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NAHOST/1670: Jemen - US-Kriegsabsichten Nahost ... (SB)


Jemen - US-Kriegsabsichten Nahost ...


Im Dezember haben sich in Stockholm die Huthi-Rebellen, die Regierung von Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi und dessen Verbündete Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf eine Beilegung der Kämpfe um die Hafenstadt Hudeida am Roten Meer verständigt. Seit vergangenem Sommer hatten die Truppen Hadis, Riads und Abu Dhabis vergeblich versucht, Hudeida zu erobern, um ihre Wirtschaftsblockade der von den schiitischen Huthis kontrollierten Nordwesthälfte des Jemens einschließlich der Hauptstadt Sanaa zu vollenden, die Gegner zur Aufgabe zu zwingen und den seit März 2015 tobenden Krieg im Armenhaus Arabiens zu gewinnen. Doch dazu war die sunnitische Militärkoalition trotz waffentechnologischer Überlegenheit nicht in der Lage. Dennoch haben sich die Huthis, um die katastrophale humanitäre Situation im Jemen etwas zu verbessern, bereiterklärt, die Hafenanlage von Hudeida zu räumen und sie in die Hände von UN-Beobachtern zu geben. Auf diese Weise sollte der Verdacht der Saudis und Emirater, die Huthis bezögen entgegen eines UN-Embargos über Hudeida Rüstungsgüter aus dem Iran, entkräftet werden, so daß der Transport und die Verteilung von Nahrungsmitteln und Medikamenten durch internationale Hilfsorganisationen wieder im vollen Umfang anlaufen könnte.

Nach monatelangem Streit um die Umsetzung der Vereinbarung von Stockholm hat die Ansarullah-Bewegung - so nennen sich die Huthi-Rebellen offiziell - am 11. Mai einseitig mit der Räumung der Hafenanlage von Hudeida sowie der naheliegenden kleineren Küstenstädte Salif und Ras Issa begonnen. Am 14. Mai war die Aktion zur Zufriedenheit des UN-Sondergesandten Martin Griffiths aus Großbritannien sowie des Leiters der UN-Militärbeobachtungsmission vor Ort, des dänischen Generalleutnants Michael Anker, abgeschlossen. Es sollte daraufhin zu einer entsprechenden Deeskalationsmaßnahme der Koalitionstruppen kommen. Statt dessen haben die Huthi-Gegner die Gelegenheit genutzt, um mit schwerer Artillerie ihre Offensive zur Eroberung nicht nur der Hafenanlage von Hudeida, sondern auch der 600.000 Menschen zählenden, zweitgrößten Stadt des Jemens wiederaufzunehmen.

Anlaß zum perfiden Angriff in Hudeida lieferte den Saudis und Emiratern eine spektakuläre Aktion, mit der wenige Stunden zuvor die Huthis das Königshaus Saud militärisch vorgeführt hatten. In den frühen Morgenstunden diese Tages griffen die Huthis in der Nähe Riads zwei Pumpstationen der saudischen Ost-West-Pipeline mit ferngesteuerten Drohnen an, die dort schwere Schäden anrichteten und zumindest für einige Stunden den Öltransport durch das wichtige Infrastrukturobjekt unterbrachen. Bei den eingesetzten Drohnen handelte es sich laut dem katarischen Nachrichtensender Al Jazeera um keine iranischen Produkte, sondern um Maschinen, welche die Huthis mit auf dem internationalen Markt frei erhältlicher Technologie selbst zusammengebastelt haben. Zudem müssen die Huthis die Drohnen per Satellit ans Ziel gesteuert haben, denn die angegriffenen Pumpstationen liegen fast 1000 Kilometer von der jemenitisch-saudischen Grenze entfernt. Daß sie dies alles geschafft haben, ohne daß die Drohnen vorher von der saudischen Luftabwehr entdeckt und abgeschossen wurden, ist eine weitere Riesenblamage für den zuständigen Verteidigungsminister und Kronprinzen Mohammed Bin Salman, der vier Jahre zuvor bekanntlich den Jemenkrieg als Demonstration seiner Herrlichkeit und seines Aufstiegs zum offiziellen Thronfolger vom Zaun brach.

Erschwerend kommt hinzu, daß der Drohnenangriff der Huthis auf die Ölpipeline zwischen Riad im Innern Saudi-Arabiens und Dschanbu am Roten Meer gerade einen Tag, nachdem unbekannte Täter im Rumpf von vier Öltankern im Golf von Oman vor der Küste der VAE jeweils ein Loch hinterlassen haben, erfolgte. Während die USA, die VAE und Saudi-Arabien den Iran für die sonderbare "Sabotageaktion" verantwortlich machten, wies Teheran den Vorwurf weit von sich und sprach statt dessen von einer "Falsche-Flagge-Operation", mittels derer Washington, Riad, Abu Dhabi und eventuell Tel Aviv den Vorwand für einen Krieg am Persischen Golf herbeireden wollten. Bereits am 5. Mai hatte US-Präsident Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton den US-Flugzeugträger Abraham Lincoln sowie eine Staffel B-52-Bomber unter Hinweis auf einen vermeintlichen Anstieg iranischer Umtriebe in der Region an den Persischen Golf verlegen lassen und der Führung der Islamischen Republik mit schwerer Vergeltung gedroht, sollten die iranischen Streitkräfte oder irgendwelche "Stellvertreter" Teherans - gemeint waren die Huthis im Jemen, die schiitischen Volksmobilisierungskräfte im Irak, die palästinensische Hamas-Bewegung oder die libanesische Hisb-Allah-Miliz - Installationen der USA oder deren Verbündeten angreifen.

Bereits im April hatte die Trump-Administration die iranischen Revolutionsgarden als erste staatliche Organisation überhaupt auf die "Terrorliste" des Außenministeriums in Washington gesetzt. Dadurch ist die Gefahr der Eskalation jeder harmlosen Begegung zwischen Schnellbooten der Revolutionsgarden und Kriegsschiffen der US-Marine im Persischen Golf oder in der Straße von Hormus zu einer kriegerischen Auseinandersetzung enorm gestiegen. Daß es dazu noch nicht gekommen ist, verdankt man vermutlich der Besonnenheit der Militärkommandeure beider Seiten in diesen Gewässern. Doch um so mehr könnte nun der Jemen, wo sich Teheran und Washington seit mehr als vier Jahren indirekt beharken, zu dem Ort werden, wo die Lunte für den großen Showdown zwischen den USA und dem Iran gezündet wird.

Während also am Boden in Hudeida erneut heftig gekämpft wird, fliegt, sozusagen als weitere Reaktion auf die aufsehenerregende Drohnenaktion der Huthis bei Riad, seit zwei Tagen die saudische und emiratische Luftwaffe wieder verstärkt Angriffe gegen Ziele im Jemen. Am 16. Mai waren elf Luftangriffe in Sanaa und acht in anderen Landesteilen zu verzeichnen. Nach offiziellen Angaben versuchen Saudis und Emirater, die Werkstätten und Lager, in denen die Huthis ihre Drohnen bauen bzw. aufbewahren, zu zerstören. Hauptleidtragende ist natürlich die Zivilbevölkerung. Allein in Sanaa kamen an diesem Tag sechs Menschen ums Leben, während Dutzende durch die Explosion der Bomben und Raketen verletzt wurden.

16. Mai 2019


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