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USA/1392: Clinton deklassiert Trump in der ersten Fernsehdebatte (SB)


Clinton deklassiert Trump in der ersten Fernsehdebatte

Prahlhans Trump im Vergleich zur Ex-Außenministerin weniger präsidial


Die erste Fernsehdebatte zwischen den demokratischen und republikanischen Kandidaten für das Amt des Präsidenten, Hillary Clinton und Donald Trump, hat mit mehr als 100 Millionen Zuschauern einen neuen Rekord aufgestellt. Seit der ersten Übertragung eines solchen Rededuells im Jahr 1960 zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon haben noch nie so viele Amerikaner vor dem Fernseher Platz genommen, um das Ringen der Bewerber um das höchste Amt im Staat live zu verfolgen. Auch wenn die konservativen Medien wie Breitbart und Fox News ein anderes Fazit ziehen, so sind sich die meisten Kommentatoren in ihrem Urteil doch einig: Die Anwältin Clinton hat mit ihrer ruhigen, sachlich Art den bombastischen Immobilienmagnaten und Reality-Show-Moderator Trump auflaufen lassen.

In der Debatte trafen zwei völlig gegensätzliche Sichten der gesellschaftlichen Lage in den USA aufeinander. Für Clinton ist Amerika trotz aller Schwierigkeiten auf dem richtigen Weg. Der Kurs, den unter ihrer Beteiligung als Außenministerin die Regierung Barack Obama beschritten hat, um das Land aus der von der Vorgängeradministration George W. Bushs verschuldeten Finanzkrise 2008 herauszuführen, müsse nur konsequent fortgesetzt werden: Mit mehr Steuererleichterungen für die Mittelschicht und kleineren Unternehmen, dem raschen Ausbau der erneuerbaren Energie, einer Generalüberholung der vernachlässigten Infrastruktur und mehr sozialer Gerechtigkeit. Clintons Vision klingt optimistisch - dafür aber auch etwas schwammig. Die von ihr in Aussicht gestellte Hilfe für Hochschulstudenten zum Beispiel sieht nicht die Abschaffung von Studiengebühren, sondern lediglich niedrige Zinsen vor, damit Hochschulabsolventen im späteren Leben es leichter haben, ihre Schulden abzutragen.

Für The Donald dagegen befindet sich Amerika im Niedergang, aus dem nur er, der Großmeister des "Deals", der mit dem Politklüngel in Washington nichts zu tun hat, das "Land of the Free and the Home of the Brave" zur alten und neuen Stärke zurückführen kann. Trump nannte viele Mißstände beim Namen: explodierende Staatsschulden, ruinöse Auslagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer und die mörderische Waffengewalt der Drogenbanden in den Großstädten. Seine Rezepte blieben jedoch weniger visionär als vielmehr illusorisch: drastische Steuererleichterungen für die Großkonzerne und die Reichen, damit diese Arbeitsplätze schaffen, Bürokratieabbau sowie mehr Befugnisse für die Polizei, damit jeder wieder Respekt für das Gesetz beigebracht bekommt.

Was Clinton an diesem Abend an der Hofstra Universität auf Long Island häufig, Trump dagegen kaum gelang, war, den Kontrahenten in die Reaktion zu bringen. Immer wieder fühlte sich Trump genötigt, Clinton oder den Moderator Lester Holt von NBC News zu unterbrechen, um irgendwelche Behauptungen der Gegenseite richtig zu stellen. Die ehemalige First Lady hat viele gute Schläge landen können, indem sie Trumps schwindlerischen Umgang mit den Subunternehmen bei seinen Bauprojekten, seine frühere Leugnung des Klimawandels als Betrugsmasche der Volksrepublik China und seine zahlreichen unflätigen Äußerungen über Frauen monierte. Sie unterstellte ihm, nicht wie sie und traditionell alle Präsidentschaftskandidaten seine Steuererklärungen offenzulegen, weil ansonsten herauskommen könnte, daß er doch nicht so reich und erfolgreich ist, wie er vorgibt zu sein. In dem Zusammenhang hat Clinton Trump sogar dazu gebracht, zuzugeben und sogar damit zu prahlen, daß er dank buchhalterischer Tricks seit Jahren keine Bundessteuer abführt. Wie diese Offenbarung bei den vielen Anhängern Trumps in der weißen Mittel- und Unterschicht ankommt, muß sich noch zeigen.

Immerhin hat Trump geltend machen können, daß die USA unter Bush jun. und Obama - also auch während Clintons vier Jahre als Secretary of State von 2009 bis 2013 - soviel Geld für sinnlose Kriege in Zentralasien und den Nahen Osten ausgegeben habe, daß Washington damit zweimal alle Straßen, Brücken, Schulen, Flughäfen und Bahnstrecken hätte bezahlen können. Er warf Clinton und Obama vor, Chaos im Irak, Libyen und Syrien einschließlich des Aufkommens der "Terrormiliz" Islamischer Staat verursacht zu haben. Während er für eine engere Zusammenarbeit mit Rußland bei der Bekämpfung des Übels des "islamistischen Terrorismus" plädierte, tischte Clinton ihre Lieblingsverschwörungtheorie auf, wonach unter Wladimir Putin der Kreml mittels Hackerangriffe die Präsidentenwahl in den USA zu beeinflussen versuche. Beide waren sich einig, daß sie als Präsident_in die Anti-IS-Kampagne Obamas forcieren und der Radikalisierung junger Muslime in den USA durch verstärkte Kontrolle des Internetverkehrs durch die Geheimdienste entgegenwirken würden.

In einer Zeit erhöhter Spannungen hat Trump, der von den Demokraten und den großen Medien in außenpolitischen Dingen als ahnungslos dargestellt wird, dennoch einen wichtigen Punkt anbringen können, warum man ihn vielleicht als Präsidenten vorziehen könnte. Auf die direkte Frage Holts erklärte der New Yorker Bauunternehmer, Atombomben seien die größte Bedrohung der Menschheit; als Oberkommandierender der Streitkräfte würde er sie nur als Zweitschlagswaffe einsetzen und niemals den nuklearen Erstschlag befehlen. Clinton, die als Wunschkandidatin nicht nur der Wall Street, sondern auch der Rüstungslobby und des Sicherheitsapparats gilt, hat sich wohlweislich nicht zu einer solchen Feststellung hinreißen lassen.

Alles in allem hat Clinton an diesem Abend den seriöseren Eindruck gemacht. Sie hat langsam und deutlich gesprochen und ihre Argumente logisch vorgetragen. Zu keinem Zeitpunkt hat sie sich von Trump provozieren lassen, selbst als dieser ihre unsägliche E-Mail-Affäre thematisierte. Trump dagegen redete wie immer aus dem Bauch heraus. Seine Sätze waren häufig unvollständig; seine Gedankengänge sprunghaft und nicht immer leicht nachzuvollziehen. Doch gerade Trumps plumpe Art vermittelt das Bild der Bodenständigkeit und dürfte bei seiner Anhängerschaft, die Analysen zufolge eher wenig gebildet ist, ihre Wirkung nicht verfehlen. Bei der ersten Fernsehdebatte dürfte weder Clinton noch Trump Wähler aus dem gegnerischen Lager für sich gewinnen können. Welche Schlüsse die unentschiedenen Wähler aus dem Wortgefecht zogen, ist aufgrund der widersprüchlichen Ergebnisse der vielen nach der Debatte durchgeführten Umfragen unklar. Am 9. Oktober an der Washington University in St. Louis und am 19. Oktober an der Universität von Nevada in Las Vegas finden die zweiten und dritten Fernsehdebatten zwischen Clinton und Trump statt. Möglicherweise wird sich aus ihnen ein klarer Trend zugunsten einer der beiden Kandidaten ergeben. Tag der Entscheidung ist jedenfalls Dienstag, 8. November.

27. September 2016


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