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USA/1391: Colin Powell weder von Clinton noch Trump überzeugt (SB)


Colin Powell weder von Clinton noch Trump überzeugt

Emails des Ex-Generals gewähren Blick hinter die politischen Kulissen


In den USA gilt Colin Powell als großer Nationalheld. Für viele Menschen stellt die Lebensgeschichte des Jungen aus dem New Yorker Armenviertel Bronx, der in Vietnam für sein Land gekämpft und es als erster Schwarzer zum Generalstabschef und zum Außenminister gebracht hat, ein Paradebeispiel des "amerikanischen Traums" dar. Powells größter Erfolg war der siegreiche Golfkrieg gegen den Irak 1991, als er in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigten Stabchefs zwischen Präsident George Bush sen., Verteidigungsminister Dick Cheney in Washington und General Norman Schwarzkopf, dem Oberkommandierenden vor Ort, in Saudi-Arabien das Geschehen auf dem Schlachtfeld koordinierte. Ausgeblendet aus der patriotischen Erzählung wird freilich, daß Powell in Vietnam Greueltaten seiner Untergebenen vertuscht und im Herbst 1990 zusammen mit Cheney mit fingierten Satellitenbildern den saudischen Königshof von einer bevorstehenden irakischen Invasion überzeugt und die Erlaubnis zur Entsendung einer gigantischen Streitmacht an den Persischen Golf erschwindelt hat.

1999 und 2000 wurde Powell zeitweise als möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner hoch gehandelt. Doch der pensionierte General überließ George Bush jun. das Rennen und wurde 2001 von diesem dafür mit dem Posten des Secretary of State belohnt. Als nahezu einziger Realist in einer von neokonservativen Kriegsfalken dominierten Administration - allen voran Vizepräsident Cheney, Pentagonchef Donald Rumsfeld und dessen Vize Paul Wolfowitz - sollte Powell mit seiner Präsenz Ausgewogenheit suggerieren. Folgerichtig fiel ihm im Herbst 2002 die Aufgabe zu, die Öffentlichkeit in den USA und weltweit von der Bedrohung zu überzeugen, die angeblich von einem "finsteren Nexus" zwischen Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" und dem irakischen "Diktator" Saddam Hussein ausging und für Washington als Kriegsgrund herhalten sollte.

Am 5. Februar 2003 legte Powell in einer beeindruckenden Präsentation dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die vermeintlichen Beweise der CIA für die Existenz irakischer "Massenvernichtungswaffen" vor. Als sich nach dem Einmarsch angloamerikanischer Truppen in den Irak sechs Wochen später herausstelle, daß die vermeintlichen CIA-Erkenntnisse reine Propaganda waren, war Powells internationale Glaubwürdigkeit ramponiert. 2005 verzichtete er auf eine zweite Amtszeit als Chefdiplomat und wurde von Bush jun. durch die damalige Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, ebenfalls eine Schwarze, ersetzt.

In den letzten Wochen macht der Generalstabschef a. D. - völlig unfreiwillig - wieder Schlagzeilen. Beim vergeblichen Versuch, die schwelende Email-Affäre aus ihrer Zeit als Außenministerin Barack Obamas hinter sich zu bringen, hat sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton in die Schutzbehauptung geflüchtet, sie habe sich damals so verhalten, wie ihr berühmter Vorgänger Powell es ihr beim Amtsantritt 2009 geraten habe. Dies wurde Mitte August bekannt, als das FBI das Protokoll der polizeilichen Vernehmung Clintons von Anfang Juli veröffentlichte. Über die Instrumentalisierung seiner Person zu politischen Zwecken durch Bill Clintons Gattin ist der Ex-Soldat alles andere als glücklich. Dies geht aus privaten Emails von Powell hervor, die vor drei Tagen die mysteriöse Hackergruppe Guccifer 2.0 auf der Website DCLeaks.com veröffentlicht hat. Die Powell-Emails gewähren zudem Außenstehenden einen interessanten Blick hinter die politischen Kulissen in den USA.

In einer elektronischen Kommunikation mit der Journalistin Amy Chozick von der New York Times schreibt Powell, er habe seinerzeit zwar für seine privaten Emails ein anderes Konto als für seine beruflichen benutzt, dies sei jedoch mit dem Verhalten Clintons, die beide vermischte und über ein Privatserver im Keller ihres Hauses abwickelte, überhaupt nicht zu vergleichen. Von den Fähigkeiten Hillary Rodham Clintons hat Powell keine besonders hohe Meinung. An einer anderen Stelle schreibt er: "HRC hätte diese Geschichte vor zwei Jahren begraben können, wenn sie einfach allen erklärt hätte, was sie getan hat, ohne mich da hineinzuziehen. Ich habe ihrem Stab dreimal davon abgeraten, auf dieses Gambit zurückzugreifen. Ich habe auf einer Feier in den Hamptons (eine Nobelgegend auf Long Island - Anm. d. SB-Red.) einen Mini-Wutanfall veranstalten müssen, um deren Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie stolpert immer wieder über diese Minenfelder. ... Alles, was HRC anfaßt, macht sie mit ihrer Überheblichkeit kaputt."

Entgegen des rührenden Bilds der gegenseitigen Zuneigung, das Obama und Clinton auf dem demokratischen Parteitag Ende Juli öffentlich zur Schau trugen, "haßt" die ehemalige Senatorin aus New York laut Powell den ersten schwarzen Präsidenten der USA bis heute dafür, sie 2008 beim Kampf um die Präsidentschaft besiegt zu haben, und will diesmal um so mehr als erste Präsidentin ins Weiße Haus einziehen. In bezug auf den Urnengang im November formulierte Powell in einer Email an den befreundeten Aktieninvestor Jeffrey Leeds folgende wenig schmeichelhafte Aussage sowohl über Hillary Clinton als auch über deren Mann Bill, dessen eigene Präsidentschaft 1993-2001 bekanntlich von Sexskandalen geplagt war: "Ich würde sie lieber nicht wählen müssen, obwohl sie eine Freundin ist, die ich respektiere. Eine 70jährige Person mit einem langen Lebenslauf, unbändigem Ehrgeiz, gierig, nicht transformativ, mit einem Ehemann, der immer noch zu Hause Flittchen flachlegt."

Clintons republikanischen Gegner, Donald Trump, mag Powell noch weniger und bezeichnet diesen als eine "nationale Schande" und einen "internationalen Pariah", der die rassistischen Ressentiments der weißen Unterschicht Amerikas schüre, um Präsident zu werden. An die Fähigkeiten des Immobilienmagnaten glaubt Powell nicht im geringsten. "Die New Yorker Finanzjungs hassen ihn und würden ihm kein Geld leihen. Er betrügt und zieht dann vor Gericht". "Würde Donald irgendwie doch noch gewinnen, würde er sich bereits am Ende der ersten Woche im Amt fragen, worauf er sich da eingelassen habe, so Powell.

Die abfällige Bemerkungen Powells in den Emails beschränken sich nicht nur auf Trump und das Ehepaar Clinton. Auch die ehemaligen Kabinettskollegen Cheney und Rumsfeld bekommen ihr Fett weg. In einer Korrespondenz mit Condoleezza Rice im vergangenen Jahr schreibt Powell zum Thema der Irak-Invasion: "Wenn Don und das Pentagon ihre Arbeit richtig gemacht hätten - nachdem sie die Verantwortung für den Wiederaufbau an sich gerissen hatten - hätten sich die Dinge vielleicht anders entwickelt". Als Rice darauf antwortet, "Don sollte aufhören zu reden. Jedesmal tritt er ins Fettnäpfchen", stimmt Powell dem zu und ergänzt, "Die ganze Truppe war hirntot" - gemeint sind Rumsfeld, Wolfowitz und Doug Feith, damals Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium. In einer anderen Email berichtet Powell, wie er es im September 2015 abgelehnt habe, gemeinsam mit Dick Cheney und dessen Tochter Liz, der republikanischen Kandidatin für einen Sitz im Repräsentantenhaus in Washington, in der Politrunde "Meet the Press" des Fernsehsenders NBC aufzutreten: "Das sind Idioten und eine verbrauchte Kraft, die mit einem Buch hausieren gehen, das niemanden interessiert."

16. September 2016


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