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NAHOST/1290: Saudi-Arabien will Pakistans Hilfe im Syrien-Krieg (SB)


Saudi-Arabien will Pakistans Hilfe im Syrien-Krieg

Islamabad soll sich an Riads Anti-Iran-Dschihad indirekt beteiligen



Wie der erfahrene Nahost-Korrespondent und Biograph von Muktada Al-Sadr, Patrick Cockburn, am 23. Februar im britischen Independent on Sunday berichtete, ist kein schnelles Ende des seit 2011 anhaltenden Bürgerkrieges in Syrien, der laut Vereinten Nationen mehr als 145.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen zu Flüchtlingen gemacht hat, in Sicht. Nach zwei Wochen Ende Januar, Anfang Februar in Damaskus und Homs hatte Cockburn, der von 2003 bis 2011 die US-Besatzungstruppen im Irak kritisch begleitete, nach eigenen Angaben "den Eindruck, daß sich die Regierung [um Präsident Baschar Al Assad - Anm. d. SB-Red.] politisch und militärisch in einer besseren Position als zu jedem anderen Zeitpunkt befindet, seit sich um November 2012 herum die Kämpfe zu ihren Gunsten zu drehen begannen."

Die Befestigung der Position der syrischen Regierung hat mehrere Gründe: zum einen die Unterstützung, die Damaskus von Rußland, dem Iran und der libanesisch-schiitischen Hisb Allah erfährt, und zum anderen die Zerstrittenheit und mangelnde Organisation der Rebellen sowie das umstrittene Regierungsprogramm der meist sunnitisch-islamischen Aufständischen. Deren Ziel, die Errichtung eines islamischen Staats unter strenger Auslegung der Scharia, wirkt für viele Syrer, Regierungsanhänger wie -gegner, die in einem säkularen Staat aufgewachsen sind, abschreckend.

Die Uneinigkeit unter den aufständischen Milizen hat sich in den vergangenen Tagen mehr als deutlich manifestiert. In dem seit Dezember 2012 existierenden Obersten Militärrat (Supreme Military Council - SMC) der Freien Syrischen Armee (FSA) ist ein Machtkampf ausgebrochen. Nach einem geheimen Treffen haben mehrere Kommandeure den bisherigen SNC-Generalstabschef, Brigadegeneral Salim Idris, einen als säkular-gemäßigt geltenden Ex-Offizier der regulären syrischen Streitkräfte, am 16. Februar abgesetzt und Brigadegeneral Abdul Ilah Al Baschir zu seinem Nachfolger erklärt. Kurz darauf hat die Exilopposition, die Syrian National Coalition (SNC), Al Baschir offiziell zu seiner Beförderung gratuliert. Daraufhin traten Idris und fünfzehn weitere ranghohe FSA-Kommandeure am 19. Februar aus der SNC aus und erklärten sich für unabhängig. Faktisch bedeutet dies, daß die FSA nun zwei rivalisierende Führungen hat.

Noch drastischer gestalten sich die Richtungsstreitigkeiten unter den religiös-motivierten Aufständischen in Syrien. Am 23. Februar haben zwei Selbstmordattentäter auf einem Stützpunkt der Rebellen nahe Aleppo sich und Abu Khaled Al Suri in die Luft gejagt. Der frühere Sondergesandte Osama bin Ladens war Mitbegründer der Ahrar al Scham, die sich im vergangenen Jahr mit anderen salafistischen Gruppen zur Islamischen Front formiert hatte. Er vermittelte zuletzt für Al-Kaida-Chef Aiman Al Zawahiri zwischen den verschiedenen sunnitischen Milizen in Syrien. Für das Attentat auf Al Suri wird der Islamische Staat im Irak und der Levante (ISIL), ein Ableger von Al Qaeda in Iraq (AQI), verantwortlich gemacht.

Seit Ende vergangenen Jahres liefert sich die ISIL-Organisation, die im Nordosten Syriens, nahe der Grenze zu den sunnitisch-dominierten Provinzen des Iraks, Anbar und Nineveh, besonders stark ist, heftige Kämpfe mit kurdischen Gruppen, Regierungstruppen und anderen aufständischen Milizen, darunter auch die Ahrar al Scham. In einer Videobotschaft, die Anfang Februar im Internet erschienen ist, hat der 62jährige Al Zawahiri, der der AQI bereits 2013 vergeblich befohlen hatte, ihre Aktivitäten auf den Irak zu beschränken, die Verbindungen der Al Kaida zu ISIL offiziell gekappt. Also darf der tödliche Anschlag auf Al Suri als eine deutliche Antwort der ISIL auf die Verbannung aus der Al Kaida interpretiert werden. Offenbar will die Gruppierung, die seit Mitte 2013 die Stadt ar-Raqqa, die Hauptstadt der gleichnamigen syrischen Provinz, kontrolliert, von dort aus ihr "Islamisches Emirat" ausbauen.

Die Zwistigkeiten unter den syrischen Rebellen machen den ausländischen Befürwortern eines Regimewechsels in Damaskus, allen voran denen in den USA, zu schaffen. In der New York Times hieß es dazu am 24. Februar: "Das neue Chaos innerhalb der Rebellenführung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem internationale Gespräche zur Beendigung des Krieges steckengeblieben sind und die Obama-Administration nach neuen Wegen sucht, Herrn Assad unter Druck zu setzen." Zu den möglichen "neuen Wegen" gehört ein Vorstoß der Rebellen von der südsyrischen Provinz Dar'a aus Richtung Hauptstadt, über den seit Wochen in den internationalen Medien diskutiert wird. Als Hauptinitiatoren der neuen Offensive werden die USA, Saudi-Arabien und Jordanien genannt.

In der Nähe der syrischen Grenze sollen jordanische und amerikanische Militärs mit der Vorbereitung der Offensive, darunter der Ausbildung der Rebellen und der Errichtung entsprechender Waffendepots begonnen, haben. Ende März wird Obama zum Staatsbesuch nach Riad reisen, wo es zur großen Versöhnung zwischen den USA und Saudi-Arabien kommen soll. Beide Länder haben sich im vergangenen Jahr in den Fragen des Putsches des ägyptischen Militärs gegen Präsident Mohammed Mursi von der Moslembruderschaft und der richtigen Antwort des Westens auf Berichte über den angeblichen Einsatz von Giftgas seitens der syrischen Streitkräfte zerstritten.

Laut einem Artikel, den Bruce Riedel, ein ehemaliger CIA-Analytiker und Nahost-Experte im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses am, 15. Februar bei der Onlinezeitung Al Monitor veröffentlichte, will der saudische Monarch König Abdullah mit Obama über eine deutliche Eskalation des Krieges in Syrien beraten. Aus Sicht der Saudis muß man die militärische Lage in Syrien verschärfen, um Präsident Assad zum Rücktritt zu zwingen, den "gemäßigten" Rebellen zum Sieg gegen die "extremistischen" Kräfte zu verhelfen und das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern. Zu diesem Zweck wollen die Saudis der FSA angeblich weitere 3.000 Tonnen Waffen, darunter Anti-Panzer-Raketen und Boden-Luft-Raketen, zukommen lassen. Dies berichtete das Wall Street Journal am 14. Februar unter Verweis auf syrische Oppositionelle und einen arabischen Diplomaten.

Im besagten WSJ-Bericht hieß es, die Anti-Panzer-Raketen sollten aus russischer Produktion stammen und die Boden-Luft-Raketen aus China kommen. In der Zwischenzeit, am 17. Februar nämlich, hat Saudi-Arabiens Verteidigungsminister, Kronprinz Salman Bin Abdul Asis, Pakistan besucht. Bei den Gesprächen Prinz Salmans mit den Vertretern der Regierung Nawaz Sharifs in Islamabad soll es auch um pakistanische Militärhilfe bei der geplanten Südoffensive der syrischen Rebellen gegangen sein. Dies berichtete am 22. Februar die iranische Fars News Agency und am 24. die Beiruter Tageszeitung Daily Star. Demnach erwägt Saudi-Arabien, die Boden-Luft-Raketen für die syrischen Rebellen aus Pakistan zu beziehen, denn dort wird die chinesische Boden-Luft-Rakete in Lizenz nachgebaut. Um die pakistanische Führung zur indirekten Teilnahme am großen Anti-Assad-Dschihad zu bewegen, hat Prinz Salman ihr großzügigerweise bei seinem Besuch 200 Millionen Dollar geschenkt.

Seit Jahrzehnten übt das schwerreiche Saudi-Arabien einen bedenklichen Einfluß auf Pakistan aus. Die Saudis haben nicht nur die afghanischen Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjetarmee, sondern auch das pakistanische Atomwaffenprogramm unter der Leitung von Abdul Qadeer Khan maßgeblich finanziert. Sie fördern die Gründung von religiösen Schulen, in denen pakistanische Kinder eine engstirnige Form des sunnitischen Islams - den Wahhabismus - eingetrichtert bekommen. Als saudische Streitkräfte im März 2011 in Bahrain einmarschierten, um die demokratischen Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit gegen die sunnitische Königsfamilie Al Khalifa niederzuschlagen, sollen sich in ihren Reihen nicht wenige ehemalige Soldaten aus Pakistan - allesamt Sunniten - befunden haben.

Wegen Drucks aus Saudi-Arabien - wie auch aus den USA - nimmt Islamabad immer mehr Abstand vom geplanten Ausbau der sogenannten IPI-Pipeline vom Iran über Pakistan nach Indien, obwohl das Projekt die pakistanische Energiekrise lösen und üppige Transitgebühren in die pakistanische Staatskasse spülen würde. Bereits im vergangenen November berichtete die US-Politzeitschrift Foreign Policy, Saudi-Arabien plane, ehemalige pakistanische Offiziere, welche die syrischen Rebellen ausbilden und ihnen gegebenenfalls bei Kämpfen als Ratgeber zur Seite stehen sollen, anzuheuern. Es hat den Anschein, als stünde Pakistan bereits mit einem Fuß im Anti-Schiiten- bzw. Anti-Iran-Lager Saudi-Arabiens und Jordaniens.

25. Februar 2014