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NAHOST/1418: Rußlands Offensive in Syrien auch im Irak zu spüren (SB)


Rußlands Offensive in Syrien auch im Irak zu spüren

Syrische und irakische Armee wieder auf dem Vormarsch


Wie der angesehene Nahost-Korrespondent Robert Fisk am 17. Oktober in der britischen Zeitung Independent unter der Überschrift "Everyone wrote off the Syrian army. Take another look now" attestierte, hat die Ende September begonnene Militärintervention Rußlands im Syrienkrieg die strategische Lage dort grundlegend verändert. Nach einer Reihe empfindlicher Niederlagen in der ersten Hälfte dieses Jahres, die starke Zweifel an der Überlebensfähigkeit des "Regimes" Baschar Al Assads aufkommen ließen, befindet sich die Syrische Arabische Armee (SAA) seit Anfang Oktober wieder in der Offensive. Mit der Unterstützung der russischen Luftwaffe, iranischer Militärberater sowie von Freiwilligen der schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz hat die SAA den Rebellenverbänden in den westlichen Provinzen Idlib, Hama und Latakia schwere Verluste zugefügt und marschiert derzeit auf Aleppo zu, um die Handelsmetropole nahe der Grenze zur Türkei zurückzuerobern.

Eine wichtige Ursache der militärischen Erfolge der Aufständischen in Syrien in den vergangenen Monaten war der Einsatz panzerbrechender Waffen, speziell der vom US-Rüstungsunternehmen Raytheon hergestellten TOW-Antipanzerrakete, die auf Geheiß Riads in großer Stückzahl aus den Beständen der Streitkräfte Saudi-Arabiens in die Hände der sunnitischen Dschihadisten gelangt waren. Aus diesem Grund hat die russische Luftwaffe als erstes die Waffendepots der Al-Nusra-Front in der Mitte und im Westen Syriens sowie der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) im Osten des Landes, angegriffen. Die Zerstörung wichtiger Waffenlager der Rebellen war auch Ziel jenes Angriffs gewesen, bei dem die russische Kriegsmarine am 7. Oktober vom Kaspischen Meer aus Marschflugkörper Richtung Syrien abfeuerte. Nach Angaben des Kremls wurden im Rahmen dieser Operation auch Waffendepots des IS nahe dessen Hochburg Rakka in der gleichnamigen ostsyrischen Provinz zerstört.

Die Auswirkungen des umfangreichen russischen Militärengagements in Syrien sind auch im Nachbarland Irak zu spüren. Schließlich kontrolliert der IS seit über einem Jahr praktisch die gesamte Region zwischen Rakka und Mossul, der zweitgrößten Stadt des Iraks im Nordwesten des Zweistromlands. Sehr zur Verärgerung der USA hat das Verteidigungsministerium in Moskau zeitgleich mit dem Beginn der russischen Luftoffensive in Syrien den Abschluß eines Sicherheitsabkommens mit Damaskus, Bagdad und Teheran bekanntgegeben. Gegen Ende der ersten Oktoberwoche hat ein Kommandostab, in dem jeweils sechs ranghohe Militäroffiziere aus dem Irak, dem Iran, Rußland und Syrien die Maßnahmen ihrer Streitkräfte gegen den IS und deren Verbündete koordinieren, in Bagdad seine Arbeit aufgenommen.

In einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 13. Oktober berichtete Hakim Al Zamili, Vorsitzender des Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit im Bagdader Parlament, nachrichtendienstliche Informationen aus der gemeinsamen Koordinierungstelle hätten einen Angriff der irakischen Luftwaffe auf ein Treffen wichtiger IS-Kommandeure ermöglicht. Al Zamili, ein politischer Vertrauensmann des schiitischen "Radikalpredigers" Muktada Al Sadr, äußerte gegenüber Reuters die Hoffnung, der Kommandostab in Bagdad könnte zum Grundstein einer formellen Militärallianz des Iraks mit Rußland, Syrien und dem Iran werden. Wenige Tage zuvor hatte sich der irakische Premierminister Haider Al Abbadi offen für russische Luftangriffe auf IS-Stellungen im Irak gezeigt.

Die Schwächung des IS infolge der russischen Luftangriffe in Syrien hat dazu geführt, daß sich die staatlichen Streitkräfte im Irak nach monatelangem Stillstand wieder auf dem Vormarsch befinden. Mitte Oktober meldete die irakische Armee die Einnahme von Baidschi, der größten Ölraffinerie des Landes, die seit rund einem Jahr von IS-Freiwilligen gehalten wurde. Damit ist der Weg für die langersehnte Operation zur Rückeroberung Mossuls frei. Derzeit kämpft sich die irakische Armee, von schiitischen Milizionären und sunnitischen Stammeskriegern unterstützt, entlang der Autobahn 1, die Bagdad und Mossul verbindet, Richtung Norden durch die Provinz Salaheddin. Auf dem Weg nach Mossul wollen die irakischen Streitkräfte vorher noch die Stadt Hawidschah in der Provinz Kirkuk von den Kalifatsanhängern befreien. Gleichzeitig zieht die irakische Armee den Belagerungsring um Ramadi, der vom IS besetzten Hauptstadt der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinz Anbar, immer enger zusammen.

Bei der Bekämpfung des IS nimmt der irakische Staat nicht nur die Hilfe der USA und Rußlands, sondern auch die der Volksrepublik China in Anspruch. Anfang des Jahres hat Bagdad Drohnen aus chinesischer Produktion gekauft. Im März nahmen die irakischen Streitkräfte ihre ersten Aufklärungsdrohnen in Betrieb. Am 15. Oktober stellte Verteidigungsminister Khaled Al Obeidi der Presse die Videoaufnahmen des ersten Angriffs einer irakischen Kampfdrohne des chinesischen Typs Caihong 4B vor. Demnach war die CH-4B-Drohne vom Luftwaffenstützpunkt Al Kut südöstlich der Hauptstadt gestartet und hatte das anvisierte Ziel, ein von IS-Kämpfern erbeutetes Panzerfahrzeug, mit einer lasergesteuerten Rakete vom Typ AR-1 in die Luft gesprengt.

20. Oktober 2015


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