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BERICHT/260: Niemanden vergessen - die Rechte des modernen Proletariats ... (SB)


Londoner Basisgewerkschaft kämpft für Migrantinnen und Migranten

Veranstaltung am 25. März 2017 im Centro Sociale in Hamburg


London, die teuerste Metropole Europas, ist weithin als Herz des Finanzkapitals und Konglomerat himmelsstrebender Konzernzentralen bekannt. Daß diese neofeudale Pracht nicht etwa nur ihre dunkle Seite hat, sondern im Bauch der Bestie ein Schattenheer ausgebeuteter Existenzen schuftet, das den Stoffwechselprozeß am Laufen hält, nimmt die hellhäutig-gutsituierte Klasse allenfalls dann wahr, wenn eine wie selbstverständlich in Anspruch genommene Dienstleistung plötzlich ins Stocken gerät. Wenngleich die spätkapitalistische Verwertung in immer fiktivere Sphären fernab der Warenproduktion vorstößt, um ihre Krise zu strecken und den Zusammenbruch zu verzögern, heißt das keineswegs, daß das Arbeitsregime nachrangig würde oder den Würgegriff gelockert hätte. Das Gegenteil ist der Fall, täuscht doch die vorgebliche Effizienzsteigerung im Zuge erbitterter Konkurrenzkämpfe darüber hinweg, daß die gesteigerte Produktivität das Resultat um so gnadenloser ausgepreßter Arbeitskraft ist.

Die entufernde Reservearmee erwerbsloser Menschen stellt den grenzenlosen Nachschub an Arbeitskräften bereit, die zu schlechtesten Bedingungen nicht selten sklavenähnlichen Verhältnissen unterworfen werden. Reinigungsbranche, Gastronomie, Service, Boten- und Wachdienste, Logistiksektor und Pflegebereich sind die typischen Sphären sogenannter niedrig qualifizierter und abgewerteter Erwerbstätigkeit. Outsourcing heißt oftmals das Zauberwort, um solche Tätigkeiten an private Dienstleister auszulagern, die Arbeitskräfte weit unter dem Standard der regulären Belegschaften beschäftigen. In der britischen Hauptstadt werden häufig Menschen aus Lateinamerika, aber auch Westindien, Afrika oder Osteuropa dafür rekrutiert, die mangels Kenntnissen der Sprache und ihrer Rechte zur leichten Beute solcher Zwangsverhältnisse werden. Angesichts der hohen Lebenshaltungskosten in London reichen ihre geringen Einkünfte kaum aus, sich notdürftig über Wasser zu halten. Mit sechs, sieben oder acht Personen in einer kleinen Wohnung zusammengepfercht, ist ihre kaum vorhandene Privatsphäre von nicht minder entwürdigenden Verhältnissen geprägt wie ihre Arbeitstätigkeit als weitgehend rechtlose Dienerschaft am Wohlergehen konsumkräftiger bis elitärer Kreise der britischen Gesellschaft.


Podium der Veranstaltung - Foto: © 2017 by Schattenblick

Petros, Vera, Percy, Daniel, Martin (Moderation), Victor, Matthias (Übersetzung)
Foto: © 2017 by Schattenblick

UVW Union setzt auf direkte Aktionen

Zum 150. Jour Fixe der Hamburger Gewerkschaftslinken [1] waren Aktivistinnen und Aktivisten der Basisgewerkschaft "United Voices of the World" (UVW Union) [2] aus London am 25. März 2017 im Centro Sociale zu Gast. Der Jour Fixe findet seit 2005 einmal im Monat statt und dient dem Austausch von linken Gewerkschaftern und Aktiven betrieblicher Kämpfe. Die vor drei Jahren gegründete UVW Union ist eine selbstorganisierte Gewerkschaft ohne hauptamtliche Funktionäre und Apparat, die vor allem Migrantinnen und Migranten aus der Reinigungsbranche und Gastronomie organisiert. Die Mitglieder unterstützen einander nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch bei sozialen Problemen wie Mietstreitigkeiten, Behördengängen und mittels Sprachkursen.

Fernab der im Dachverband TUC organisierten etablierten Gewerkschaften und deren sozialpartnerschaftlichen Anpassungskurses zeichnet sich UVW Union durch direkte Aktionen am Arbeitsplatz und innovative, medial begleitete Kampagnen aus. Erfolgreiche Kämpfe bei der Modekette Topshop, dem Auktionshaus Sotheby's, dem Luxuskaufhaus Harrods und aktuell der renommierten Universität London School of Economics haben der kleinen, aber rasch wachsenden Graswurzelgewerkschaft neue Mitglieder und ihren Kampagnen beträchtliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschafft. Vor allem aber werden dadurch die Arbeitsbedingungen der prekär beschäftigten Migrantinnen und Migranten aus dem schwarzen Loch der Ausgrenzung, Mißachtung und Entwürdigung hervorgeholt und Signale für Arbeitskämpfe in weiteren Betrieben gesetzt.


Porträt von der UVW-Webseite - Foto: © 2015 by The United Voices of the world

Vera koordiniert Arbeitsgruppen und Kampagnen der UVW
Foto: © 2015 by The United Voices of the world

Luxuskaufhaus Harrods muß einlenken

Im Luxuskaufhaus Harrods an der vornehmen Knightsbridge, das der Königsfamilie von Katar gehört, arbeiten über 450 Menschen im Bereich Service und Gastronomie. Die Trinkgelder der Gäste wurden bis zu 75 Prozent von der Geschäftsleitung einbehalten, was sich hochgerechnet pro Beschäftigten auf 5000 Pfund im Jahr belief. Mit Unterstützung der UVW nahmen die Arbeitskräfte den Kampf um diese Gelder auf, der landesweit durch das Fernsehen und die Presse ging. Die Basisgewerkschaft rief im Januar 2017 über einen Facebook-Event zu einer Protestaktion vor Harrods auf, an der sich Hunderte Menschen beteiligten, die Straße blockierten und den Betrieb im Kaufhaus weitgehend zum Erliegen brachten.

Angesichts der öffentlichen Wahrnehmung dieses Lohnraubs bei Harrods sowie der Androhung eines Streiks und weiterer Protestkundgebungen reichte diese einmalige Aktion aus, um die Geschäftsleitung zum Einlenken zu zwingen. Inzwischen werden die Trinkgelder zu 100 Prozent ausgezahlt und von einem Treuhänder verwaltet. Die Polizei nahm zwölf Menschen fest, in einem Fall ist ein Verfahren anhängig. Die robuste und öffentlichkeitswirksame Vorgehensweise der UVW war erfolgreich und sandte ein deutliches Signal an die gesamte Gastronomiebranche, daß ihren Beschäftigten die Trinkgelder in voller Höhe zustehen und es Gewerkschaften gibt, die den Kampf um diese Forderung unterstützen. Auch bei Harrods ist die Auseinandersetzung noch längst nicht beendet, da es jetzt darum geht, höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine anerkannte gewerkschaftliche Präsenz zu erstreiten. [3]


Auf dem Podium - Foto: © 2017 by Schattenblick

Erfahrener Gewerkschaftsaktivist und UVW-Präsident Percy
Foto: © 2017 by Schattenblick

Renommierte Universität zu Verhandlungen gezwungen

Neben Oxford und Cambridge ist die London School of Economics (LSE) die prestigeträchtigste britische Universität. Der Reinigungsdienst wurde an den Outsourcingspezialisten Noonan ausgelagert, der landesweit 15.000 Menschen beschäftigt, die in vielerlei Hinsicht schlechter als die regulären Bediensteten gestellt sind. Die rund 60 Cleaner an der LSE bekommen einen niedrigeren Lohn und sind auch bei den Sozialleistungen benachteiligt. Da die für den öffentlichen Sektor zuständige große Gewerkschaft Unison nichts unternahm, wechselten unzufriedene Mitglieder zur UVW. Sie fordern unter anderem gleichen Urlaub, gleiche Zuzahlung des Arbeitgebers zu den Rentenbeiträgen und gleiche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wie dies für die anderen Beschäftigten an der LSE gilt.

Diese lehnte die Forderungen zunächst ab und nahm Verhandlungen mit Unison auf, um der UVW den Wind aus den Segeln zu nehmen. Daraufhin kam es am 15. und 16. März zum ersten Streik in der 126jährigen Geschichte dieser Universität, der von enormer medialer Aufmerksamkeit begleitet war. Die Besetzung des Managerbüros trug nicht unmaßgeblich dazu bei, die Verhandlungsbereitschaft zu fördern. Daraufhin erklärte sich die Universitätsleitung bereit, Gespräche mit der UVW aufzunehmen. Sollten sie nicht zu einem positiven Ergebnis führen, sind die Reinigungskräfte bereit, den Streik wieder aufzunehmen. Die gesamte Streikkasse wird von Unterstützern aufgebracht, so daß die Streikenden keine finanziellen Nachteile erleiden. Würden ihre Forderungen erfüllt, hätten diese Reinigungskräfte die besten Bedingungen in ganz Großbritannien. An der LSE habe Friedhofsruhe geherrscht, bis die Aktivitäten der UVW zu einer Belebung des Campus und einer Aufbruchstimmung unter Studierenden und teils auch Lehrenden führte. [4]


Auf dem Podium - Foto: © 2017 by Schattenblick

Victor über 61 Tage unerbittlichen Streik
Foto: © 2017 by Schattenblick

Kleine Kämpfe, große Unterstützung

Daß entschiedene Kämpfe nicht nur in größeren Belegschaften möglich sind, zeigt das Beispiel Victors, der zusammen mit vier weiteren Leuten in einem riesigen Bürogebäude als Cleaner gearbeitet hat. Wie er berichtet, wurden sie mit 6,50 Pfund die Stunde miserabel bezahlt. Mit Unterstützung der UVW Union streikten sie 61 Tage lang und mußten in der Kälte draußen vor der Tür ausharren. Es habe großen Mutes und harter Verhandlungen bedurft, um schließlich eine Entlohnung von 9,75 Pfund durchzusetzen.

"Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft und erfahren die Ausbeutung am eigenen Leib. Nur wenn wir uns organisieren, können wir den Kampf gegen dieses System führen", unterstreicht Victor. Das gelte für die gesamte EU, habe er doch in Spanien und Italien eine ähnliche Situation erlebt. Er engagiere sich seit seiner Jugend in Ecuador in Arbeiterkämpfen und habe seine Kollegen davon überzeugen können, sich an dieser Auseinandersetzung zu beteiligen, die nur dank der Unterstützung der UVW auf diese Weise möglich gewesen sei. Die jeweilige Strategie hängt davon ab, wie viele Beschäftigte der jeweilige Betrieb hat. Man braucht gewissermaßen eine kritische Masse, so daß bei kleinen Betrieben mit wenigen Arbeitern das Netzwerk zur Unterstützung einspringt.


Foto: © 2017 by Schattenblick

Daniel verwaltet die Gewerkschaftskasse
Foto: © 2017 by Schattenblick

Zentrale Fragen der Gewerkschaftsarbeit

Wie Petros, der Generalsekretär der UVW Union, ausführte, beträgt der gesetzlichen Mindestlohn (Minimum Wage) in England 7,20 Pfund pro Stunde. Dies sei ein Armutslohn, der zehn Jahre hinter den tatsächlichen Lebenshaltungskosten insbesondere in der Hauptstadt hinterherhinke. Dort wurde mit dem London Living Wage ein 40 Prozent höherer Mindestlohn von 9,75 Pfund eingeführt, den man braucht, um in der Stadt leben zu können. Die örtlichen Unternehmen mußten oftmals direkt durch Streiks oder indirekt durch Ankündigung desselben gezwungen werden, den höheren Lohn zu zahlen. Sie willigten ein, um den Arbeitsfrieden zu wahren und das Ansehen der Firma nicht zu schädigen. In vielen Arbeitskämpfen der Migrantinnen und Migranten gehe es darum, den London Living Wage auch für sie zu erstreiten.

Die meisten UVW-Mitglieder hätten einen europäischen Paß, weil sie zumeist lange in Spanien gelebt haben. Wenngleich es in Großbritannien etwas einfacher als in Deutschland sei, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, wachse im Kontext des Brexit die Angst vieler Migranten. Die Regierung schüchtere sie extrem ein, wobei trotz der Kampagne gegen Einwanderung die Zahlen anstiegen, da viele Menschen ohne Papiere aus Spanien oder Frankreich einreisten. Rassismus und Haß seien in der Gesellschaft sprunghaft angewachsen, wie die Zahl der registrierten Hate Crimes belege, die seit dem Brexit um 500 Prozent zugenommen habe. Es sei völlig ungeklärt, wer künftig im Land leben darf und was mit den Arbeitsrechten geschehen wird.

Viele sähen in der EU die Rettung, weil deren Arbeitsrecht besser als das britische sei. Er hebe jedoch hervor, daß diese Gesetze von den Arbeitern erkämpft worden seien und stets etwas mit den Machtverhältnissen zu tun hätten, so Petros. Daß die britischen Arbeitsgesetze grottenschlecht seien, liege in erster Linie an den mangelnden Kämpfen zu ihrer Verbesserung. Im übrigen hätten nur wenige EU-Gesetze das britische Arbeitsrecht tatsächlich verbessert, es werde schlichtweg viel Wind um diese Sache gemacht. Er halte es für lächerlich, daß sich so viele Gewerkschaften an der EU orientieren, statt den Kampf für bessere Gesetze zu führen. Es sei traurig und besorgniserregend, daß Gewerkschaften die Rettung in der EU sähen.


Auf dem Podium - Foto: © 2017 by Schattenblick

Petros über seine Arbeit als UVW-Generalsekretär
Foto: © 2017 by Schattenblick

Jenseits der Sozialpartnerschaft

Die größte britische Gewerkschaft, Unite mit knapp 1,5 Millionen Mitgliedern, und die nur geringfügig kleinere Unison hätten einen erheblichen Teil der Arbeiterinnen und Arbeiter ignoriert und stünden nicht für sie ein. Sie interessieren sich nicht für die Niedriglöhner und für die Leute, die im Privatsektor arbeiten. Der entscheidende Grund für die Existenz von UVW sei der Umstand, daß die großen Gewerkschaften eine riesige Lücke hinterlassen haben.

In jedem Betrieb gebe es nur eine anerkannte Gewerkschaft, die mit dem Arbeitgeber verhandeln darf und im Dachverband TUC organisiert ist. Dabei handelt es sich um ein Gentlemen's Agreement, das nur bedingt belastbar ist, weil es auf Sozialpartnerschaft beruht und Gewerkschaften einbindet. Diese profitierten davon, daß sie mehr Mitglieder bekommen, und hielten dafür still. Würde UVW ein solches Abkommen angeboten, müßte er sich große Sorgen machen, so Petros unter allgemeinem Gelächter. Allerdings können auch andere Gewerkschaften die Mitglieder dieser betrieblich anerkannten Gewerkschaft in Verhandlungen vertreten. Auf diese Weise könnten Basisgewerkschaften, die tatsächlich Arbeiterrechte verteidigen und nicht mit der Geschäftsführung kooperieren, durchaus einen Fuß in die Tür bekommen.

Eine Ausnahme unter den im Dachverband TUC organisierten größeren Gewerkschaften sei die Transportgewerkschaft RMT, die eine Reihe vorbildlicher Kämpfe geführt habe. Sie dürfe jedoch nur im Transportwesen aktiv werden, was eine Schande sei, da sie auch in anderen Branchen ein großer Gewinn für die Arbeiterschaft wäre. Dies zeigt das Beispiel eines Hotels in Liverpool, das der British Rail gehört. Die Gewerkschaft Unite vertritt das Hotelgewerbe mit einem Organisationsgrad von fast 100 Prozent, hat aber in diesem Sektor nie einen Streik auf die Beine gestellt. Hingegen sei es RMT auf Anhieb gelungen, die Reinigungskräfte zu organisieren und für den London Living Wage zu streiken.

Die UVW Union wurde vor drei Jahren gegründet, weil man nur als Gewerkschaft das Recht hat, die Arbeiter am Arbeitsplatz zu vertreten. Zudem genießen Gewerkschaftsmitglieder gewisse Schutzrechte und dürfen legale Streiks durchführen. Allerdings werden Gewerkschaften sehr viel stärker als Unternehmen staatlich reguliert und müssen sich an zahlreiche Richtlinien halten, die ihnen dezidiert vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Inzwischen ist die UVW Union auf rund tausend Mitglieder gewachsen und ist in einem Netzwerk mit zahlreichen Gruppen verbunden, die sie unterstützen. Obgleich sie keine Werbung betreibt, bekommt sie rasch neue Mitglieder, was auf eine enorme Nachfrage schließen läßt. Der überwiegende Teil ihrer Tätigkeit beruht auf freiwilliger Arbeit, erst vor wenigen Monaten wurden vier bezahlte Stellen mit 10 Pfund Stundenlohn geschaffen, davon nur eine in Vollzeit. Die Mitgliedsbeiträge sind je nach Einkünften in 6, 8 und 10 Pfund im Monat gestaffelt. Zudem gibt es Unterstützer, die einen Solidaritätsbeitrag leisten, und Finanzaufrufe bei bestimmten Kampagnen wie Streiks.

Die UVW Union ist basisdemokratisch strukturiert, es gibt öffentliche monatliche Treffen, bei denen alle Mitglieder stimmberechtigt sind. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Exekutivkomitee, das dementsprechend gewählt wurde, jedoch über keinerlei Machtbefugnisse verfügt und im wesentlichen für Verwaltungsaufgaben zuständig ist. Steht in einem Betrieb ein Konflikt an, haben die dort Beschäftigten die Entscheidungshoheit. Es sei die Pflicht der Gewerkschaft, sie zu unterstützen, wobei es sich um eine Entscheidung von unten nach oben, ausgehend von den Betroffenen, handle. Abgesehen davon ermutige die UVW die betrieblichen Gruppen, Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Den ersten Schritt unternehmen die betroffenen Arbeiter, unabhängig davon, ob sie Mitglieder sind oder nicht. Kommt es zum Arbeitskampf, wird ein Komitee gebildet, dem Betroffene, aber auch Mitglieder anderer Gewerkschaften angehören. Die Arbeitsgruppen der Kampagnen bleiben oftmals in der Gewerkschaft aktiv, so daß man von einer fluiden Struktur der Vernetzung sprechen könne.

Es gibt noch einige weitere kleine Gewerkschaften, die sich für Migrantinnen und Migranten einsetzen, wobei diese Organisationen teilweise eine gemeinsame Geschichte verbindet. Die UVW Union arbeitet in konkreten Kampagnen mit allen zusammen, die mitmachen wollen, um das jeweilige Ziel zu erreichen. Eine Verbindung zu bestimmten Parteien der Linken, die aktiv gefördert würde, hat sie nicht. "Die großen Gewerkschaften hassen uns, was uns aber egal ist. Sie verhalten sich feindselig und ignorieren zugleich die Interessen der Arbeiter", so Petros. Die UVW werde jedoch auf lokaler Ebene von zahlreichen Gewerkschaftern wie auch Gruppen von Aktivistinnen unterstützt.

Streikaufruf der russischen Trucker

Als die Delegation aus London ihr Interesse an einem Austausch unterstrich, berichtete Dieter Wegner von der Gewerkschaftslinken vom Besuch einiger Trucker aus Rußland, die vor wenigen Tagen zu Gast in Hamburg gewesen waren. Bis vor eineinhalb Jahren habe es noch keine Organisation der kleinen selbständigen Trucker gegeben, die nun zwangsweise an große Konzerne angeschlossen werden sollen. Es wurden Steuern erhoben und eine Maut eingerichtet, so daß diese Lastwagenfahrer vor dem Untergang stehen. 40 Trucker hatten in Moskau ein Camp eingerichtet, das von der Polizei scharf überwacht wurde. Hunderte weitere Trucker im Großraum Moskau streikten mit, und inzwischen wurde eine Organisation gegründet, die auch andere Streikende wie Taxifahrer und Bauern unterstützt. Zehntausende haben sich organisiert, vom 27. März an soll in ganz Rußland ein Streik durchgeführt werden, zu dem Trucker, Taxifahrer und Bauern aufgerufen worden sind.

Darüber werde so gut wie nicht in der deutschen Presse berichtet, so Wegner. Die Hamburger Gewerkschaftslinke hat einen Beitrag auf ihre Homepage gestellt und wird weiter darüber berichten. [5] In den letzten Jahren habe es in Rußland zwar viele politische Proteste, aber keine größeren Streiks gegeben. Wie die Trucker berichtet hätten, setzen sie keine Illusionen mehr in die Regierung, die Parteien und die Staatsgewerkschaft. Sie vertrauten nur auf sich selbst und ihre eigene Kampfbereitschaft.


Gruppenfoto mit Transparent - Foto: © 2017 by Schattenblick

UVW-Delegation und Gewerkschaftslinke
Foto: © 2017 by Schattenblick

Frischer Wind an der Basis

Wer mit Gewerkschaften - ob zu Recht oder Unrecht - eine eher saturierte, trockene und kompromißbereite Grundstimmung assoziiert, fand sich beim Besuch der Londoner UVW Union vom frischen Wind eines kämpferischen Engagements belebt. In vorderster Front und Seite an Seite mit jenen Menschen zu kämpfen, die im wahrsten Sinne des Wortes als modernes Proletariat über geringste materielle Mittel und Rechte verfügen, zeigt eine Seite gewerkschaftlicher Basisarbeit, die mit Fug und Recht beispielhaft und richtungsweisend genannt werden kann.


Fußnoten:

[1] https://gewerkschaftslinke.hamburg

[2] https://www.uvwunion.org.uk

[3] https://www.uvwunion.org.uk/harrods/

[4] https://www.uvwunion.org.uk/justiceforlsecleaners/

[5] https://gewerkschaftslinke.hamburg/2017/03/24/montag-27-3-beginnt-der-grosse-streik-der-russischen-trucker/


28. März 2017


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