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USA/1311: Religiöser Obskurantismus in Amerika auf dem Vormarsch (SB)



Religiöser Obskurantismus in Amerika auf dem Vormarsch

Inhofe und Santorum - Galionsfiguren postmoderner Religiösität

Nicht einmal vier Jahre, nachdem die Amerikaner aus Verdruß über die ideologische Borniertheit des Republikaners George W. Bush ihr Heil in der Wahl des rhetorisch gewandten, pragmatisch und weltoffen agierenden Demokraten Barack Obama zum neuen Präsidenten gesucht haben, stehen die Chancen nicht schlecht, daß im Januar 2013 erneut ein reaktionärer Konservativer ins Weiße Haus einziehen wird. Während die liberalen Medienkommentatoren die Köpfe darüber schütteln, wie sich Mitt Romney, Rick Santorum und Newt Gingrich in Sachen billiger Populismus ein ums andere Mal überbieten, um sich beim republikanischen Wahlvolk zu empfehlen, übersehen sie das Wesentliche. Der Kampf der Republikaner um die Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten ist gerade wegen der Unappetitlichkeit der Ansichten der drei Hauptbewerber schon seit Monaten das Medienthema Nummer eins in den USA und bestimmt dort sogar die laufende Politik. Schießt das Trio Infernale der Grand Ol' Party (GOP) rhetorische Giftpfeile in Richtung Teheran ab, fühlt sich Obama genötigt, seine kompromißlose Haltung im "Atomstreit" mit dem Iran plakativ zu betonen. Beteuern die Drei ihre tiefe Verbundenheit mit Israel, tut der Präsident so, als wäre der von ihm wenig geschätzte Benjamin Netanjahu der verläßlichste Partner Washingtons in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Auch wenn der Mormone Romney bisher die meisten Vorwahlen gewonnen hat, ist es doch der Katholik Santorum, der seit Wochen im republikanischen Lager den Ton angibt. Mit seiner Kritik an der Trennung von Kirche und Staat, der Abtreibung und Schwulen-Ehe hat der ehemalige Senator aus Pennsylvania nicht nur die christlichen Fundamentalisten an der republikanischen Basis, sondern offenbar auch den mächtigen katholischen Klerus hinter sich gebracht. Seine jüngsten Erfolge bei Vorwahlen in den Südstaaten Alabama und Mississipi lassen ihn im Vergleich zum farblosen Romney, der einst Gouverneur von Massachusetts war, als gefährlicheren Herausforderer für Obama erscheinen. Anders als der schwerreiche Romney gelingt es dem jungen Santorum, sich als "Mann des Volkes" zu verkaufen, was in der aktuellen wirtschaftlichen Krise gut ankommt.

Der Trend im republikanischen Wahlkampf spiegelt lediglich die allgemeine Rückbesinnung Millionen verunsicherter Amerikaner auf traditionelle Werte wie Familie und Kirche wider. Gesetzesinitiativen in mehreren US-Bundesstaaten sowie auf der Bundesebene, den Zugang von Frauen zu Abtreibung und Verhütungsmitteln zu erschweren, flankieren denn nicht zufällig das Wahlkampfgetöse von Santorum und Konsorten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß mit dem Niedergang der USA als wirtschaftliche Supermacht den Amerikanern offenbar der Glaube an die Werte der Gründerväter - Aufklärung, Humanismus, Gewaltenteilung, Schutz vor staatlicher Willkür - abhanden kommt. Statt dessen wenden sich immer mehr Menschen dem Heilsversprechen religiöser Blender zu, treten für ein "christliches" Amerika ein und verteufeln die "terroristischen" Moslems, die angeblich gottlosen, dekadenten Westeuropäer, die kommunistischen Rotchinesen und die postsowjetischen Russen.

Zu den wichtigsten Wortführern dieser unheilvollen Entwicklung gehört zweifelsohne James Inhofe, der seit 1994 im Washingtoner Senat den Bundesstaat Oklahoma vertritt. Der Republikaner tut sich im besonderen als eifriger Verteidiger der "Familienwerte", Gegner der Schwulenrechte und loyaler Freund Israels hervor. So nahm er 2004 die Verantwortlichen für den Skandal im irakischen Gefängnis Abu Ghraib demonstrativ in Schutz und empörte sich über das Medienecho, das die Mißhandlung mutmaßlicher "Terroristen" in den USA ausgelöst hat. Ende Februar hat der 1934 geborene Ex-Immobilienmakler das Buch "The Greatest Hoax: How the Global Warming Conspiracy Threatens Your Future" auf dem Markt gebracht. Darin stellt er die These vom menschenverursachten Klimawandel als "Schwindel" und "Verschwörung" dar, mittels derer dubiose "Globalisten" eine Weltregierung zu installieren versuchten, um das freie Amerika, das Licht der Freiheit unter den Nationen, zu unterwerfen.

Wie die Webseite Right Wing Watch am 12. März berichtete, hatte Inhofe am Tag zuvor in einem Interview mit Moderator Vic Eliason für die Sendung Crosstalk auf dem Radiosender Voice of Christian Youth America eine recht simple Erklärung präsentiert, warum der Klimawandel ein durchsichtiger Betrug sein soll. Inhofe berief sich einfach auf die Bibel. Der Senator aus dem Mittleren Westen brachte den Zitat aus dem ersten Buch Mose (8:22) "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht", um daraufhin den Hörern zu erklären, daß Gott weiterhin dort oben throne und es folglich von einer "ungeheuerlichen Arroganz" zeuge, "zu denken, daß wir das, was er mit dem Klima macht, ändern könnten".

Der bibelfeste Inhofe beließ es nicht beim Alten Testament, sondern zitierte zudem aus dem Neuen, als er Richard Cizik, dem ehemaligen Vizepräsident der National Association of Evangelicals, vorwarf, durch die Übernahme des Klimawandelquatsches die Gemeinde der gottestreuen Christen verraten zu haben. Inhofe meinte, auf Cizik und die Umweltaktivisten passe die Stelle (1:25) aus dem Brief des Paulus an die Römer, in der es heißt, sie hätten Gottes Wahrheit in Lüge verwandelt und "geehrt und gedient dem Geschöpf statt dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit".

In den westlichen Medien macht man sich seit einiger Zeit Sorgen, daß die Islamische Republik Iran, in der schiitische Würdenträger die letzte Entscheidungsgewalt innehaben, in den Besitz einer Atombombe gelangen könnte. Weit größere Gefahr für die Welt geht von der Möglichkeit aus, daß christliche Fundamentalisten die Macht in den USA und damit die Kontrolle über deren Arsenal abertausender Kernwaffen übernehmen könnten. Und es scheint, daß diese Wirrköpfe auf dem besten Weg dazu sind - nicht nur dank der Bemühungen von Leuten wie Inhofe und Santorum, sondern auch weil der liberale Barack Obama während seiner Zeit im Weißen Haus Bush juniors eigenwillige Interpretation des Verhältnisses zwischen präsidialer Machtfülle und Einhaltung der US-Verfassung nicht zurückgedrängt, sondern ihnen vielmehr Dauerhaftigkeit verliehen hat.

14. März 2012