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INTERVIEW/137: Kapitalismus final - Grenzen Presse Kesseltreiben (SB)


Karin Leukefeld über Pressearbeit in Syrien und aktuelle Entwicklungen

Interview am 18. September 2012 in Hamburg-Eimsbüttel



Die Journalistin Karin Leukefeld berichtet aus dem Nahen und Mittleren Osten und dabei in jüngerer Zeit vor allem aus Syrien. Am Rande einer Veranstaltung der Reihe "Kapitalismus in der Krise" [1], auf der sie unter dem Titel "Revolution oder Regime Change?" über die historischen Hintergründe, sozialen Widersprüche und geopolitische Motivlagen des Konflikts in Syrien berichtete, beantwortete sie dem Schattenblick einige Fragen.

Im Gespräch - Foto: © 2012 by Schattenblick

Karin Leukefeld
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Frau Leukefeld, häufig wird der Eindruck erweckt, daß man aus Syrien keine gesicherten Informationen erhalten könnte, weil kaum jemand im Land wäre, der neutral berichtet. Abgesehen von Ihren eigenen Beiträgen, wie präsent ist die internationale Presse in Syrien?

Karin Leukefeld: Für mich ist das insofern eine andere Situation, als ich einen syrischen Presseausweis besitze. Diese Akkreditierung hatte ich 2005 beantragt und mußte fast fünf Jahre darauf warten, ehe ich sie dann 2010 überraschend bekam. Sie wird dann jährlich verlängert. Dadurch kann ich ein- und ausreisen und mich im Land wie syrische oder andere Kollegen, die dort akkreditiert sind, bewegen. Sonst gilt für Journalisten, daß sie ein Journalistenvisum bei der syrischen Botschaft ihres Landes beantragen müssen. Es dauert manchmal, bis man eines bekommt. Früher galt das Journalistenvisum jeweils für sieben, zehn oder vierzehn Tage und konnte dann eventuell verlängert werden.

In Verbindung mit dem Konflikt in Syrien gab es am Anfang große Probleme, überhaupt ein Journalistenvisum zu bekommen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde die Berichterstattung der großen Nachrichtensender Al Jazeera, Al Arabiya und BBC, die Büros in Damaskus haben, von der syrischen Regierung kritisiert oder für nicht ausgeglichen erachtet. Daraufhin wurden sie des Landes verwiesen. Danach war es für Journalisten fast unmöglich, ein Journalistenvisum zu bekommen, wobei ich sagen muß, daß dies vor allen Dingen für westliche Journalisten galt. Inzwischen hat sich die Situation im Rahmen der Beobachtermission der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen geändert, denn ein Teil der Vereinbarung bestand darin, daß Journalisten einreisen dürfen.

Allein im Gefolge der arabischen Liga sind seitdem ungefähr 200 Journalisten ins Land gekommen. Im Anhang des Berichts der Beobachtermission ist eine Liste aufgeführt, anhand derer man genau sehen kann, welche Journalisten dazugehören. Im Augenblick sind von den deutschen Medien ARD, ZDF und Süddeutsche Zeitung in Syrien präsent und bekommen für ihre Journalisten ein Visum, das auch verlängert wird. Das geht relativ rasch. Auch die FAZ hat einen Reporter dort gehabt. Sie sind regelmäßig im Land und können dann in Zusammenarbeit mit dem Informationsministerium ihre Themen bearbeiten. Das heißt, sie beantragen zum Beispiel, ein Gefängnis zu besuchen, in eine Stadt zu reisen oder in eine Moschee zu gehen. Das wird dann für sie organisiert, und es funktioniert auch, aber dennoch beklagen sie sich darüber, daß sie sich kontrolliert fühlen und nicht frei berichten können.

SB: Diese Klage klingt auch in den Berichten hierzulande immer wieder durch. Da zumindest in Teilen des Landes Krieg geführt wird, stellt sich die Frage, ob Reporter überhaupt in der Lage wären, außerhalb einer administrativen Struktur frei zu agieren, ohne sich dabei zu gefährden?

KL: Natürlich ist es gefährlich, wenn man in Regionen fährt, in denen gekämpft wird. Ich war zum Beispiel mit einer offiziellen Journalistenreise in Homs. Im Bus waren die Journalisten unglaublich nervös, übrigens auch die Begleiter des Informationsministeriums, denn gerade zwei Wochen zuvor waren ein französischer Journalist und acht Syrer dort bei einem Granatwerferangriff getötet worden. Auch als wir ins Zentrum der Stadt kamen, wurde ständig geschossen. Alle setzten ihre Helme auf und zogen ihre schußsicheren Westen an. Danach sind sie alleine herumgelaufen und haben Interviews gemacht. Da hat niemand neben ihnen gestanden.

Wenn man heute nach Aleppo fährt oder in ein Gebiet, von dem man genau weiß, daß dort gekämpft wird, besteht immer Lebensgefahr. Aber man kann es machen. Ich weiß von britischen, französischen und spanischen Kollegen, die es gemacht haben. Sie müssen dann aber damit rechnen, in Bedrängnis zu kommen. Das Informationsministerium empfiehlt, möglichst nicht in diese Region zu fahren. Nicht, weil sie es unbedingt verhindern wollen, sondern aus Gründen der Sicherheit, und weil sie nicht wollen, daß ausländische Journalisten verletzt oder gar getötet werden. Dann gibt es noch Journalisten, die mit den Aufständischen illegal von der Türkei oder vom Libanon aus über die Grenze kommen. Das ist ein Geschäft. Sie bezahlen viel Geld dafür.

SB: Die Rebellen verkaufen solche Leistungen?

KL: Ja. Ich weiß von einem Kollegen, der sich vom Libanon aus nach Homs einschmuggeln ließ. Er hat dafür 1.500 Dollar bezahlt.

SB: Ist in dem Angebot auch eine Art Schutz durch die Rebellen enthalten?

KL: Sie stellen zumindest Begleitung in Aussicht. Aber bei einem Angriff gibt es diesen Schutz natürlich nicht.

SB: Hat es während der Zeit, als Sie mit wenigen deutschen Journalisten in Syrien waren, Anfragen von deutschen Medien gegeben, die Ihre Berichterstattung übernehmen wollten?

KL: Ich arbeite auch für den ARD-Hörfunk, und im vergangenen Jahr wurde ich relativ häufig aus Damaskus interviewt oder konnte meine Rundfunkreportagen dann hier in Deutschland produzieren und veröffentlichen. Auch der Deutschlandfunk hat sich an mich gewandt und Interviews gemacht, aber Anfang dieses Jahres hat das aufgehört, obwohl ich seit zehn Jahren für sie arbeite. Seit Jahresbeginn ist die Situation in Syrien sehr schwierig geworden. Damals hat der Korrespondent der ARD kein Einreisevisum bekommen, und so fragte mich der SWF aus Stuttgart, ob ich für sie Aufnahmen machen könnte. Ich habe das dann vorbereitet, aber der Korrespondent hat nachher sein Visum bekommen und es dann selber gemacht.

SB: Kann man sagen, daß die Auswahl von Korrespondenten und das, was publiziert wird, in gewissem Ausmaß durch die politische Einstellung der Sender bestimmt ist? Gibt es Ihrer Meinung nach überhaupt eine Unabhängigkeit in der Berichterstattung?

KL: Unser Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist eigentlich zur Unabhängigkeit verpflichtet, und die Kollegen, die dort arbeiten, sollen umfassende Recherchen machen. Aber ich denke, wegen der Situation in Syrien gelingt das nicht immer so, wie es vielleicht sein sollte.

SB: In westlichen Medien herrschte lange Zeit eine gegen die syrische Regierung gerichtete Stimmung vor. Inzwischen kommt man allerdings nicht mehr umhin, einzugestehen, daß auch die Rebellen schwere Menschenrechtsverletzungen begehen und nicht minder brutal sind, als es den Regierungstruppen unterstellt wird. Findet da tatsächlich eine Art Gesinnungswandel in den Redaktionen statt?

KL: Die Berichte vor allen Dingen von den englisch- und französischsprachigen Medien, die bei uns im wesentlichen wahrgenommen werden, lassen sich nicht mehr ignorieren. Daneben gibt es noch die arabischen Leitsender Al Jazeera und Al Arabiya und natürlich auch russisches, chinesisches und spanisches, also lateinamerikanisches Informationsmaterial, das hier aber relativ wenig berücksichtigt wird. Doch in der englischsprachigen Presse tauchen viele kritischere Berichte über die Ereignisse in Syrien auf, und ich denke, daß die hiesigen Medien daran nicht mehr vorbeikommen. Man muß allerdings einräumen, daß es innerhalb der Bundesrepublik natürlich auch Wissenschaftler und Journalisten wie zum Beispiel Herrn Todenhöfer gibt, der eine dezidiert andere Position vertritt und auch die Möglichkeit hat, diese zu publizieren. In gewisser Weise gilt er als anerkannte Autorität auf diesem Gebiet. Man muß aber ganz klar sagen, daß die sehr einseitige Sichtweise über vieles, was geschehen ist, leider dazu beigetragen hat, daß sich die Lage in Syrien unglaublich verschlechtert hat.

Karin Leukefeld - Foto: © 2012 by Schattenblick

Sachkundig und unerschrocken in politisch prekärem Gelände
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Die Bundesregierung ist politisch initiativ geworden, um die Lage nach dem erwünschten Regimewechsel in ihrem Sinne zu beeinflussen. Was unter dem Titel "The Day After" bekanntgeworden ist, sieht danach aus, als ob schon festgefügte Pläne in diese Richtung existieren. Könnten Sie sich vorstellen, daß sich das noch einmal ändert und man neu darüber nachdenkt?

KL: Wenn ich in Deutschland bin, frage ich in der syrischen Botschaft nach, und wenn ich in Damaskus bin, frage ich meine Gesprächspartner, ob das Auswärtige Amt Kontakte pflegt. Deutschland war sehr präsent in Syrien und unterhielt viele Projekte dort mit verschiedenen Kooperationspartnern. Aber inzwischen herrscht Schweigen aus Berlin gegenüber den Syrern vor. Das ist ein schlechtes Zeichen. Dieses Projekt "The Day After" bezeichnet sich selber als Nichtregierungsorganisation. Es setzt aber im Grunde erst nach der Zerstörung Syriens an. Das ist für mich eine ganz unproduktive Herangehensweise, sozusagen abzuwarten, bis alles zerstört ist, um erst dann einzugreifen.

Die Syrer vor Ort, mit denen ich über dieses Projekt gesprochen habe, sagten mir, wir können nicht warten, bis alles zerstört ist, um unser Land dann neu aufzubauen. Unsere Aufgabe ist, jetzt alles dafür zu tun, daß sich etwas ändert. Ich denke, daß die Politik der Bundesregierung an diesem Punkt sicherlich nicht die Vorgehensweise an den Tag legt, die sie verantwortungsbewußt verfolgen müßte, um ihre guten Kontakte nach Syrien in einer produktiven und Gewalt und weitere Zerstörung verhindernden Weise einzusetzen. Ich glaube, da ist Kritik berechtigt.

SB: Heute hat ein General der Freien Syrischen Armee (FSA) laut einer Meldung gefordert, daß ausländische Kämpfer das Land verlassen sollen, weil niemand ein zweites Afghanistan mit einem langen Krieg unter den verschiedenen ausländischen Fraktionen haben wolle. Wie sieht ihrer Ansicht nach die Situation unter den Rebellen aus? Kann man von größeren Machtkämpfen unter ihnen ausgehen?

KL: Ja, es gibt sehr viele verschiedene Gruppen und ganz eindeutig herrscht die Situation vor, daß die einheimischen syrischen Kämpfer diesen ausländischen Söldnern unterlegen sind, sowohl hinsichtlich der Waffen, Ausbildung als auch militärischen Erfahrung. Nun will der Westen ja die Freie Syrische Armee unterstützen. Man weiß zwar, daß die USA neben England und Frankreich Waffen liefern wollen, aber eben nicht an Jihadisten, Salafisten oder an die ausländischen Söldner, sondern sozusagen nur an die guten Kämpfer der FSA. Ich denke, daß sie jetzt vermutlich eine Differenzierung vornehmen müssen, um Waffenlieferungen an die FSA zu rechtfertigen. Weil die syrischen Kämpfer diesen Söldnern unterlegen sind, ist es dazu gekommen, daß sich syrische Kampfgruppen den Söldnern angeschlossen haben, weil diese einfach stärker sind. Wer sich ihnen nicht anschließen will, muß gehen oder wird vertrieben. Und die anderen schließen sich den Söldnern an, weil sie Geld bekommen und sich besser aufgehoben fühlen. Das ist dem Westen, der ebenfalls die FSA unterstützen will, sicherlich ein Dorn im Auge.

SB: Die Hamas hat lange Jahre in Damaskus ihre politische Vertretung gehabt, sich aber inzwischen gegen Assad gestellt. Zumindest gab sie in einer Erklärung bekannt, daß sie sich auf die Seite der Rebellen schlägt. Welche Position nehmen andere palästinensische Gruppen wie etwa die PFLP ein und wie wirkt sich das auf die Strategie Syriens aus, die Unterstützung der Palästinenser als Faustpfand in Verhandlungen mit Israel einzusetzen?

KL: Die Hamas ist als Organisation gespalten. Es gab zwar offizielle Erklärungen, zum Beispiel vom stellvertretenden Leiter der Hamas in Gaza, der ganz klar zur Unterstützung des Aufstandes in Syrien aufgerufen hat. Es gab Palästinenser, die ihn auch logistisch und militärisch unterstützt haben und von syrischen Kräften beim Schmuggeln von Waffen gestellt worden sind. Aber andere hochrangige Vertreter der Hamas haben das nicht begrüßt. Durch diese Gespaltenheit war die Lage für die Hamas in Damaskus schwierig geworden. Dann kam von syrischer Regierungsseite die klare Ansage an die Hamas, daß eine Unterstützung der Rebellen nicht geduldet werden kann. Daraufhin haben sich die Palästinenser zurückgezogen. Gleichzeitig kam ein Angebot aus Katar und Saudi-Arabien an die Hamas, beim Grenzkonflikt mit den Ägyptern in Gaza zu vermitteln. Sie sind sozusagen angelockt und schließlich nach Doha eingeladen worden.

Sie waren auch in Riad, und ich glaube, Khaled Mashaal ist jetzt in Kairo, auch wenn er in der Öffentlichkeit nicht auftritt. Fest steht jedenfalls, daß die Palästinenser in Hinsicht auf Syrien gespalten sind. Die PFLP vertritt die eindeutige Position, sich nicht einzumischen. Das trifft übrigens auch für die DFLP zu. Beide Organisationen nehmen die gleiche Position ein und sagen, das ist nicht unser Kampf. Wir sind in Syrien aufgenommen worden und haben keinen Grund, gegen dieses Regime vorzugehen. Sie arbeiten politisch daran, sich nicht in diese Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen. Aber die palästinensische Bevölkerung hilft den Vertriebenen. Ich habe in Yarmouk eine Schule besucht, in der Familien untergebracht waren und von Volkskomitees der Palästinenser betreut wurden. Gleichzeitig war es so, daß die Flüchtlingslager selber bzw. die Wohngebiete der Palästinenser ruhig waren. Es gab zwar Meldungen von Übergriffen, aber in der Zeit, als ich dagewesen bin und auch zweimal das Lager in Yarmouk besucht habe, war davon nichts zu merken. Sie haben mir gesagt, wir beteiligen uns nicht an den Konflikt, werden aber provoziert. Auf die Rolladen der Geschäfte in der Hauptverkehrsstraße wurde gesprüht: "Schließen oder Streik oder es brennt." So werden die Leute unter Druck gesetzt, daß sie sich diesem Aufstand anschließen sollen, aber es hat keinen großen Erfolg.

SB: Es sah eine ganze Zeit danach aus, als ob Israel mit der syrischen Regierung einen relativ verläßlichen Verhandlungspartner und trotz aller Spannungen einen stabilen Nachbarn hatte. Nun scheint der Punkt gekommen zu sein, wo sich die israelische Regierung in die auf einen Regimewechsel zielende Strategie eingereiht hat. Oder hat man in Israel den Sturz Assads von Anfang an betrieben?

KL: Nein. Israel hat ziemlich lange gewartet, sich öffentlich zu äußern, wobei die israelische Regierung wohl von Anfang an zweigleisig gefahren ist. Einerseits gab es Forderungen an Europa und die USA, Assad nicht so unter Druck zu setzen, aber auf der anderen Seite haben sie den Kontakt zur syrischen Opposition gesucht. So gab es in Paris eine Konferenz, die unter dem Titel "SOS Syrie" von dem französischen Publizisten und Philosophen Bernard-Henri Lévy ausgerichtet wurde. Er hatte mit einer Reihe bekannter zionistischer Persönlichkeiten in Frankreich zu diesem Treffen geladen, und dort wurde zur Unterstützung der syrischen Opposition aufgerufen. Nach internen Recherchen eines Kollegen, der lange zur Beziehung zwischen Israel und der syrischen Opposition im Ausland geforscht hat, gibt es enge Verbindungen zwischen einzelnen Personen des Syrischen Nationalrates, Bassma Kodmani beispielsweise, und israelischen Unterhändlern. Kodmani hat den syrischen Nationalrat inzwischen verlassen und sich einem syrischen Forum der Geschäftsleute angeschlossen, aber sie hat sich auch in der Öffentlichkeit ganz klar zu Israel geäußert. Außerdem gibt es Gespräche zwischen Leuten, die die FSA beraten, und israelischen Militärs.

SB: Wenn unter westlichen Strategen vom sogenannten schiitischen Halbmond die Rede ist, sind damit meist der Iran, Syrien und die Hisbollah im Libanon gemeint. Kann man den Irak mit seiner mehrheitlich schiitischen Regierung in diese Kategorie einreihen?

KL: Ja, es wird auch Druck auf die Regierung in Bagdad, die selber genügend Probleme hat und genügend Probleme produziert, ausgeübt, vor allem auf den Regierungschef Maliki, keine Unterstützung wirtschaftlicher oder militärischer Art für Syrien zu leisten. Im Augenblick ist der Irak von allen Nachbarländern der größte Handelspartner für Syrien. Der Irak kauft sehr viele landwirtschaftliche Produkte aus Syrien, während in die andere Richtung raffinierte Erdölprodukte, die Syrien braucht und früher von Europa bekommen hat, geliefert werden. Die US-Regierung hat Bagdad unter Druck gesetzt, keine iranischen Flugzeuge über ihren Luftraum fliegen zu lassen, die möglicherweise Waffen oder Kommunikationstechnologie an Syrien liefern könnten. Bagdad hat sich aber geweigert, und damit hat die irakische Regierung sehr eindeutig Position bezogen.

SB: In der Linken hierzulande wird darüber gestritten, inwiefern und mit welchen Mitteln man die syrische Opposition unterstützen sollte?

KL: Wenn man die Zivilgesellschaft in Syrien unterstützen will, dann muß man ins Land gehen und mit den Strukturen, die vor Ort bestehen, zusammenarbeiten oder sollte wenigstens darauf hinarbeiten, daß sie gestärkt werden, denn es gibt sie durchaus. Aber Geld in ein Land zu pumpen, das sich in einem Kriegszustand befindet, gefährdet die Personen, die es annehmen, und bringt sie in ihrem Umfeld in vielerlei Hinsicht in Mißkredit. Diese Personen entfernen sich dann auch von der genuinen Entwicklung innerhalb des Landes, weil sie sich zu sehr auf ihre Geldgeber im Ausland orientieren. Das ist aus vielerlei Gründen kontraproduktiv und unterstützt nicht die realen Ansätze, die es im Land wirklich gibt und die es schon gegeben hat, bevor es zu diesen Unruhen kam. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt.

SB: Frau Leukefeld, Sie haben die Region des Nahen und Mittleren Osten über Ihr Interesse an der kurdischen Befreiungsbewegung entdeckt. Könnten Sie etwas zu Ihrem beruflichen Werdegang sagen?

KL: 1982 war der Putsch in der Türkei, und danach sind sehr viele Türken und Kurden nach Deutschland gekommen. Viele von ihnen haben im Gefängnis gesessen oder sind vor den Militärs geflohen. In dieser Zeit gab es eine sehr aktive Zusammenarbeit mit Migranten in Bonn, wo ich damals gelebt habe. Diese Initiative nannten wir Solidarität mit Ausländern. So habe ich viele Leute kennengelernt, auch Kurden. Seinerzeit war die kurdische Befreiungsbewegung PKK gerade gegründet worden. Ich habe mich sehr dafür interessiert und gleichzeitig auch viel über die Geschichte der türkischen Linken gelernt. Es gab enorme Konflikte zwischen Kurden und Türken einerseits und unter den Linken andererseits. Nachdem ich viel zu den Kurden recherchiert habe und in der Türkei gewesen bin, entschied ich mich dazu, ein Buch über die kurdische Geschichte zu schreiben. Da nicht nur in der Türkei, sondern auch im Iran, Irak und Syrien Kurden leben, bin ich auch in diese Länder gereist.

Im Irak war ich insbesondere in den nördlichen Kurdengebieten und erfuhr dort, daß ungefähr eine Million Kurden in Bagdad leben. In Bagdad habe ich weiter recherchiert und bin dort auch mit den Auswirkungen der UN-Sanktionen gegen den Irak konfrontiert worden. Darüber habe ich aus dem Irak berichtet. So kam es, daß ich auch am 11. September 2001, als die Kriegsdrohung im Raum stand, in Bagdad war. So hat sich meine berufliche Karriere weiter entwickelt. Ich wurde dann Mittelost-Korrespondentin, und es gab sehr viele Nachfragen, weil kaum deutsche Journalisten vor Ort waren. Bis dahin habe ich immer noch in Deutschland gearbeitet und bin nur zu Recherchen in den Nahen Osten gereist. Schließlich habe ich mich entschieden, nur noch freiberuflich ohne Netz und doppelten Boden, zu arbeiten und habe das jetzt schon zwölf Jahre durchgehalten.

SB: Frau Leukefeld, vielen Dank für dieses Gespräch.

[1] http://www.kapitalismus-in-der-krise.de/

Beim Interview - Foto: © 2012 by Schattenblick

Im Gespräch mit SB-Redakteur
Foto: © 2012 by Schattenblick

12. Oktober 2012