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NAHOST/1513: Donald Trump trägt die Zwei-Staaten-Lösung zu Grabe (SB)


Donald Trump trägt die Zwei-Staaten-Lösung zu Grabe

Netanjahu triumphiert - welches Schicksal erwartet die Palästinenser?


Für Benjamin Netanjahu ist der mit Spannung erwartete erste Besuch beim neuen US-Präsidenten Donald Trump zu einem grandiosen und historischen Erfolg geworden. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus am 15. Februar warf Gastgeber Trump mit betonter Lässigkeit das seit Jahrzehnten wichtigste Prinzip der amerikanischen Nahost-Politik - die Schaffung eines palästinensischen Staates im Westjordanland und Gaza an der Seite Israels mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt - kurzerhand auf den Müllhaufen der Geschichte. Die Antwort auf die Frage der Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung sei ihm egal; die Streitparteien sollten selbst entscheiden, welche Option für sie am besten sei, so die lapidare Aussage des an diplomatischem Geschick mangelnden New Yorker Baumagnaten. Für Netanjahu dürfte die Aussage Trumps wie Musik in den Ohren geklungen haben, hatte doch der Likud-Chef bei den Knessetwahlen 2015 versprochen, niemals die Entstehung eines palästinensischen Staates zuzulassen.

Auch wenn Trump in den letzten Tagen verhaltene Kritik am jüdischen Siedlungsbau im Westjordanland geäußert und sich vom eigenen Wahlkampfversprechen hinsichtlich der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem distanziert hatte, stellte sich für Netanjahu die jüngste Visite in Washington als absolutes Heimspiel heraus. Die neuen US-Außen- und Verteidigungsminister, Ex-Exxon-Vorstandschef Rex Tillerson und General a. D. James Mattis, die als Pragmatiker gelten und von denen vielleicht das eine oder andere Wort zugunsten der leidgeprüften Palästinenser zu erwarten gewesen wäre, waren beide im Ausland unterwegs. Der neue nationale Sicherheitsberater, Ex-General Michael Flynn, war am Tag zuvor wegen unzulässiger Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington überraschend zurückgetreten.

Also nahmen neben Trump zwei ausgesprochene Zionisten, sein Schwiegersohn und Berater Jared Kushner und der frühere Verleger der islamfeindlichen Onlinezeitung Breitbart, Steve Bannon, an den Beratungen teil. Kushner kennt Netanjahu sogar persönlich. Sein Vater Charles Kushner, ein schwerreicher Immobilienunternehmer, gehört schon länger zu den eifrigsten finanziellen Förderern der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten und zum politischen Freundeskreis Netanjahus. Letzterer hat in den neunziger Jahren bei Reisen in den USA die Familie Kushner in New Jersey immer wieder besucht und einmal sogar bei ihr übernachtet und dafür das Schlafzimmmer Jareds bezogen, der deswegen im Keller schlafen mußte. Diese Anekdote stammt aus dem umfangreichen und wohlwollenden Profil von Trumps wichtigstem Nahost-Referenten, das die New York Times am 12. Februar unter der Überschrift "For Kushner, Israel Policy May Be Shaped by the Personal" veröffentlichte.

Berichten zufolge verfolgen Trump und Kushner eine Lösung des Nahost-Konflikts, die den Begriff "von außen nach innen" trägt. Statt wie bisher zu versuchen, zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Autonomie-Behörde in Ramallah zu vermitteln, soll Washington über die Köpfe der Palästinenser hinweg mit Israel und den sunnitischen Nachbarländern Jordanien, Saudi-Arabien, Ägypten sowie den arabischen Monarchien am Persischen Golf eine neue Regelung beschließen. Erst danach werden die Menschen im Westjordanland und im Gazastreifen quasi mit vollendeten Tatsachen konfrontiert. Bezeichnend für diese arrogante Vorgehensweise ist die Tatsache, daß es die Trump-Regierung bis dato abgelehnt hat, auch nur einen der diversen Vorstöße Ramallahs zur Kontaktaufnahme zu erwidern. In der Frage der möglichen Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem hat sich Trump zudem bei einer Privatunterredung im Weißen Haus mit dem jordanischen König Abdullah II. darüber ausgetauscht und dabei von einer raschen Entscheidung abbringen lassen.

Ohne die politische Rückendeckung Washingtons und die finanzielle Unterstützung der sunnitischen Autokratien in der Arabischen Welt dürfte es den Palästinensern schwerfallen, ihre nachvollziehbare Forderung nach einem eigenen Land im Rahmen der Zwei-Staaten-Lösung aufrechtzuerhalten. Doch wenn nun die Zwei-Staaten-Lösung offiziell tot ist, wie sieht die Alternative aus? Darüber haben sich die Israelis und die jüdischen Siedler Gedanken gemacht, wie der aufschlußreiche Gastbeitrag deutlich macht, den Yeshai Fleishman am 15. Februar in der New York Times unter dem Titel "A Settler's View of Israel's Future" veröffentlichte. Fleishman ist Sprecher der Siedler in Hebron, die wegen ihres gewalttätigen Umgangs mit den palästinensischen Nachbarn verrufen sind. Seine Artikel und Kommentare erscheinen regelmäßig in hebräischen und arabischen Medien.

Laut Fleishman liegen aus Sicht derjenigen, die auf eine dauerhafte Zementierung der Kontrolle Israels über das Westjordanland beharren, fünf Handlungsoptionen vor. Die erste, von den ehemaligen Knesset-Abgeordneten Aryeh Eldad und Benny Alon vorgeschlagen, heißt "Jordanien ist Palästina". Demnach erhielten alle Palästinenser die jordanische Staatsbürgerschaft und dürften mit dem rechtlichen Status von Ausländern bzw. Gastarbeitern weiter auf der Westbank bleiben; "Judäa und Samaria" würde israelisches Staatsgebiet werden. Nach der zweiten, von Naftali Bennett, dem amtierenden israelischen Bildungsminister, entworfenen Variante würde nur Gebiet C, jene 60 Prozent der Westbank, wo die Mehrheit der 400.000 jüdischen Siedler lebt, von Israel annektiert werden. Die Araber dort bekämen die israelische Staatsbürgerschaft, während die Palästinenser in den Gebieten A und B einen eigenen "Freistaat" erhielten.

Die dritte Option, die geographisch derjenigen Bennetts ähnelt, stammt von Professor Mordechai Kedar von der Bar-Ilan University bei Tel Aviv. Keder vertritt die Ansicht, daß der Nationalstaat den arabischen Traditionen nicht entspricht, weswegen er anregt, auf der Westbank die sieben Städte, in denen der überwiegende Teil der Palästinenser lebt, zu unabhängigen Emiraten - ähnlich dem bereits existierenden Zustand Gazas - zu machen. Das restliche Westjordanland sollte Israel annektieren und den palästinensischen Dorfbewohnern dort die israelische Staatsbürgerschaft anbieten, so Kedar.

Der vierte Vorschlag geht auf das Buch "The Israeli Solution: A One State Plan for Peace in the Middle East" von Caroline Glick zurück, die als Journalistin für die Jerusalem Post arbeitet. Glick tritt - wie vor wenigen Tagen auch der israelische Präsident Reuven Rivlin - für einen einheitlichen Staat zwischen Mittelmeer und Jordan-Fluß mit gleichen Rechten für alle ein. Glick geht davon aus, daß der jüdische Charakter eines solchen Staates wegen der hohen Geburtenrate der Siedler und der Auswanderungswelle bei den Palästinensern sicher ist. Aktuell liegt das Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Israel und den palästinensischen Gebieten - Gaza ausgeschlossen - bei 60 zu 40 Prozent. Glick sagt voraus, daß sich bis 2060 die jüdische Mehrheit auf 70 Prozent erhöht haben wird, weswegen sie die vielkolportierte Bedrohung Israels durch die "demographische Bombe" der Palästinenser für unbedeutend hält.

Den fünften und letzten Entwurf haben sich Moshe Feiglin, Anführer der neuen Zehut-Partei, der in Jerusalem anstelle der Al-Aksa-Moschee den dritten jüdischen Tempel errichten will, und Martin Sherman vom Israel Institute for Strategic Studies ausgedacht. Feiglin und Sherman halten die Bemühungen, die einander widersprechenden nationalen Bestrebungen von Israelis und Palästinensern unter einen Hut zu bringen, für illusorisch. Sie regen deshalb an, mittels eines großzügigen Finanzpakets - man kann davon ausgehen, daß die USA die Kosten tragen werden - die Palästinenser zur Auswanderung in die arabischen Nachbarstaaten zu bringen. Letztere sollen in die Ansiedlung und Einbürgerung der Vertriebenen als vermeintlichen Ausgleich für die Flucht Hunderttausender Juden bei der Gründung Israels 1948 und dem anschließenden Nahost-Krieg einwilligen.

16. Februar 2017


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