ausgestellt.

Israel hat den vom Hamas-Chef Khaled Mashal erhobenen Vorwurf der Tatbeteiligung weder dementiert noch seine Richtigkeit bestätigt. Die Israelis behaupten jedoch ihrerseits, daß Al Mabhouh als Verbindungsmann der Hamas zum Iran derjenige war, der für Lieferungen iranischer Waffen in den Gazastreifen sorgte und zu diesem Zweck nach Dubai gereist war (Teheran gibt zu, die Hamas finanziell zu unterstützen, bestreitet jedoch, die islamische Gruppierung auszurüsten). Darüber hinaus wurde Al Mabhouh von den Israelis jahrelang wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an der Entführung und Tötung ihrer beiden Soldaten Avi Saportas und Ilan Sa'adon im Jahre 1989 steckbrieflich gesucht.

Die aufsehenerregende Ermordung Al Mabhous hat ein Licht auf die Umtriebigkeit des Mossads geworfen. In letzter Zeit hat es im Nahen Osten nicht wenige tödliche Bombenanschläge - darunter im Januar in Teheran auf den iranischen Atomwissenschaftler Massoud Ali Mohammedi, im vergangenen Oktober im ostiranischen Sistan Belutschistan auf führende Mitglieder der Revolutionsgarden der Islamischen Republik und im Februar 2008 in Damaskus auf den libanesischen Hisb-Allah-Militärchef Imad Mughnija - gegeben, in denen die Menschen in der Region "die Handschrift" des israelischen Auslandsgeheimdienstes zu erkennen meinen. Während es aus israelischen Militär- und Geheimdienstkreisen dazu lapidar heißt, mittels Attentaten und verdeckter Operationen würde man Hisb Allah und Hamas in Schach halten sowie den Fortschritt beim iranischen Atomprogramm verlangsamen, gibt es Befürchtungen, die Hardliner in Tel Aviv heizten die Spannungen in der Region zusätzlich an und nähmen dabei billigend das Risiko eines größeren Krieges in Kauf. In einem interessanten Artikel, der am 14. Februar bei der Londoner Sunday Times zum Thema des laufenden "verdeckten Krieges" des Mossads gegen die Feinde Israels im Nahen Osten erschienen ist, wurde ein nicht namentlich genannter Diplomat aus Ägypten mit den unheilvoll klingenden Worten zitiert: "Wir haben ihre Aktivitäten im Blick; wir stellen fest, daß es mehr Aktivität sowohl auf unserem Territorium, als auch in anderen Ländern der Region gibt. Sie versuchen uns alle in ihren Konflikt hineinzuziehen."

16. Februar 2010