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NAHOST/1690: Jemen - die Räuber streiten sich am Schluß ... (SB)


Jemen - die Räuber streiten sich am Schluß ...


Nach viereinhalb Jahren vergeblichen Bemühens, im Jemen die schiitische Ansarullah-Bewegung - die auch 'die Huthis' genannt wird - in die Knie zu zwingen, will Saudi-Arabien seine Militärintervention im südlichen Nachbarland offenbar beenden. Ausschlaggebend für den Sinneswandel sind die enormen Kosten des Krieges und die erstaunliche Hartnäckigkeit der Huthis, die Mitte September mit einem spektakulären Drohnen- und Raketenangriff auf zwei Raffinerien an der weit entfernten Küste des Persischen Golfs die saudische Ölproduktion von einem Moment auf den anderen halbierte. Weitere solcher Angriffe auf seine kritische Infrastruktur kann sich Saudi-Arabien nicht leisten, weshalb nun verzweifelt nach Wegen zur Beendigung des Militärfiaskos im Jemen gesucht wird.

Am 6. November meldete die Nachrichtenagentur Agence France Presse unter Verweis auf einen nicht namentlich genannten, ranghohen Vertreter der saudischen Regierung, Riad und die Huthis führten bereits Sondierungsgespräche. Mitte November wurde der Besuch des stellvertretenden saudischen Verteidigungsministers Khalid bin Salman in Muskat beim Sultan von Oman, Qabus ibn Said, als Teil der angelaufenen Vorverhandlungen gedeutet. Traditionell fungieren die Omanis als Vermittler zwischen den beiden Erzfeinden Saudi-Arabien und dem Iran, der diplomatisch und technologisch der Ansarullah den Rücken stärkt. Zum Beispiel fand die geheime Anfangsphase jener Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran, die 2015 mit der Unterzeichnung des internationalen Atomabkommens gekrönt wurden, in Muskat unter der Schirmherrschaft von Sultan Qabus statt.

Am 25. November meldete das Onlineportal Arabi21, Geheimgespräche zwischen ranghohen Ansarullah-Kommandeuren und Offizieren der saudischen Streitkräfte fänden bereits seit zwei Wochen abwechselnd in der von den Huthis kontrollierten jemenitischen Hauptstadt Sanaa im Nordjemen und in Riad statt. Dies deckt sich mit der Angabe des UN-Sondervermittlers für den Jemen, Martin Griffiths, wonach seit rund zwei Wochen die Zahl der saudischen Luftangriffe um 80 Prozent zurückgegangen sei. Berichten zufolge haben die Saudis eine einjährige Feuerpause in Aussicht gestellt. Angeblich lehnen die Huthis dies ab, verlangen statt dessen einen vollständigen Waffenstillstand und drohen für den Fall, daß Riad dem nicht zustimmt, mit einer Eskalation ihrer grenzübergreifenden Drohnen- und Raketenangriffe.

Selbst wenn sich die Ansarullah-Bewegung und Riad verständigen sollten, bleibt der Weg hin zu einer Normalisierung, gar politischer Stabilität im Jemen lang und steinig. Dies zeigt die Entwicklung im südlichen Teil des Landes, das seit Mitte 2015 unter Kontrolle der Streitkräfte Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate sowie ihrer jeweiligen Verbündeten, die Kämpfer der Regierung um Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi sowie die Anhänger des Südlichen Übergangsrats (Southern Transitional Council - STC), steht. Der Süden tritt für eine Rückkehr zum Status Quo, als das Land noch in Nord- und Südjemen (bis 1990) geteilt war, ein.

Im Juni haben die Emirater mit dem Abzug ihrer rund 5000 Mann starken Streitmacht aus den Provinzen im Süden und Osten des Jemens begonnen. Daraufhin ist es in der Hafenmetropole Aden, die seit 2015 der Hadi-Regierung als Hauptstadt dient, zu einer wochenlangen, blutigen Auseinandersetzung zwischen STC-Kämpfern und Hadi-Milizionären gekommen. Erst durch die Entsendung zusätzlicher saudischer Truppen flauten die Kämpfe ab. Am 5. November haben in Riad - unter den Augen des saudischen Thronnachfolgers und De-Facto-Regierungschefs Kronprinz Mohammed bin Salman sowie seines emiratischen Pendants Kronprinz Mohammed bin Zaid - Hadi und der STC-Vorsitzende Aidarus Al Zubaidi einen Friedensvertrag unterzeichnet. Das Abkommen sieht vor, daß mehrere STC-Vertreter Kabinettsposten erhalten und die STC-Sicherheitskräfte dem Innenministerium und die STC-Streitkräfte dem Verteidigungsministerium der Hadi-Regierung unterstellt werden.

Bislang bleibt der Vertrag jedoch unerfüllt. STC-Anhänger weigern sich, wichtige Objekte in und um Aden, die sie im August besetzt haben - etwa den Präsidentenpalast der seit vier Jahren aus Sicherheitsgründen in Riad weilenden Hadis -, herzugeben. Ein Ausbruch von Feindseligkeiten innerhalb des Anti-Huthi-Lagers, zu dem auf Hadi-Seite inoffiziell auch al-kaida- und IS-nahe, sunnitisch-fundamentalistische "Terrorgruppen" gehören, kann nicht ausgeschlossen werden.

Währenddessen bemühen sich die Emirater weniger still und heimlich als vielmehr offen und unverfroren, sich zu den neuen Herrschern über die Insel Sokotra aufzuschwingen. Die von etwas mehr als 40.000 Menschen bewohnte, 133 Kilometer lange und 42 Kilometer breite Insel stellt mit kleineren Nebeninseln eins der 21 Gouvernements im Jemen dar. Wegen seiner geografischen Lage am Horn von Afrika ist Sokotra von enormer strategischer Bedeutung. Von dort aus ist der ganze Schiffsverkehr zwischen dem Indischen Ozean und dem Roten Meer leicht zu kontrollieren. Seit einiger Zeit bringen die Emirater immer mehr Soldaten und Kriegsgerät auf die Insel und rüsten dort junge Männer zu einer eigenen Miliz auf. Laut der Lokalzeitung Socotra Post befürchten nicht wenige Menschen auf der Insel, daß die Emirater einen Putsch gegen den bisherigen Gouverneur Ramsi Mahruz planen, um in Hadibu die eigenen Handlanger an die Macht zu bringen.

27. November 2019


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