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NAHOST/1655: Saudi-Arabien - den Schaden zahlt der Rest der Welt ... (SB)


Saudi-Arabien - den Schaden zahlt der Rest der Welt ...


Vier Jahre dauert die Militärintervention Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Jemen nun schon mit der Folge an, daß im Armenhaus Arabiens heute nach UN-Angaben die weltweit schlimmste humanitäre Krise herrscht, die insbesondere von Hungersnot und Cholera geprägt ist. Im Jemenkonflikt ist in den letzten 48 Monaten mit Sicherheit ein Vielfaches jener Zahl von "10.000 Menschen" ums Leben gekommen, mit denen die westliche Presse jeden Artikel und jede Meldung über diesen Konflikt garniert und die sich seit 2016 seltsamerweise nicht verändert hat. In dieser Zeit hat sich Saudi-Arabien international zum Rüstungsimportland Nummer eins entwickelt, was sich als großer Segen vor allem für die Waffenfabrikanten in den USA und ihre politischen Fürsprecher in Washington erwiesen hat.

Nach seinem überraschenden Sieg bei der Präsidentenwahl gegen Hillary Clinton im November 2016 erklärte Donald Trump die wirtschaftliche, politische und diplomatische Zusammenarbeit zwischen den USA und Saudi-Arabien zur Chefsache. Entgegen der Gepflogenheit, als frischgewählter Präsident zunächst den Nachbarländern Kanada und Mexiko einen Staatsbesuch abzustatten, unternahm Trump im Mai 2017 seine erste Auslandsreise nach Saudi-Arabien (von dort flog er später nach Israel und besichtigte die heilige Stadt Jerusalem). In Riad nahm der New Yorker Baulöwe demonstrativ an einem traditionellen Schwerttanz teil, um anschließend mit König Salman und Kronprinz Mohammed Waffendeals im Wert von 100 Milliarden Dollar einzufädeln. Doch inzwischen stellt sich heraus, daß die Trump-Regierung ein weit größeres und brisanteres Geschäft mit Saudi-Arabien auf den Weg bringen will. Die Rede ist vom Bau mehrerer Atomkraftwerke ungeachtet der zahlreichen Risiken, die der Verkauf solch heikler Technologie an ein so autoritäres und inhärent instabiles "Regime" wie das der Familie Saud mit sich brächte.

Am 19. Februar veröffentlichte der seit Anfang des Jahres von den oppositionellen Demokraten kontrollierte Ausschuß des Repräsentantenhauses für Aufsicht und Reform einen sensationellen Zwischenbericht über rechtlich dubiose Bemühungen des Trumpschen Weißen Hauses und dessen Amigos im US-Energiesektor, am Kongreß vorbei die ganz große Nummer in Sachen Kernkraftexport mit Saudi-Arabien zu verwirklichen. Der Enthüllungsbericht des vom Abgeordneten Elijah Cummings aus Maryland geleiteten Ausschusses basiert zum guten Teil auf Aussagen besorgter Staatsbeamter, die im Weißen Haus, Energieministerium und anderswo Zeugen eines Treibens gewesen sind, die sie persönlich als krasse Regelmißachtung empfanden.

Angefangen hat die ganze Angelegenheit unmittelbar nach dem Wahlsieg Trumps. Ende 2016, Anfang 2017 bereitete der neue Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn mehrere Dokumente vor, die nach Unterzeichnung durch Trump grünes Licht für das Großprojekt gegeben hätten. Flynn handelte im Interesse eines Konsortiums namens IP3 International, dessen Leitung um jene Jahreswende zusammen mit den Vorstandsvorsitzenden der Großkonzerne Exelon, Toshiba Energy, Bechtel, Centrus, GE Power und Siemens USA einen Brief an Mohammed bin Salman verfaßt hatte, in dem man die Kernkraft als Schlüsselelement für sein Vorhaben, Saudi-Arabien gesellschaftlich und wirtschaftlich zu modernisieren, pries. In dem Schreiben wurde das atomar-ambitionierte "Iron Bridge Program" als "Marshall-Plan des 21. Jahrhunderts für den Nahen Osten" bezeichnet. Vorgeschlagen wurde der Bau "Dutzender Kernkraftwerke". Das Geschäftsvolumen finge bei 80 Milliarden Dollar an und dürfte recht schnell in die Hunderte von Milliarden gehen.

Hinter IP3 International stehen unter anderem der ehemalige Vizegeneralstabschef der US-Armee Jack Keane, der während des Irakkriegs der Regierung von George W. Bush und Dick Cheney als Militärberater zur Seite stand, und Robert "Bud" McFarlane, der einst Ronald Reagan als Nationaler Sicherheitsberater gedient hat, später von dessen Nachfolger George Bush sen. hinsichtlich seiner Verwicklung in den Iran-Contra-Skandal begnadigt wurde. Die Rolle des Verbindungsmanns zwischen dem Iron-Bridge-Klüngel und dem Weißen Haus spielt Trumps langjähriger Freund, der schwerreiche Finanzinvestor Tom Barrack, gegen den derzeit wegen illegaler Spenden in Verbindung mit der Feier zur Amtseinführung des 45. Präsidenten im Januar 2017 rechtlich ermittelt wird.

General a. D. Flynn fiel im Februar 2017, nachdem er nach nur drei Wochen als Nationaler Sicherheitsberater wegen der Leugnung von früheren Kontakten zum russischen Botschafter Sergei Kisljak zurücktreten mußte, als Antreiber des amerikanisch-saudischen Atomgeschäfts aus. An seine Stelle trat Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der ohnehin als Nahost-Sonderbeauftragter die ganz große Allianz zwischen den USA, Israel und Saudi-Arabien schmieden will und dafür die Unterstützung seines neuen Freundes Mohammed bin Salman braucht. 2017 investierte Barrack in Brookfield Asset Management, das wiederum im selben Jahr nicht nur den maroden US-Atomkrafthersteller und -betreiber Westinghouse übernahm, sondern auch noch Kushner aus jenen enormen finanziellen Schwierigkeiten von mehr als einer Milliarde Dollar Schulden half, in die sich der Emporkömmling aus New Jersey mit dem prestigeträchtigen Immobilienprojekt an der Nobeladresse 666 Fifth Avenue in Manhattan gebracht hatte.

Im Begleitbrief, mit dem Cummings vor wenigen Wochen die nuklearen Machenschaften publik machte, Ermittlungen einleitete und von der Trump-Regierung Aufklärung forderte, heißt es, die Whistleblower im Nationalen Sicherheitsrat hätten eine "Arbeitsumgebung im Weißen Haus erlebt, die durch Chaos, Fehlfunktion und Lästern gekennzeichnet war". Sie hätten vor politischen Vertretern der Trump-Regierung gewarnt, "welche die Direktiven führender Ethikberater im Weißen Haus ignorierten, die sie wiederholt und vergeblich zur Einstellung ihrer Bemühungen" um das Atomgeschäft "angewiesen" hätten. Nur eine Woche vor der Veröffentlichung des Interimsberichts, nämlich am 12. Februar, hatte Trump sich zuletzt im Weißen Haus mit Mitgliedern des IP3-International-Konsortiums getroffen.

Aufgeschreckt durch die im Interimsbericht enthaltenden Angaben hat am 28. Februar eine überparteiliche Koalition aus Demokraten und Republikanern in Repräsentantenhaus und Senat eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, die dem Kongreß das letzte Wort über den etwaigen Export amerikanischer Atomtechnologie an Saudi-Arabien garantieren soll. Auf diesem Weg wollen die Kongreßabgeordneten und Senatoren dafür sorgen, daß die Saudis, sollte das Atomgeschäft zustande kommen, künftig nicht Uran anreichern oder Plutonium gewinnen dürfen, da andernfalls für Riad der Weg zur Schaffung eines eigenen Nuklearwaffenarsenals frei wäre. Kriegsgegner und Abrüstungsexperten schlagen nun Alarm. 2018 hat Trump den Rücktritt Washingtons aus dem Atomabkommen, das die USA, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rußland 2015 mit dem Iran geschlossen hatten, verkündet. Seit der Wiederverhängung amerikanischer Wirtschaftssanktionen gegen den Iran denkt man in Teheran seinerseits über die Aufnahme eines eigenen Atomwaffenprogramms nach. Vor diesem Hintergrund kann der angebahnte Verkauf von Nukleartechnologie Made in the USA an Saudi-Arabien die atomare Proliferationsgefahr in der Region rund um den Persischen Golf nur noch weiter erhöhen.

26. März 2019


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