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USA/1415: Washington - Desaster im Vorfeld der Wahlen ... (SB)


Washington - Desaster im Vorfeld der Wahlen ...


Wie vorhersehbar, nämlich aufgrund der republikanischen Mehrheit im Senat, hat Präsident Donald Trump das im letzten Herbst von der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus gegen ihn eingeleitete Amtsenthebungsverfahren politisch überstanden. Bei den Abstimmungen am 5. Februar hat nur ein einziger republikanischer Senator, der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney aus Utah, in einem Anklagepunkt - Machtmißbrauch - für die Amtsenthebung votiert. Da lautete das Ergebnis 52 zu 48. Beim zweiten Anklagepunkt - Behinderung der Justiz - votierten die 47 demokratischen Senatoren geschlossen für Amtsenthebung, alle 53 Republikaner ebenso geschlossen dagegen. Um Trump aus dem Weißen Haus zu verbannen, wäre laut Verfassung der Beschluß einer Zweidrittelmehrheit im Senat erforderlich, nur war diese wegen der Polarisierung der amerikanischen Innenpolitik niemals ein realistisches Ziel gewesen.

Wie von vielen Kommentatoren im In- und Ausland vorausgesagt, hat das große Amtsenthebungstheater der Demokraten Trump mehr genutzt als geschadet. Im Mittelpunkt des Geschehens stand der Vorwurf, er habe im vergangenen Juli beim Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versucht, diesen zu Ermittlungen gegen Joe Biden, einst Barack Obamas Vizepräsident, der sich aktuell um die Nominierung zum Kandidaten der Demokraten bei der Präsidentenwahl im November bewirbt, zu veranlassen und ihn mit der Vorenthaltung von militärischer Rüstungshilfe im Wert von 390 Millionen Dollar unter Druck gesetzt. Vielen Wählern war der Streit um Trumps Verhalten respektive Fehlverhalten in Sachen "Ukrainegate" zu verworren, weshalb sie das Ganze schlicht ignorierten. Nicht wenige Bürger Amerikas halten sowieso Erpressungsmanöver des Präsidenten der USA anderen Staatschefs gegenüber für etwas ganz Selbstverständliches - und wenn es Trump persönlich nutzt, na und?

Ein weiterer Teil der Wähler sowie kritische Medienvertreter erkannten im Amtsenthebungsverfahren wiederum den durchsichtigen Versuch der Demokraten, ihre Legende zur Erklärung der spektakulären, weil völlig unerwarteten Wahlniederlage Hillary Clintons 2016, derzufolge die Geheimdienste Wladimir Putins Trump mittels Manipulation der öffentlichen Meinung einschließlich der Zuspielung belastender gehackter Emails der ehemaligen First Lady an Wikileaks zwecks Veröffentlichung zum Präsidenten gemacht und damit die hochheilige Demokratie Amerikas besudelt hätten, am Leben zu erhalten. Tatsache ist, daß Trump beim fraglichen Telefonat Selenskyj um Informationen bedrängte, die sich nicht nur auf eine Aufklärung der Umstände bezogen, weswegen Bidens Sohn Hunter nach dem von der Obama-Regierung initiierten, gewaltsamen Putsch 2014 in Kiew 50.000 Dollar monatlich von dem ukrainischen Energieunternehmen Burisma erhielt, sondern die sich auch auf die illegale Einmischung mehrerer Ukrainer im US-Präsidentwahlkampf 2016 zugunsten Clintons erstreckten. Letztere Verwicklung ist historisch belegt, wird jedoch von "liberalen" Medien wie der New York Times als "Verschwörungstheorie" oder "Fake News" abgetan.

Die monatelange Thematisierung des nicht unkomplizierten Verhältnisses zwischen Washington und Kiew hat am Ende weniger Trump als vielmehr Biden geschadet. Mit aktuell 49 Prozent laut Gallup sind Trumps Zustimmungswerte so hoch wie noch nie und zehn Prozentpunkte höher als zur Eröffnung der Amtsenthebungsscharade im vergangenen Jahr. Peinlich für Biden war vor allem das Auftauchen einer Videoaufnahme bei YouTube, die den früheren Ukraine-Sonderbeauftragten Obamas 2018 bei einem Auftritt beim einflußreichen Council on Foreign Relations (CFR) zeigt, in dem der frühere Senator aus Delaware damit prahlt, drei Jahre zuvor die Regierung in Kiew mit der Drohung der Sperrung eines IWF-Milliardenkredits zur Entlassung jenes Staatsanwalts, der damals gegen Burisma wegen illegaler Geschäftspraktiken, darunter Vetternwirtschaft, ermittelte, veranlaßt zu haben.

Angesichts derlei Enthüllungen ist nicht nur keinem republikanischen Kongreßabgeordneten oder Senator, sondern auch den meisten Bürgern nicht zu vermitteln gewesen, warum der Umgang Trumps mit den politischen Freunden im Vasallenstaat Ukraine ethisch und politisch nicht zu verantworten gewesen sein sollte, Bidens dagegen unbedenklich. Hinzu kommt, daß die Demokraten "Ukrainegate" genauso wie zuvor "Russiagate" mit einer völlig unglaubwürdigen Einschätzung der angeblich vom Kreml für die "freie Welt" ausgehenden Gefahr begründeten. Die These des Anklageführers, des kalifornischen Kongreßabgeordneten Adam Schiff, der im Repräsentantenhaus Vorsitzender des Geheimdienstausschusses ist, wonach Trump mit der kurzfristigen Sperrung der Waffenhilfe für Kiew die nationale Sicherheit der USA aufs Spiel gesetzt habe, denn die Ukrainer bekämpften die Truppen Rußlands in der Dombass-Region, damit die Amerikaner dies in den Straßen Washingtons nicht tun müßten, ist absoluter Humbug à la Joseph McCarthy.

Jedenfalls ist die von vielen Beobachtern festgestellte fehlende Begeisterung für die Wahlkampagne Bidens in den vergangenen Monaten alles andere als eine Überraschung und nicht nur das Ergebnis seiner allmählich durchscheinenden Senilität und seines höchst problematischen, körperlich bedrängenden Verhaltens gegenüber jungen Frauen bei öffentlichen Veranstaltungen. Das Schwächeln Bidens erklärt, warum sich vor einigen Wochen die New York Times bei ihrer Empfehlung für die demokratischen Vorwahlen nicht für ihn, den laut Konzernmedien vermeintlichen Anführer der Umfragen, sondern für die beiden Senatorinnen Elizabeth Warren, die ehemalige Harvard-Professorin aus Massachusetts, und Amy Klobuchar, die frühere Rechtsanwältin aus Minnesota, entschied.

Das Problem, das seit Wochen die New York Times und den der demokratischen Partei nahen Teil der amerikanischen Plutokratie reitet, ist die Frage, wie sie Bernie Sanders erneut um die Nominierung zum offiziellen Kandidaten der Demokraten bringen können. Vor vier Jahren schafften es Clinton und ihre Freunde beim Democratic National Committee (DNC) mit gezielten Manipulationen. Nachdem der Betrug auf dem Parteitag im Sommer dank Wikileaks aufflog, hat es später Clinton die Stichwahl gegen Trump gekostet, denn die meisten Sanders-Anhänger blieben bei der Präsidentenwahl einfach zu Hause. 2020 steht Sanders noch besser da. Seine Anhängerschaft ist nach wie vor riesengroß. Er hat eine prallgefüllte Wahlkampfkasse - alles dank Spenden kleiner Leute, denn im Vergleich zur Konkurrenz nimmt er aus Prinzip, um den Eindruck der Käuflichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen, kein Konzerngeld an. Mit seinem Eintreten für ein einheitliches, für den Verbraucher kostengünstiges Gesundheitssystem hat der "demokratische Sozialist" aus Vermont Millionen von Menschen begeistert, gleichzeitig Amerikas Pharmakonzerne gegen sich aufgebracht. Durch seine Kritik am Dauerkrieg der US-Streitkräfte in Übersee sowie an der Ausplünderung der Arbeiter- und Mittelschicht durch die großen Banken hat er sich Rüstungs- und Finanzindustrie zu Todfeinden gemacht.

Der Höhenflug des 80jährigen Sanders in den Umfragen hat eine parteiinterne Gegenoffensive gegen seine Person ausgelöst. Den Auftakt machte Warren Mitte Januar bei einer Debatte der Bewerber um die Kür zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten, als sie Sanders im landesweiten Fernsehen bezichtigte, sie als "Lügnerin" bezeichnet zu haben. Hintergrund war ein Treffen der beiden Politiker vor Weihnachten, bei dem laut Warren Sanders behauptet haben soll, keine Frau könnte Trump bei der bevorstehenden Präsidentenwahl bezwingen. Sanders, der sein Leben lang für Geschlechtergerechtigkeit eingetreten ist, bestreitet, dies jemals gesagt zu haben. Wenige Tage später fiel Hillary Clinton Sanders mit der Behauptung, dieser sei stets ein Eigenbrötler gewesen, der sich im Kongreß stets unkollegial verhalten habe und den innerhalb der demokratischen Partei "niemand mag", in den Rücken.

Wie sehr die Parteiführung Sanders nicht mag, wurde bei der ersten Vorwahl, die, wie alle vier Jahre, im kleinen Bundesstaat Iowa stattfand, mehr als deutlich. Die Abstimmung fand am 3. Februar statt. Die ersten Prognosen der Wahlbeoachter deuteten alle auf einen Sieg von Sanders hin, der als Führender in den Meinungsumfragen nicht nur in Iowa, sondern auch landesweit dorthin gegangen war. Doch am 4. Februar erklärte die Führung der Demokraten, es habe Probleme mit einer Telefon-App gegeben, mit der die Ergebnisse aus den einzelnen Bezirken an die Parteizentrale in Des Moines übermittelt werden sollten. Das Problem scheint nicht nur der drohende Sieg von Sanders gewesen zu sein, der ersten unbestätigten Berichten zufolge mit 26 Prozent gewonnen hatte, sondern zugleich, daß Biden mit mickrigen 12 Prozent auf den vierten Platz abgerutscht war. Die Bekanntgabe dieses desaströsen Ergebnisses hätte eventuell das Aus für Biden bedeutet.

Also spielte man auf Zeit und versprach die Verkündung des Endergebnisses nach Auszählung der Stimmzettel. Das Chaos der Demokraten in Iowa war natürlich für Trump ein Grund zum Jubeln - und das ausgerechnet an dem Tag, an dem er als Präsident vor versammelten Kongreßhäusern seine diesjährige Rede zur Lage der Nation halten sollte. Am Vorabend der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren ließ sich Trump von seinen Republikanern als großer Triumphator feiern. Die Demokraten ließen die denkwürdige Veranstaltung weitgehend mit versteinerten Mienen über sich ergehen. Doch als sie aufsprangen, mitklatschten und mitgrölten bei Trumps Erwähnung der von ihm veranlaßten Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani per Drohnenangriff Anfang Januar sowie beim Hinweis auf die Anwesenheit von Juan Guaidó, dem vom State Department zum "Präsidenten" Venezuelas gekürten Nobody, in der Zuschauergallerie, gaben sie zu erkennen, daß ihre Opposition zu der derzeitigen republikanischen Administration reine Fassade ist. Von daher hatte das demonstrative Zerreißen des präsidialen Manuskripts am Ende der Rede durch Nancy Pelosi, die Mehrheitführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, eine reine Alibifunktion.

Inzwischen ergeben die vorläufigen Ergebnisse aus Iowa - es steht noch immer kein Endresultat fest - einen Sieg nicht für Sanders, sondern für Pete Buttigieg, den bisher weitgehend unbekannten Bürgermeister aus South Bend, Indiana. Buttegieg ist ein ehemaliger McKinsey-Berater, der unter anderem in Afghanistan als Angehöriger des Marinegeheimdienstes im Kriegseinsatz gewesen ist. Weil der 38jährige Buttegieg bekennender Homosexueller ist, aber dennoch eine neoliberale Wirtschaftsordnung vertritt, gilt er den schwerreichen Demokraten als "liberaler" Hoffnungsträger und glaubhafte Alternative zum allzu "linkslastigen" Sanders. Interessant in diesen Zusammenhang ist die Tatsache, daß die IT-Firma Shadow, deren App die Stimmenauszählung in Iowa verhunzt haben soll, von einem ehemaligen Führungsmitglied des 2016er Team Hillary geleitet wird, das im laufenden Wahlkampf die Mannschaften von Biden und Buttegieg in Sachen Demoskopie und soziale Medien berät.

6. Februar 2020


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