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NAHOST/1164: Libanons Hisb Allah hält an Allianz mit Syrien fest (SB)


Libanons Hisb Allah hält an Allianz mit Syrien fest

Hassan Nasrallah sieht das Ausland hinter der Destabilisierung Syriens



Der aktuelle Versuch hauptsächlich der sunnitischen Muslimbruderschaft in Syrien das langjährige "Regime" der Baath-Partei und des alewitischen Assad-Klans in Damaskus zu stürzen, richtet sich auch gegen deren Verbündete, den mehrheitlich schiitischen Iran und die schiitische Hisb-Allah-Bewegung im Libanon. Hinter der anti-schiitischen Großoffensive stecken vor allem die USA und Saudi-Arabien. Bereits 2007 berichtete der berühmte Enthüllungsjournalist Seymour Hersh in der Zeitschrift New Yorker unter der Überschrift "The Redirection" von entsprechenden Plänen des damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney und des Nationalen Sicherheitsberaters Saudi-Arabiens, Prinz Bandar, mit Hilfe von sunnitischen Extremisten aus dem Dunstkreis des Al-Kaida-"Netzwerkes" den "schiitischen Bogen" zwischen Kaspischen Meer und Mittelmeer zu zerschlagen. Die von Hersh bekanntgemachte "Neuausrichtung" galt als Reaktion der USA und Saudi-Arabiens sowohl auf das Erstarken der Schiiten im Irak nach dem von den Amerikanern 2003 mit Militärmacht erzwungenen Sturz des Baath-"Regimes" Saddam Husseins im Zweistromland als auch auf den Sieg der Hisb-Allah-Miliz 2006 im 33tägigen Libanon-Krieg gegen Israel. Daß dies weiterhin die Stoßrichtung Washingtons und Riads im Nahen Osten ist, hat George Friedman vor wenigen Tagen in einer Analyse für den privaten Nachrichtendienst Stratfor bestätigt.

Der Bürgerkrieg in Syrien hat im Nachbarland Libanon zu einer Verschärfung der dort seit Anfang 2011 herrschenden politischen Krise geführt. Die Kräfte um die sunnitische Zukunftspartei Saad Hariris, der als bezahlter Gewährsmann der Saudis gilt, stehen in Verdacht, den Nachschub an Waffen und frischen ausländischen Kämpfern für die Rebellen der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) zu organisieren. Deshalb kommt es an der libanesischen Grenze zu Syrien immer wieder zu Scharmützeln zwischen Waffenschmugglern und FSA-Rekruten mit syrischen Regierungstruppen. Weder die USA noch Israel haben es verwunden, daß vor eineinhalb Jahren die Hisb-Allah-Bewegung und ihre politischen Verbündeten in Beirut die Regierungsmacht übernommen haben. Man hofft, durch einen "Regimewechsel" in Damaskus die Hisb-Allah-Miliz zu einer Abgabe ihres umfangreichen Waffenarsenals zwingen zu können.

Daß sich die Hisb Allah den von Israel unterstützten Plänen der USA und Saudi-Arabiens unterwerfen wird, ist eher unwahrscheinlich. In einer Rede vor Zehntausenden Anhängern in Beirut anläßlich des sechsten Jahrestages des Ausbruchs des Libanonkrieges hat sich Hisb-Allah-Chef Hassan Nasrallah mit unmißverständlichen Worten zur Waffenbruderschaft mit Syrien und dem Iran bekannt. Die Kampfansage Nasrallahs war in ihrer Deutlichkeit um so erstaunlicher, da nur wenige Stunden zuvor die Führung in Damaskus den bisher schwersten Schlag ihrer Gegner - die Tötung des Verteidigungsministers, General Dawoud Rajha, des Leiters des Militärgeheimdienstes und Assad-Schwagers, General Assef Shawkat, und des Leiters des Amtes für Krisenfälle, Ex-Verteidigungsminister General Hassan Turkmani, durch einen Bombenanschlag - verkraften mußte. Während Nasrallah sprach, versuchte die FSA und die mit ihr kooperierenden Milizen der Welt weiszumachen, sie stünden kurz vor der Eroberung von Damaskus.

Nasrallah bezeichnete die drei Opfer des spektakulären Bombenanschlags in der syrischen Hauptstadt als "Märtyrer und Waffenbrüder im Kampf gegen den israelischen Feind". Er erklärte sich "zuversichtlich, daß die arabisch-syrische Armee ... in der Lage sein" werde, "sich zu behaupten und die Hoffnung ihrer Gegner zu zermalmen." Seit Beginn der Unruhen in Syrien vor 16 Monaten ist die palästinensische, hauptsächlich sunnitische Hamas-Bewegung, die lange Jahre von Damaskus unterstützt wurde, auf Distanz zum Assad-"Regime" gegangen. Nasrallah, dessen Hisb Allah stets für einen friedlichen Dialog zwischen Regierung und Opposition in Syrien eingetreten ist, warnte die Hamas davor, auf die Linie Riads einzuschwenken: "Aufrichtig möchte ich der palästinensischen Nation und ihren verschiedenen Gruppen sagen, daß der Name Palästina für immer von der Landkarte verschwinden wird, sollte das Thema Palästina vom regionalen arabischen Establishment vereinnahmt werden."

Die Hintergründe der aktuellen Geschehnisse in Syrien erläuterte der Generalsekretär der Hisb Allah wie folgt: "Es gibt ein amerikanisch-israelisches Projekt gegen Syrien. Die USA und Israel betrachten Syrien als Problem, weil es ein echter Verbündeter des Widerstandes ist. Syrien stellt nicht nur die Brücke zwischen dem Iran und dem Widerstand dar, sondern ist auch ein wichtiger Unterstützer des Widerstands auf militärischer Ebene." Laut Nasrallah verdankten die Hisb Allah den Sieg 2006 gegen Israel und die Hamas, sich der israelischen Offensive "Begossenes Blei" 2009 gegen Gaza widersetzen zu können, Assad. "Die wichtigsten Waffen in unserem Besitz kamen aus Syrien. Die Raketen, die wir im Libanonkrieg eingesetzt haben, wurden in Syrien hergestellt. Das gilt nicht nur für den Libanon, sondern auch für den Gazastreifen. Wo kamen diese Raketen her? Vom saudischen Regime? Vom ägyptischen Regime? Nein, diese Raketen kamen aus Syrien". Nasrallah behauptete, daß Syrien angegriffen worden wäre, wenn die israelischen Streitkräften die Hisb-Allah-Miliz bezwungen hätten. Wie man weiß, gab es entsprechende Überlegungen seitens der Regierungen George W. Bushs und Ehud Olmerts. Nicht umsonst meinte Condoleezza Rice, damals nationale Sicherheitsberaterin der USA, im israelischen Bombenhagel auf den Libanon "die Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens" zu erkennen.

Nasrallah kritisierte die Finanz- und Wirtschaftssanktionen der EU und der USA gegen den Iran wegen dessen Haltung im sogenannten Atomstreit. Trotz der Drangsalierung durch den Westen und der anhaltenden Anschläge auf iranische Wissenschaftler, hinter denen die CIA und der Mossad vermutet werden, sei der Iran laut Nasrallah "100 Mal stärker als vor 30 Jahren". Er lobte das Angebot Teherans, die libanesischen Streitkräfte zum Vorzugspreis aufzurüsten, und kündigte eine "böse Überraschung" an, sollte Israel den Libanon noch einmal angreifen. Auf den Bombenanschlag, der wenige Stunden zuvor fünf israelische Touristen in Bulgarien getötet hatte und hinter dem Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sofort den Iran als Auftraggeber und die Hisb-Allah-Miliz als ausführendes Organ zu sehen meinte, ging Nasrallah mit keinem Wort ein. Am selben Abend dementierte jedoch ein Hisb-Allah-Sprecher jede Beteiligung seiner Organisation an dem Vorfall im bulgarischen Badeort Burgas und verurteilte die Ermordung der israelischen Touristen aufs Schärfste. Eine ähnliche Erklärung gab die Regierung in Teheran heraus. Darin bezeichnete sie zudem die Schuldzuweisungen aus Tel Aviv als haltlos.

21. Juli 2012