Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REPORT

INTERVIEW/136: Ecuador offensiv - Mastkorbhorizonte (SB)


Interview mit Kommandeur Amilcar Villavicencio Palacios, Kapitän des ecuadorianischen Segelschulschiffs Guayas, am 31. August in Bremen



Ecuador, das nur 15 Millionen Einwohner hat und sicherlich nicht zu den reichsten Staaten der Erde gehört, leistet sich dennoch eine schlagkräftige Marine. Die 7258 Männer und Frauen zählenden Marineststreitkräfte Ecuadors verfügen über zwei Fregatten, sechs Korvetten, zwei in Deutschland gebaute, dieselbetriebene U-Boote, drei Schnellboote und acht Versorgungsschiffe. Aushängeschild und Stolz der ecuadorianischen Marine ist das Segelschulschiff Guayas. Die 78 Meter lange Bark mit einer Verdrängung von 1250 Tonnen wurde im spanischen Bilbao gebaut, lief 1976 vom Stapel und ging 1977 als Botschafter Ecuadors in den Dienst. Seitdem hat die Guayas mit ihrer 155köpfigen Besatzung, darunter 80 Seekadetten, alle Kontinente besucht - die Antarktis ausgenommen. Sie nimmt jedes Jahr an den Regatten der Tall Ships teil. 1980 gewann der Dreimaster den Atlantikpokal Cutty Sark und 2007 im Mittelmeer die Freundschaftstrophäe.

Nach Ende der Tall-Ships-Regattasaison 2012 machte die Guayas in Bremen Station, um die Freundschaft und die langjährigen Handelsbeziehungen Ecuadors mit der Hansestadt - Stichwort Bananen - zu feiern wie auch für die große Umweltinitiative um den Yasuni-Nationalpark zu werben. Am Rande des Empfangs auf der Guayas in Bremens Europahafen nahm sich Schiffskommandant Amilcar Villavicencio Palacios, unterstützt durch die Dolmetscherkünste Fernando Xavier Bucelis von der Botschaft Ecuadors in Berlin, die Zeit für ein kurzes Interview mit dem Schattenblick.

Die Guayas im Europahafen liegend - Foto: © 2012 by Schattenblick

Das Segelschulschiff Guayas
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Kapitän Villavicencio, könnten Sie uns bitte die Bedeutung der Marine im Rahmen des nationalen Verteidigungskonzepts Ecuadors erläutern?

Amilcar Villavicencio Palacios: Im Vergleich zu anderen Staaten spielt die Marine Ecuadors für die Sicherheit und Souveränität unseren Landes eine besonders wichtige Rolle. Das ecuadorianische Staatsterritorium erstreckt sich über ein nicht geringes Seegebiet im östlichen Pazifik. Wir haben eine mehr als 2000 Kilometer lange Küste auf der Pazifikseite des südamerikanischen Kontinents. Darüber hinaus gehören uns die Galapagosinseln, die 525 Seemeilen vom ecuadorianischen Festland entfernt liegen. Der ecuadorianischen Marine obliegt die Verantwortung, in dieser Region für Sicherheit zu sorgen und die dort befindlichen Naturressourcen Ecuadors - Fischbestände et cetera - zu schützen. Wir sind auch zur Stelle, wenn Fischerboote oder Schiffe der Handelsmarine in Seenot geraten. Ähnlich wie Deutschland, Frankreich oder Spanien möchten wir auch die wirtschaftliche Entwicklung in unseren Küstengewässern - Aquakultur, Windkraft und ähnliches - fördern. Das will alles geschützt werden. Das Meer ist nicht nur als Quelle des Lebens wichtig. Man darf nicht vergessen, daß auf See viele Kriege angefangen haben und entschieden wurden.

SB: Die Guayas steht weit länger im Dienst Ecuadors als Präsident Rafael Correa an der Staatsspitze. Präsident Correa hat viele Dinge in Ecuador verändert und reformiert. Inwieweit hat seine Politik Auswirkungen auf die Sicherheitskräfte und das Verteidigungskonzept Ihres Landes gehabt?

AVP: Präsident Correa ist ein Mann mit großen Ideen. Er will das Land entwickeln, und um das zu schaffen, möchte er bei den Menschen in Ecuador ein neues Denken auslösen. Für Präsident Correa ist die Würde des einzelnen Menschen unabhängig seiner Herkunft das Wichtigste überhaupt. Daher sein Eintritt für die Meinungsfreiheit im Falle Julian Assanges. Die idealistische Position, die Präsident Correa vertritt, verschafft Ecuador in der ganzen Welt Respekt und macht seine Bürger stolz. Präsident Correa ist ein junger Mann, der Ecuador entwicklungspolitisch voranbringen will. Sein erklärtes Ziel, das alle ein Leben in Frieden und Würde führen können, wird von den Bürgern Ecuadors geteilt. Mit dem politischen Wandel sind viele Menschen zufrieden. Die Guayas trägt die Botschaft Ecuadors von der nachhaltigen Entwicklung und der Wahrung der Würde des Menschen und sein Recht, in Frieden zu leben, in die ganze Welt.

Kapitän Villavicencio im Porträt - Foto: © 2012 by Schattenblick

Master & Commander Amilcar Villavicencio Palacios
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Vor zwei Jahren hat die Regierung in Quito die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika zur Räumung ihres Stützpunktes im ecuadorianischen Manta gezwungen. Sind die Angehörigen der Streitkräfte Ecuadors mit dieser Entwicklung glücklich? Halten die Soldaten und Offiziere den Unabhängigkeitskurs von Präsident Correa für richtig, oder gibt es vielleicht welche, welche die amerikanische Militärpräsenz noch gern im Lande hätten?

AVP: Als Mitglieder der Streitkräfte steht es uns gar nicht zu, über die Entscheidungen der politischen Führung glücklich oder traurig zu sein. Der Präsident ist vom Volk gewählt worden, um aufgrund seiner Beurteilung der nationalen Interessen die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Er ist auch Oberbefehlshaber der Boden-, Luft- und Seestreitkräfte. Als Angehörige dieser Streitkräfte erfüllen wir unsere verfassungsmäßige Pflicht, indem wir die Entscheidungen des Präsidenten respektieren und seine Befehle ausführen.

SB: Traditionell wird in den Ländern Lateinamerikas das Offizierkorps, insbesondere bei der Marine, von Menschen europäischer Herkunft dominiert. Die Politik von Präsident Correa ist sehr stark darauf ausgelegt, die Gleichberechtigung durchzusetzen und die einheimischen Völker, die lange Zeit benachteiligt wurden, gesellschaftlich voll zu integrieren. Wie sieht es bei der ecuadorianischen Marine aus? Hat man bei Ihnen die Integration und die Gleichberechtigung der verschiedenen Volksgruppen bereits verwirklicht?

AVP: Bei der Marine Ecuadors gibt es keine Volksgruppen. Bei uns gibt es nur die eine Gruppe, die aus gleichberechtigten Bürgern Ecuadors besteht. Wir setzen in der Marine den gesellschaftlichen Fortschritt in die Tat um und damit der Unterdrückung der einen Gruppe durch die andere ein Ende. Bei uns segeln auch weibliche Kadetten als Crewmitglieder und Offiziere mit. Alles kein Problem.

SB: Vielen Dank, Kapitän Villavicencio, für das Interview.

Interviewszene im Salon der Guayas - Foto: © 2012 by Schattenblick

Fernando Xavier Bucelis, SB-Redakteur, Kapitän Villavicencio Foto: © 2012 by Schattenblick

9. Oktober 2012