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NAHOST/1413: Saudische Invasion im Jemen fordert viele Tote (SB)


Saudische Invasion im Jemen fordert viele Tote (SB)

Riad richtet das ärmste Land Arabiens vollends zugrunde


Es ist interessant zu bemerken, wie diejenigen Vertreter westlicher Politik und Medien, die wegen des angeblichen Einsatzes von "Faßbomben" gegen die Zivilbevölkerung in Syrien Zeter und Mordio schreien und ohne Unterlaß die Absetzung von Präsident Baschar Al Assad fordern, wenig bis gar nichts zu den Kriegsverbrechen Saudi-Arabiens und dessen Verbündeten im Zuge ihrer inzwischen ein halbes Jahr andauernden Militärintervention im Jemen zu sagen haben. Im Armenhaus Arabiens sind nach Angaben der Vereinten Nationen von Ende März bis Ende September mindestens 2.355 Zivilisten getötet und 4.863 verletzt worden. Wegen der Seeblockade, welche die Marine Saudi-Arabiens mit Hilfe Ägyptens und der USA aufrechterhält, sind 80 Prozent der jemenitischen Bevölkerung, rund 20 Millionen Menschen, auf dringende humanitäre Hilfe angewiesen. Rund zwei Millionen Menschen sind vor den Kämpfen auf der Flucht.

Am 28. September hat ein Raketenangriff der saudischen Luftwaffe im Dorf Al Wahijah, nahe der umkämpften Hafenstadt Mokka am Roten Meer, 131 Mitglieder einer Hochzeitsgesellschaft getötet. Die Zahl der Verletzten beim bisher schwersten Massaker im Jemen-Krieg ist unklar. Einen Tag zuvor waren im Gouvernement Hajjah bei einem Angriff saudischer Kampfhubschrauber 28 Zivilisten ums Leben gekommen und 17 weitere schwer verletzt worden. Vermutlich weil sich die beiden Vorfälle quasi zeitgleich mit dem Auftakt der UN-Generalversammlung in New York ereigneten, haben sie eine gewisse diplomatische und mediale Aufmerksamkeit erregt. Dennoch hat Saudi-Arabien mit Hilfe der USA und anderer westlicher Staaten Anfang Oktober im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission verhindern können. Statt dessen soll Riads jemenenitische Marionettenregierung von Interimspräsident Abd Rabbuh Mansur Hadi, der Saudi-Arabien wieder an die Macht in Sanaa verhelfen will und die seit einigen Wochen in der südlichen Hafenstadt Aden residiert, die Hintergründe der Vorfälle aufklären.

James Lynch, Stellvertretender Leiter der Nahost- und Nordafrika-Abteilung bei Amnesty International, hat die Nachsicht des UN-Menschenrechtsrats gegenüber Saudi-Arabien als "schockierend" bezeichnet. Die Entscheidung, die potentiellen Kriegsverbrechen der Saudis durch die von ihnen abhängige Hadi-Administration untersuchen zu lassen, mache unmißverständlich klar, "daß die internationale Gemeinschaft es mit der Beendigung des Leidens der Zivilbevölkerung im Jemen nicht ernst" meine, so Lynch. In dem Bewußtsein, daß sie wohl auch weiterhin nicht für ihre Kriegsverbrechen im Jemen zur Verantwortung gezogen werden, haben Kampfjetpiloten der Anti-Huthi-Koalition am 7. Oktober ein Haus in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, in dem eine Hochzeitsfeier stattfand, mit Raketen beschossen und dabei mindestens 23 Zivilisten getötet.

Der Widerwille des Westens, Saudi-Arabiens Militärintervention im Jemen zu kritisieren, hat einen einfachen Grund - nämlich die Verwicklung der USA in das blutige Geschehen. Wie Korrespondent Kareem Fahim am 29. September in der New York Times erläuterte, setzt die sunnitische Anti-Huthi-Koalition, die aus Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Ägypten, Sudan und Marokko besteht, fast ausschließlich Waffen und Munition Made in the USA ein. Darüber hinaus wäre die Militäroperation gegen die schiitischen Huthis, die ihre Bewegung selbst Ansarullah nennen, ohne die nachrichtendienstliche und logistische Hilfe der rund um den Persischen Golf stationierten US-Streitkräfte - Satellitenaufklärung, Luftauftankung et cetera - in ihrer derzeitigen Form gar nicht möglich.

Was die strategische Lage betrifft, so ist es den Anti-Huthi-Koalitionären im September nicht gelungen, die Stadt Taizz, die auf halber Strecke zwischen Aden und Sanaa liegt, einzunehmen. Dafür war die Gegenwehr der Huthi-Rebellen und der mit ihnen kooperierenden Militäreinheiten des früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh zu stark. Um Taizz einfach zu umgehen, haben die Streitkräfte Saudi-Arabiens und der Golfstaaten, die von Hadi-treuen Milizionären und südlichen Separatisten unterstützt werden, ihre Bemühungen im Westen am Roten Meer und im Osten im Gouvernement Ma'rib verstärkt. Anfang Oktober haben die saudischen Truppen und ihre Verbündeten die Kontrolle über den Küstenstreifen unmittelbar nördlich der Meerenge Bab Al Mandab, die das Rote Meer mit dem Indischen Ozean verbindet, erlangt. Um die nahegelegene Stadt Mokka wird derzeit noch heftig gekämpft. Am 7. Oktober meldete der iranische Nachrichtensender Press TV, die Huthi-Rebellen hätten in der Nähe von Bab Al Mandab ein saudisches Kriegsschiff, das Dörfer in der Provinz Taizz mit Raketen beschossen hatte, mit eigenen Raketen versenkt.

Auch wenn die Huthi-Regierung in Sanaa am 6. Oktober dem Sieben-Punkte-Plan der Vereinten Nationen zur Beilegung des Konflikts schriftlich zugestimmt hat, sieht es nicht danach aus, als würden im Jemen bald die Waffen schweigen. Präsident Hadi hat das Entgegenkommen der Huthis als Ablenkungsmanöver gleich abgetan. Um die Situation dort noch komplizierter zu machen, hat die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) am 7. Oktober in Sanaa und Aden koordinierte Bombenanschläge durchgeführt, die 25 Menschenleben forderten. Unterdessen hat Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) mit Duldung der Saudis in weiten Teilen von Hadramaut, dem flächenmäßig größten Gouvernement des Jemens, die Macht übernommen.

9. Oktober 2015


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