Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1030: Schicksal gefangener US-Bergwanderin im Iran unklar (SB)


Schicksal gefangener US-Bergwanderin im Iran unklar

Geplante Freilassung von Sarah Shourd in letzter Minute geplatzt


Für Verwirrung haben die Behörden im Iran im Falle der 31jährigen US-Bürgerin Sarah Shourd gesorgt, die im Juli 2009 bei einer Wanderung in den Bergen des nordöstlichen Iraks zusammen mit ihren beiden Freunden, dem 27jährigen Shane Bauer und dem 27jährigen Josh Fattal wegen Betretens des iranischen Territoriums festgenommen worden war. Alle drei stehen unter Spionageanklage. Bei einer Verurteilung droht ihnen die Todesstrafe. Als Geste des guten Willens hatte die Regierung in Teheran am 9. September bekanntgegeben, am darauffolgenden Tag anläßlich des Eid-Festes am Ende der muslimischen Fastenzeit Ramadan, Shourd, die an Krebs erkrankt sein soll, ausreisen lassen zu wollen. Zu diesem Zweck hatten die Behörden sogar die Presse um 9.00 Uhr am 11. September in das Teheraner Esteghlal Hotel, wo sich die drei Gefangenen im vergangenen Mai vorübergehend mit ihren Müttern treffen konnten, eingeladen. Inzwischen ist die Veranstaltung gestrichen worden. Laut Staatsanwaltschaft bleibt Shourd weiterhin in Gefängnis.

Das Schicksal der drei Amerikaner, die zuletzt an verschiedenen Hilfsprojekten im kurdischen Teil des Iraks arbeiteten, steht ganz im Zeichen des sogenannten "Atomstreits" zwischen den USA und dem Iran. Sowohl in Washington als auch in Teheran scheint es Meinungsverschiedenheiten zwischen Realisten, die eine Lösung des Streits und eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen anstreben, und Hardlinern, die an der Konfrontation und der Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung festhalten wollen zu geben.

Entgegen des im Westen herrschenden Eindrucks gehört Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu den Pragmatisten. Immer wieder hat er versöhnliche Signale an die Verantwortlichen in Washington gesandt - er hat Barack Obama nach dessen Sieg bei der US-Präsidentenwahl im November 2008 gratuliert und vor kurzem einem Vier-Augen-Gespräch zwischen ihm und Obama am Rande der bevorstehenden UN-Vollversammlung in New York angeregt -, wofür er jedesmal von den konservativen Kräften um den Obersten Religiösen Führer, Großajatollah Ali Khamenei kritisiert wurde. Medienberichten zufolge ging die Nachricht von der geplanten Freilassung Sarah Shourds von Ahmadinedschads Präsidentenamt aus. Spekulationen zufolge sollte er sogar an der Pressekonferenz im Teheraner Hotel Esteghlal teilnehmen. Womöglich wollte er mit dieser Geste seinen Wunsch nach einem Treffen mit Obama in New York Nachdruck verleihen. Doch warum fielen dann diese Pläne ins Wasser? Möglicherweise wurde die Freilassung Shourds nicht nur von den Hardlinern im Iran, sondern auch noch in Washington torpediert.

Der Meldung von der geplanten Freilassung Shourds ging einem interessanten Auftritt von US-Außenministerin Hillary Clinton am 8. September vor dem einflußreichen Council on Foreign Relations (CFR) in New York voraus. Dort ließ die ehemalige First Lady in einer umfassenden Rede die aktuelle Außenpolitik der Obama-Regierung Revue passieren. Beobachtern fiel der wenig aggressive Ton von Clintons Ausführungen zum Thema Iran auf. Zwar behauptete sie, die jüngsten Handelssanktionen setzten die Islamische Republik unter erheblichen Druck, und warnte vor der Gefahr einer Militärdiktatur im Iran, doch sie verzichtete auf die übliche Drohung, wonach im Atomstreit "alle Optionen auf dem Tisch" lägen, und appellierte statt dessen an Teheran, sich der "internationalen Gemeinschaft" anzuschließen.

In den USA faßten die pro-israelischen Neokonservativen Clintons Rede als Beweis dafür auf, daß die Obama-Regierung dabei sein könnte, dem "Mullah-Regime" Zugeständnisse zu machen und sich eventuell mit der Existenz einer iranischen "Atombombe" einzurichten. Das dürfte aus deren Sicht natürlich niemals passieren. Es kann kein Zufall sein, daß am Tag nach der Clinton-Rede vor dem CFR - und kaum daß die Iraner ihrerseits die Freilassung Sarah Shourds angekündigt hatten - in Washington Vertreter der iranischen Volksmudschaheddin MEK, die mit dem israelischen Geheimdienst Mossad zusammenarbeiten sollen, eine Pressekonferenz gaben, auf der sie angebliche Beweise für die Existenz einer geheimen, im Bau befindlichen Nuklearanlage in einem Berg rund 120 Kilometer nordwestlich von Teheran vorlegten. Selbst wenn die Angaben der MEK stimmen sollten, solange die Iraner keine Atomtechnologie in der Anlage installiert und keinen spaltbares Material eingeführt haben, sind die Bauarbeiten dort bei der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) nicht anmeldepflichtig. So oder so, es drängt sich der Verdacht auf, daß mit der MEK-Pressekonferenz die Freilassung Shourds und eine Entspannung im Atomstreit verhindert werden sollten. Dem Verhalten der Behörden in Teheran nach zu urteilen, scheint die Inszenierung ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben.

11. September 2010