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USA/1379: Email-Affäre verhagelt Clintons Präsidentschaftsträume (SB)


Email-Affäre verhagelt Clintons Präsidentschaftsträume

Bekommt es Donald Trump in November mit Bernie Sanders zu tun?


Für Hillary Clinton scheint der Traum, als erste Präsidentin in der Geschichte der USA ins Weiße Haus einzuziehen, vorbei zu sein. Noch liegt sie, was die Zahl der Delegiertenstimmen für den Parteitag der Demokraten Mitte Juli in Philadelphia betrifft, vor Senator Bernie Sanders. Doch die Kür Clintons zur offiziellen Kandidatin der Demokraten dürfte in ernsthafte Gefahr geraten, sollte der selbsternannte "demokratische Sozialist" aus Vermont, wie derzeit von den meisten Demoskopen prognostiziert, am 7. Juni die Vorwahl in Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat, gewinnen. Eine solche Niederlage könnte viele der von der demokratischen Führung nominierten "Superdelegierten" veranlassen, in Philadelphia für Sanders statt für die schwächelnde ehemalige First Lady zu stimmen.

Für die frühere Außenministerin und Senatorin aus New York zeigt der Trend bei den Umfragewerten eindeutig nach unten. Auf der Skala der Unbeliebtheit amerikanischer Politiker liegt sie mit 53% an zweiter Stelle gleich hinter dem Baumagnaten Donald Trump (60%), der mit Machosprüchen die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner erkämpft hat. Was mangelnde Vertrauenswürdigkeit betrifft, steht Hillary Clinton, die im Laufe ihrer langen Karriere, ob solo oder an der Seite ihre Ehemanns Bill, in zahlreiche Kontroversen - Whitewater, Monica Levinsky, Benghazi - verwickelt gewesen ist, einsam an der Spitze. Laut der jüngsten gemeinsamen Umfrage der New York Times und des Fernsehsenders CBS halten ganze 64% der US-Wähler die ehemalige First Lady für nicht vertrauenswürdig und unehrlich.

Der Absturz Clintons in den Umfragen hat eine Hauptursache - die Email-Affäre. 2014 wurde bekannt, daß sie während ihrer Zeit als Chefdiplomatin Barack Obamas ihren Email-Verkehr nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, über ein Konto beim Außenministerium in Washington, sondern über einen Server im Keller ihres und Bills Privathauses in Upstate New York abwickelte. Seit Anfang 2015 ermittelt deshalb das FBI wegen kriminellen Verhaltens im Amt. Die fortlaufenden Bemühungen Clintons, die ganze Angelegenheit als Lappalie abzutun, stehen nicht nur in krassem Widerspruch zum Ausmaß, in dem sie jahrelang die staatlichen Sicherheitsvorschriften einfach ignorierte und damit mutwillig die nationale Sicherheit der USA gefährdete, sondern zeugen von einer ungeheuren Hybris, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach den Eintrag in die Geschichtsbücher als erste Präsidentin der Vereinigten Staaten kosten wird. Mehr als 30.000 Emails, sowohl private als auch berufliche, hat das FBI auf dem Rechner sichergestellt. Nach dem Rücktritt Clintons als Außenministerin Anfang 2013 lagen sie dort weitere zwei Jahre völlig ungeschützt.

Am 25. Mai hat der Generalinspekteur des State Department seinen eigenen 78seitigen Bericht zur Email-Affäre veröffentlicht, dessen Ergebnis für Clinton vernichtend ausgefallen ist. Demnach hat sie sich nach dem Amtsantritt als Außenministerin im Januar 2008 hartnäckig geweigert, den bereitgestellten gesicherten Computer im eigenen Büro für ihren beruflichen Email-Verkehr zu benutzen, sondern beharrte darauf, ihre gesante geschäftliche und private Kommunikation über ihr Blackberry-Smartphone, das in Verbindung zum eigenen Email-Konto auf dem Server in New York stand, laufen zu lassen. Entgegen der Behauptung, sie habe nichts zu verbergen, hat sich Clinton geweigert, mit dem Generalinspekteur bei seiner Untersuchung zusammenzuarbeiten. Aus dem Bericht geht zudem hervor, daß zwei Mitarbeiter der Abteilung für IT-Sicherheit im Außenministerium ernsthafte Bedenken bezüglich der laschen, eigentlich verbotenen Email-Praxis Clintons angemeldet hatten. Ihnen wurde vom Vorgesetzten eröffnet, ihre Arbeit bestehe darin, "die Ministerin zu unterstützen". Sie sollten "niemals wieder das Thema des persönlichen Email-Systems der Ministerin ansprechen".

Es kommt noch schlimmer. Am 27. Mai wurde die erste eidesstattliche Aussage aus den laufenden Vernehmungen des FBI veröffentlicht. Sie stammt von Botschafter Lewis Lukens, der seit fast drei Jahrzehnten dem diplomatischen Dienst der USA angehört. Während Clintons Zeit als Außenministerin leitete Lukens die Logistik-Abteilung im State Department und war für dessen IT-Sicherheit zuständig. Lukens hat das Beharren Clintons auf die Benutzung ihres Blackberrys für die gesamte elektronische Kommunikation während ihrer vier Jahre als Außenministerin bestätigt. Aus Lukens Erläuterungen geht hervor, daß sich die heute 69jährige Politikerin einfach nicht die Mühe machen wollte, den Umgang mit einem Computer einschließlich der vorgeschriebenen sicherheitsrelevanten Regeln zu lernen. Das ging so weit, daß Clinton während ihrer Zeit als Obamas wichtigste außenpolitische Beraterin bei ihrem Email-Verkehr gar kein Paßwort benutzte. Folglich dürfte es für Hacker ein leichtes gewesen sein, in den Server in New York einzudringen.

Die Vernehmungen Clintons und ihrer engsten Mitarbeiter durch das FBI werden voraussichtlich bis in den Juli hinein andauern. Daher ist mit einer raschen Beilegung der Kontroverse nicht zu rechnen. Inzwischen kursiert bei einigen Politbeobachtern in den USA die These, Bernie Sanders sei trotz des Delegiertenvorsprungs Clintons bei den Vorwahlen im Rennen um die demokratische Nominierung geblieben, weil die Email-Affäre seine Rivalin noch vor dem Parteitag bzw. vor dem eigentlichen Urnengang im November zwingen könnte, das Handtuch zu werfen. Auch wenn das FBI - aus politischen Erwägungen - in den kommenden Monaten dem Justizministerium keine Anklageerhebung empfehlen sollte, dürften die Negativschlagzeilen zur Email-Affäre unweigerlich die Chancen Clintons auf einen Sieg bei der Präsidentenwahl 2016 zunichte machen.

28. Mai 2016


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