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NAHOST/1443: Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause (SB)


Kriegsparteien im Jemen vereinbaren Feuerpause

Stillstand an den Frontverläufen macht Verhandlungen sinnvoll


Ein Jahr nun dauert im Jemen die Militärintervention einer von Saudi-Arabien angeführten Allianz sunnitischer Staaten. Weite Teile der Infrastruktur des ohnehin ärmsten Landes Arabiens sind durch anhaltende Luftangriffe zerstört worden. Mehr als 6200 Menschen sind infolge des Krieges ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilisten. Wegen einer von den Kriegsmarinen Ägyptens und Saudi-Arabiens aufrechterhaltenen Seeblockade herrscht in weiten Teilen des Jemens Hungersnot; 13 Millionen Menschen, knapp über die Hälfte der Bevölkerung, sind auf Lebensmittelhilfe angewiesen, so die Angaben des UN-Welternährungsprogramms. Vor diesem Hintergrund kann man die Nachricht, die Kriegsparteien hätten für den 10. April eine Feuerpause und die Aufnahme von Friedensverhandlungen am 18. April in Kuwait vereinbart, nur begrüßen.

Vermittelt wurde der geplante Waffenstillstand am 23. März, so hieß es, durch den mauretanischen Diplomaten Ismail Ould Cheikh Ahmed, der in seiner Funktion als UN-Sondergesandter seit Monaten zwischen der Führung der schiitischen Huthi-Rebellen und der Regierung des von ihnen Anfang letzten Jahres abgesetzten Präsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi pendelt. Laut Ahmed sollen sich die Verhandlungen in Kuwait Stadt auf fünf Themenbereiche konzentrieren: Rückzug aller kämpfenden Einheiten und Milizen, Schaffung provisorischer Sicherheitsarrangements, Wiederherstellung der staatlichen Institutionen, Abgabe aller schweren Waffen und Wiederaufnahme eines inklusiven politischen Dialogs.

Nach eigenen Angaben geht es Saudi-Arabien in dem Konflikt lediglich darum, Hadi als rechtmäßiges Staatsoberhaupt wiedereinzusetzen. Hinter dem Militärabenteuer Riads stecken jedoch auch ganz andere Motive, nicht zuletzt die Festigung der Position des neuen saudischen Königs Salman sowie dessen Sohns Mohammed als designierter Thronfolger. Der militärische Eingriff Saudi-Arabiens in die innenpolitische Krise des Jemens erfolgte nur zwei Monate, nachdem Salman den saudischen Thron infolge des Ablebens seines Bruders Abdullah geerbt hatte. Leiter der großangelegten, multinationalen Militäroperation ist der 30jährige Prinz Mohammed in seiner Rolle als neuer saudischer Verteidigungsminister.

Für Saudi-Arabien verläuft der Krieg im Nachbarland alles andere als ruhmreich. Nur mit Hilfe der USA und Großbritanniens, deren Militärs die elektronische Luftraumaufklärung der gesamten Operation leiten sowie für die Auftankung und Munitionierung der Kampfjets der Saudis und deren Verbündeten am Persischen Golf zuständig sind, sowie von Kämpfern von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) konnten die Huthi-Rebellen und die auf ihrer Seite kämpfenden Anhänger des früheren, langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh aus der Hafenmetropole Aden verdrängt werden. Die Kontrolle der Hadi-Milizionäre über Aden und praktisch die gesamte Südküste des Jemens ist nur nominell. Separatisten, die den früheren Südjemen wieder aufleben lassen wollen, sowie AQAP verfolgen da ganz andere Absichten. Während die saudischen Bodentruppen schwere Verluste haben hinnehmen müssen, hat die Luftwaffe Riads mit zahlreichen Angriffen auf zivile Ziele schwere Menschenrechtsverbrechen begangen. Für Empörung sorgte zuletzt die Bombardierung eines Marktplatzes am 17. März in der nördlichen Hadscha Provinz. Nach Angaben des UN- Kinderhilfwerkes kamen hierbei 119 Menschen ums Leben.

Seit Monaten liefern sich die Huthi-Saleh-Allianz und die Hadi-Anhänger mit ihren diversen Verbündeten einen erbitterten Kampf um die Stadt Taiz, die auf halber Strecke zwischen Aden im Süden und der Hauptstadt Sanaa im Norden liegt. Der militärische Stillstand dort reflektiert die militärische Realität im ganzen Land. Die Huthis können im Norden, ihrem traditionellen Siedlungsgebiet, nicht besiegt werden, gleichzeitig können sie den Süden gegen den Willen der Separatisten, von AQAP und den Hadi-Anhängern nicht halten, geschweige denn zurückerobern.

In Kuwait sind harte Verhandlungen zu erwarten. Dem Vorhaben, einen inklusiven politischen Dialog im Jemen wieder in Gang zu bringen, steht möglicherweise die Absicht Saudi-Arabiens im Weg. Eine führende Rolle der Huthis in der jemenitischen Politik sieht man in Riad mit Argwohn wegen deren angeblichen Verbindungen zum Iran, dem Erzfeind Saudi-Arabiens. Des weiteren müssen die Saudis die Entstehung einer echten Demokratie mit Gleichberechtigung für die Frauen im Jemen befürchten, weil eine solche Entwicklung die absolutistische Monarchie der Familie Saud in Frage stellen könnte. Man kann auch davon ausgehen, daß sich die Huthis und die früheren Truppen Salehs gegen die geplante Rückgabe jener schweren Waffen sträuben werden, die sie nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges aus den staatlichen Beständen erbeutet haben. Man kann nur hoffen, daß die verschiedenen Konfliktbeteiligten genügend kriegsmüde sind, um sich auf Abmachungen einzulassen, mit denen alle mindestens kurzfristig einigermaßen leben können.

26. März 2016


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