Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1654: Israel - Sachwalter des Westens ... (SB)


Israel - Sachwalter des Westens ...


Am 9. April findet in Israel die Knessetwahl statt. Benjamin Netanjahu von der rechtskonservativen Likud-Partei zielt auf einen historischen fünften Sieg, der ihm bald erlauben würde, Staatsgründer David Ben-Gurion als den am längsten im Amt befindlichen Premierminister Israels zu überholen. Doch die Aussichten für "Bibi" - so der Kosename, den in Israel alle benutzen - sind nicht gerade optimal. Sein immer offener zu Tage tretender Rassismus den Palästinenser und den israelischen Arabern gegenüber - exemplarisch hierfür ist der umstrittene Wahlbündnis mit der rechtsextremistischen Gruppierung Otzma Yehudit - mobilisiert geradezu Israels Liberale sowie die nicht-jüdische Wählerschaft. In den Umfragen liegt seit Wochen die neue Mitte-Links-Allianz Kahol Lavan (Blau und Weiß) um Ex-Generalstabschef Benny Gantz und den Ex-Fernsehmoderator Yair Lapid vorne. Zu dieser Entwicklung tragen auch schwerwiegende Korruptionsermittlungen bei, die seit Dezember 2016 das öffentliche Ansehen Netanjahus schwer belasten. Israels Zyniker witzeln bereits, der Premierminister muß die Wahlen gewinnen, weil nur die erneute Inthronisierung als Regierungschef ihn vor einem Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen retten kann.

Vor diesem Hintergrund spielt Netanjahu nun seine stets stärkste Karte, die Außenpolitik, aus. Er brüstet sich bei jeder Gelegenheit mit seiner Männerfreundschaft zu US-Präsident Donald Trump. Ein gigantisches Bild, wie sich die beiden "Macher" die Hand geben, drapiert gut sichtbar bereits seit Wochen ein Hochhaus in Tel Aviv. Tatsächlich erfahren Israel und Netanjahu seit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus im Januar 2017 mehr offene Unterstützung aus Washington als jemals zuvor. Als Zeichen seiner tiefen Verbundenheit mit dem jüdischen Staat hat 2018 der New Yorker Baulöwe, dessen zionistischer Schwiegersohn Jared Kushner und dessen Familie seit längerem zu den führenden finanziellen Förderern der illegalen jüdischen Siedlungen im Westjordanland gehören, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen lassen, die Heilige Stadt als alleinige Hauptstadt Israels anerkannt, die amerikanischen Hilfsgelder für die Palästinenser gestoppt und zu guter Letzt den einseitigen Austritt der USA aus dem 2015 gegen den ausdrücklichen Willen Netanjahus von Barack Obama mit Teheran vereinbarten Atomabkommen verfügt. Seit Jahrzehnten greift Netanjahu bekanntlich immer wieder erfolgreich auf die angeblich vom "Mullah-Regime" im Iran ausgehende "existentielle Bedrohung" zurück, um von innenpolitischen Problemen abzulenken und die eigene Anhängerschaft um sich zu scharen.

Zur Verbesserung seiner Chancen auf einen erneuten Wahlsieg hat Netanjahu einen neuen außenpolitischen Stich im Ärmel, mit dem er die Bürger Israels beeindrucken will. Es geht hier um die Anerkennung des westlichen Zweidrittels der Golanhöhen, die zwar zu Syrien gehören, jedoch seit dem Sechstagekrieg 1967 von Israels Truppen besetzt gehalten werden, als Teil des israelischen Staatsterritoriums durch die USA. Von den einst 130.000 syrische Drusen leben dort heute lediglich 20.000 sowie ebenso viele Siedler aus Israel. Wegen seiner Höhe von bis zu 2800 Metern, der Wasserressourcen des Oberlaufs des Flusses Jordan sowie des Genezareth-Sees ist der Golan von großer strategischer Bedeutung. Darüber hinaus werden auf dem Golan größere Öl- und Gasvorkommen vermutet, für die das US-Unternehmen Genie Energy, das von Ex-US-Vizepräsident Dick Cheney beraten wird und dessen Vorstand der australo-amerikanische Medienmogul Rupert Murdoch angehört, bereits 2013 von den israelischen Behörden exklusive Erkundungs- und Förderrechte erhalten hat. Seit 1974 halten sich die Armeen Syriens und Israels auf dem Golan an einen formellen Waffenstillstand, der nur dank der Vermittlung Rußlands auch die letzten acht Jahre des syrischen Bürgerkrieges Bestand hat.

Am 11. März machte Netanjahu einen Ausflug zu den Golanhöhen in Begleitung nicht nur des US-Botschafters David Friedman, sondern auch des republikanischen Senators Lindsey Graham aus South Carolina. Der Vorsitzende des Justizausschusses des Senats hat sich in den letzten zwei Jahren geschickt bei Präsident Trump eingeschmeichelt, den er vor allem in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik berät. Wie sein früherer Senatskollege und Mentor John McCain ist Grahams Antwort auf jede internationale Streitfrage die Demonstration und/oder Anwendung militärischer Gewalt durch die heldenhaften Streitkräfte Amerikas. Daher verwundert es nicht, daß Graham bei der Stippvisite auf den Golanhöhen in gefährliches Schwärmen geriet. Vor den laufenden Kameras der mitgereisten Presse verkündete er stolz: "Dieses Territorium weist eine reichhaltige jüdische Geschichte auf. Strategisch gesehen stehe ich hier auf einem der wichtigsten Stücke Erde im Staate Israel".

Gleich am Tag darauf wartete die israelische Armee mit der spektakulären Enthüllung über die angebliche Existenz einer geheimen "Terrorzelle" der schiitischen, mit dem Iran verbündeten Hisb-Allah-Miliz in einem Dorf auf der syrischen Seite der De-Facto-Grenze auf dem Golan auf. Ein Tag später, nämlich am 13. März, veröffentlichte das State Department in Washington einen Bericht zur internationalen Menschenrechtslage, in dem erstmals in einem Regierungsdokument der USA die Golanhöhen nicht mehr als "von Israel besetzt", sondern als "von Israel kontrolliert" bezeichnet wurden.

Am 20. März empfing Netanjahu US-Außenminister Mike Pompeo in Jerusalem. Ein wichtiges Thema der ersten Unterredung waren offenbar die Golanhöhen. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz äußerte sich der ehemalige CIA-Direktor zu der schwierigen Territorialfrage nicht, sondern überließ dies dem Gastgeber. Unter Verweis auf die Entdeckung besagter Hisb-Allah-"Terrorzelle" sagte Netanjahu den Journalisten: "Ich nehme an, sie können sich alle vorstellen, was auf dem Golan los wäre, wäre Israel nicht dort. Wir hätten den Iran am Ufer des Sees von Genezareth. Ich denke aus diesem und vielen anderen Gründen ist die Zeit gekommen, daß die internationale Gemeinschaft die israelische Präsenz auf dem Golan anerkennt und die Tatsache einsieht, daß der Golan für immer ein Teil Israels bleiben wird."

In der kommenden Woche wird Netanjahu die USA besuchen. Das gab am 20. März das Weiße Haus bekannt. Während der Zeit in Washington wird Netanjahu, der in den USA aufgewachsen ist und aus dieser Zeit mit der Familie Jared Kushners eng befreundet ist, sich sowohl mit Präsident Trump treffen, als auch als wichtigster Gastredner auf der diesjährigen Tagung des enorm einflußreichen American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) auftreten. In einer Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press vom heutigen 21. März hieß es: "Regierungsvertreter der USA und Israels erklärten ... sie erwarteten eine Entscheidung [Washingtons - Anm. d. SB-Red.] zur formellen Anerkennung des Territoriums [der Golanhöhen - Anm. d. SB-Red.], das Israel 1981 annektiert hat, als Teil Israels in der kommenden Woche."

In der Ausgabe der New York Times vom 21. März ist in diesem Zusammenhang die Rede von einer bevorstehenden "großen Geste" seitens Trumps, um Netanjahu zu einer "fünften Amtszeit zu verhelfen". Netanjahu hat im Trump-Lager einen mächtigen Fürsprecher. Der zionistische Kasino-König Sheldon Adelson aus Las Vegas, der seit Jahren ein finanzieller Förderer des amtierenden israelischen Premierminister ist, war 2016 Trumps größter einzelner Wahlkampfspender. 2020 soll Adelsons Geld für Trumps Wiederwahl als Präsident sorgen. Daher war es keine große Überraschung, als Trump, der sowieso auf internationale Verträge pfeift und das Recht des Stärkeren für sich und die USA reklamiert, den Besuch Netanjahus nicht abwartete, um dem Likud-Vorsitzenden die Golanhöhen als Wahlgeschenk zu präsentieren, sondern bereits am Abend des 21. März die offenbar längst gefallene Entscheidung mit einer präsidialen Twitter-Meldung bekanntgab.

"Nach 52 Jahren ist für die Vereinigten Staaten die Zeit gekommen, die Souveränität Israels über die Golanhöhen anzuerkennen, die für den Staat Israel sowie die regionale Stabilität von strategischer und sicherheitspolitischer Bedeutung sind!", twitterte der Kommandierende der US-Streitkräfte aus dem Weißen Haus. Von seinem Amtssitz in Jerusalem gab sich Netanjahu, ebenfalls per Twitter, von der Geste des amerikanischen Präsidenten beinah überwältigt: "Zu einer Zeit, in der der Iran Syrien als Plattform benutzen will, um Israel zu zerstören, erkennt Präsident Trump mutigerweise die israelische Souveränität über die Golanhöhen an. Vielen Dank, Präsident Trump!".

Kurz danach, bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz im Beisein von US-Außenminister Pompeo, erklärte Netanjahu, er habe sich inzwischen telefonisch bei Trump bedankt, und lobt diesen zugleich dafür, "wieder Geschichte geschrieben" zu haben. Die Erklärung Trumps - die in den darauffolgenden Stunden von Syrien, dem Iran, der EU, Rußland und China als klarer Verstoß gegen geltendes internationales Recht kritisiert werden sollte - sei laut Netanjahu ein "Wunder von Purim". Damit spielte dieser auf das dreitägige jüdische Fest, das derzeit in Israel sowie in der Diaspora begangen wird und bei dem traditionell die Rettung des in persischer Gefangenschaft lebenden Volks der Juden vor der Massenermordung vor rund 3000 Jahren - so die biblische Überlieferung - gefeiert wird.

Als Pompeo etwas später bei einem Interview für das Christian Broadcasting Network (CBN) gefragt wurde, ob "Gott" vielleicht Trump "auserkoren" habe, um das moderne Israel vor der "iranischen Bedrohung" zu retten, antwortete der ehemalige presbyterianische Diakon, als Christ halte er das "durchaus für möglich". "Ich bin zuversichtlich, daß der Herr hier am Werke ist", so Pompeo.

22. März 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang