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NAHOST/1632: Iran - geschäftlich gesehen ... (SB)


Iran - geschäftlich gesehen ...


In etwas mehr als einer Woche, am 5. November, treten mit voller Wucht jene Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Kraft, die der Demokrat Barack Obama nach der Unterzeichnung des Atomabkommens 2015 ausgesetzt hatte. Obamas republikanischer Nachfolger als Präsident, Donald Trump, hat im Mai den einseitigen Rücktritt der USA von dem Atomabkommen verkündet. Daraufhin waren bereits im August die ersten Sanktionen vom Finanzministerium in Washington wieder verhängt worden. Nach eigenen Angaben will die Trump-Regierung den Ölexport des Irans "auf Null" reduzieren, angeblich um Teheran zur Einstellung seiner Waffenlieferungen an die libanesische Hisb-Allah-Miliz, zum Raketenteststopp sowie zum Abzug iranischer Hilfstruppen aus Syrien zu zwingen.

Die anderen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens - China, Rußland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien - wollen dagegen die in den letzten drei Jahren gewachsenen Handelsbeziehungen mit dem Iran wenn nicht ausbauen so zumindest aufrechterhalten. Auf diese Weise soll Teheran davon abgehalten werden, ebenfalls den Vertrag aufzukündigen und die Erforschung der militärischen Nutzung der Kernenergie wieder aufzunehmen. In Berlin, London, Moskau, Paris und Peking macht man sich berechtigte Sorgen, daß das aggressive Vorgehen der Trump-Regierung bzw. ein Erfolg der amerikanischen Sanktionen den Iran in die Enge treiben und dadurch einen großen Krieg am Persischen Golf auslösen könnte. Der Ausstieg Washingtons aus dem Atomabkommen und die erste Runde von Sanktionen haben bereits spürbare Auswirkungen auf die iranische Volkswirtschaft. Die iranische Lira hat gegenüber den großen Leitwährungen wie Dollar und Euro stark an Wert verloren. In der Islamischen Republik steigt die Inflation und treibt die Preise insbesondere für Lebensmittel und andere Alltagsprodukte in die Höhe.

Aufgrund des amerikanischen Drucks kaufen Japan und Südkorea seit Monaten kein iranisches Öl mehr. Indien, ebenfalls ein wichtiger Kunde des Irans, hat die Menge des von dort eingeführten Öls reduziert, will aber nicht gänzlich darauf verzichten. Offenbar erwartet man in Neu-Delhi, daß das Finanzministerium in Washington auf die Verhängung von Sekundärsanktionen gegen indische Importeure iranischen Öls verzichtet, solange diese die gekaufte Menge deutlich reduzieren. US-Finanzminister Steven Mnuchin hat am 21. Oktober zum Auftakt einer Nahost-Reise eine solche Bereitschaft signalisiert, gleichzeitig an die Adresse der am Ölgeschäft mit dem Iran beteiligten Unternehmen erklärt, die Verringerung müsse deutlich mehr als die 20 Prozent betragen, die vor 2015 erforderlich war, um von der Obama-Regierung in Ruhe gelassen zu werden.

China, das bereits im Frühjahr erklärt hat, es werde sich von den amerikanischen Sanktionen nicht beeindrucken lassen, macht mit dieser Ankündigung ernst und erhöht die Menge des von ihm eingeführten Öls deutlich. Ob die Exporte nach China für die Iraner den Wegfall der Südkoreaner und Japaner als Kunden wettmachen können, ist unklar. Fest steht, daß die Chinesen die Gelegenheit nutzen, um sich günstig mit Öl aus dem Iran einzudecken. Am 18. Oktober berichtete das Fachportal Oilprice.com, aktuell seien 22 Millionen Barrel Rohöl per Schiff auf dem Weg nach China, um zunächst an den Raffinerien der Hafenstadt Dalian - die während der Kolonialära im 19. Jahrhundert Port Arthur hieß - an der Nordostküste der Volksrepublik gebunkert zu werden. Normalerweise beträgt Chinas monatliche Einfuhr iranischen Öls zwei bis drei Millionen Barrel.

In der Endphase vor Eintreten der letzten US-Sanktionen arbeitet die EU fieberhaft daran, rechtzeitig vor dem 5. November den Mechanismus installiert zu bekommen, der europäischen Unternehmen einen straf- und risikofreien Handel mit iranischen Geschäftspartnern garantieren soll. Mittel der Wahl ist das sogenannte Special Purpose Vehicle (SPV), dessen Gründung die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini Ende September am Rande der UN-Generalversammlung in New York bekanntgab. Beim SPV handelt es sich um eine Art Clearing House, das ein europäisch-iranisches Tauschgeschäft am amerikanischen Bankensystem vorbei ermöglichen soll. Die Erlöse aus dem Verkauf iranischen Öls nach Europa werden beim SPV gebucht; aus ihrem dortigen Guthaben sollen die Iraner für Waren und Dienstleistungen aus der EU bezahlen können.

In Washington scheint die Trump-Administration bereits mit den ersten Ergebnissen ihrer Politik des "maximalen Drucks" gegenüber dem Iran vollauf zufrieden zu sein. Am 24. Oktober meldete die konservative Zeitung Washington Free Beacon konsterniert, Trump und Mnuchin würden sich demnächst bereiterklären, die weitere Teilnahme des Irans mit seinem "Mullah-Regime" am internationalen Finanztransaktionssystem SWIFT, das seinen Sitz bekanntlich in Belgien hat, zu akzeptieren. Für das unerwartete Zugeständnis der USA könnte ein wichtiges Entgegenkommen Deutschlands ausschlaggebend gewesen sein. Bereits am 22. Oktober meldete die US-Politzeitschrift The Hill unter Verweis auf Angaben des Wall Street Journal, Berlin habe vor kurzem dem massiven Druck Washingtons nachgegeben und eingewilligt, sich an der Finanzierung des Baus eines rund 500 Millionen Euro teueren Terminals für die Anlandung und Verarbeitung von Fracking-Gas aus den USA zu beteiligen. Trump habe Anfang Oktober bei einem Treffen im Weißen Haus eine Gruppe Kongreßabgeordneter und Senatoren über seinen jüngsten "Deal" mit Angela Merkel informiert, so The Hill.

28. Oktober 2018


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