Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

USA/1265: Linienpilot wegen Kritik am Sicherheitswahn suspendiert (SB)


Linienpilot wegen Kritik am Sicherheitswahn suspendiert

Vormarsch der Nacktscanner an US-Flughäfen stößt z. T. auf Ablehnung


In den USA schreitet die sogenannte Securitization des alltäglichen Lebens mit gewaltigen Schritten voran - und das nirgendwo mehr als an den Flughäfen, deren Sicherheitskontrollen am 11. September 2001 so kläglich versagt und die es den 19 mutmaßlichen Flugzeugattentätern ermöglicht haben sollen, die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center zu zerstören, das Pentagon in Arlington schwer zu beschädigen und mehrere tausend Menschen zu ermorden. Seit der englische Al-Kaida-Rekrut Richard Reid am 22. Dezember 2001 versucht hat, über dem Atlantik auf dem Weg von Paris nach Miami eine vollbeladene Linienmaschine der American Airlines mit 280 Gramm Sprengstoff in die Luft zu jagen, der in seinen Schuhabsätzen versteckt war, müssen alle Personen in den USA, die ein Passagierflugzeug besteigen wollen, die Schuhe ausziehen und sie vom Sicherheitspersonal kontrollieren lassen. Diese Praxis breitet sich inzwischen in Europa und wahrscheinlich in anderen Teilen der Welt aus.

Seit im Spätsommer 2006 die Behörden in Großbritannien einen Komplott verhindert haben wollen, bei dem eine Gruppe muslimischer Extremisten mehrere Passagiermaschinen gleichzeitig über den Atlantik kapern und sie mittels Sprengstoffen, die sie in flüssiger Form im Handgepäck in die Flugzeuge geschmuggelt und dort auf der Toilette entsprechend gemischt hätten, zur Explosion bringen wollten, darf niemand mehr irgendeine Art Flüssigkeitsbehälter bei einer Flugreise bei sich behalten. Getränkdosen, Shampoo-Flaschen und ähnliches müssen entweder mit dem Gepäck aufgegeben und im Cargoraum verstaut oder - sollte man dies vergessen - in die gesonderten Müllcontainern in der Flughafenhalle geworfen werden.

Seit der Nigerianer Abdul Faruk Abdulmutallab am 25. Dezember 2009 bei der Landung einer aus Amsterdam gekommenen, zur Landung in Detroit ansetzenden Passagiermaschine der Northwest Airlines vergeblich versucht hat eine Bombe zu zünden, die er in seiner Unterhose versteckt hatte, sind die Sicherheitsvorkehrungen an den US-Flughäfen zusätzlich verschärft worden. Die Transport Security Administration (TSA), eine Unterabteilung des mächtigen Heimatschutzministeriums, schreibt inzwischen für alle Passagiere und Mitglieder des Flugzeugpersonals eine umfassende Kontrolle vor, die entweder durch Abtasten des ganzen Körpers durch einen Sicherheitsbediensteten oder durch das Durchschreiten eines sogenannten Nacktscanners erfolgt. Während in Hamburg der erste Nacktscanner auf einem deutschen Flughafen getestet wird, hat die TSA bereits 259 solcher Geräte auf 59 Flughäfen in den USA installiert. Weitere werden folgen, bis die Technologie flächendeckend an allen US-Flughäfen zur Verfügung steht.

In den USA sind die ganzen Sicherheitsmaßnahmen, die den zivilen Luftverkehr dort zu einer Tortur gemacht haben, nicht unumstritten - und das nicht nur wegen der zahlreichen Hinweise, daß die westlichen Geheimdienste sowohl den Schuhbomber Reid als auch den Unterhosenbomber Abdulmutallab unter Beobachtung hatten und längst vor dem Abflug der jeweiligen Maschine hätten festnehmen können. Viele Menschen halten die Sicherheitsmaßnahmen für eine Art staatlicher Drangsalierung, mit der man als Bürger sowohl eingeschüchtert werden als auch eingeimpft bekommen soll, die Behörden täten wirklich etwas zur Bekämpfung des "Terrorismus". Kritiker halten zum Beispiel den Nacktscanner für einen Riesenbetrug, da, um Plastiksprengstoff unbemerkt an ihnen vorbeizuschleusen, der potentielle Selbstmordattentäter das Material lediglich zu einer Speckrolle an seinem Körper formen müßte (siehe David Lindorffs am 2. Oktober bei Counterpunch.org erschienenen Artikel "Getting Some Rays - Now the "government is X-Raying You While You Drive").

Der Fall des Piloten Michael Roberts, der vor wenigen Tagen vom Dienst bei ExpressJet Airlines suspendiert wurde, weil er sich am Regionalflughafen in Memphis, Tennessee, weigerte, durch den Nacktscanner zu gehen oder ein Abtasten seines Körpers über sich ergehen zu lassen, zeigt, welches Ressentiment bei den Millionen genervten Passagieren und Mitgliedern des Bordpersonals der US-Luftverkehrsindustrie schlummert. Über den Fall berichtete am 20. Oktober die Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders Columbia Broadcasting Service (CBS) in ihrer Online-Ausgabe.

Zur Begründung seiner Haltung erklärte der 35jährige Roberts, er wolle endlich zur Arbeit gehen können, "ohne grundlos schikaniert oder belästigt zu werden". CBSNews.com zitierte Roberts wie folgt: "Ich fühle mich einfach nicht wohl, wenn ich jedesmal, wenn ich zur Arbeit gehe, von einem Bundesagenten der Sicherheitsbehörden am ganzen Leib angefaßt werde." Der Pilot erklärte, auch er mache sich Gedanken um die Sicherheit im amerikanischen Luftverkehr, die TSA sei aber eine einzige "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme", deren Kontrollprozeduren niemanden ernsthaft schütze, sondern einfach Millionen von Menschen traktiere. Mit der Meinung ist Roberts sicherlich nicht allein.

21. Oktober 2010