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INTERVIEW/188: Obamas Amerika - Iran am Hofe der Weltmacht, Emad Kiyaei im Gespräch (SB)


Interview mit Emad Kiyaei am 16. August 2013 in Princeton



Seit dem Sturz des Schahs 1979 im Zuge der islamischen Revolution im Iran ist das Verhältnis zwischen Washington und Teheran nachhaltig gestört. Von 1980 bis 1988 unterstützten die USA den Irak militärisch im Krieg gegen den Iran. Seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 infolge des Einmarsches angloamerikanischer Streitkräfte in den Irak gilt der Iran als größte Bedrohung für die US-Interessen im Nahen Osten. Gegen die Dämonisierung des Irans und für eine Verständigung zwischen Teheran und Washington setzen sich seit einigen Jahren in den USA die Vertreter des American Iranian Council ein. Am 16. August sprach der Schattenblick mit dem AIC-Leiter Emad Kiyaei in seinem Büro in der Universitätsstadt Princeton im US-Bundesstaat New Jersey.

Emad Kiyaei im Porträt - Foto: © 2013 by Schattenblick

Emad Kiyaei
Foto: © 2013 by Schattenblick

Schattenblick: Herr Kiyaei, könnten Sie uns etwas über Ihre eigene Geschichte und die des American Iranian Council sagen?

Emad Kiyaei: Ich entstamme einer iranischen Diplomatenfamilie und bin als Jugendlicher in Südafrika aufgewachsen. Ich spreche daher Farsi, Englisch und Afrikaans. 2007 bin ich in die USA gekommen, um an der School of Public and International Affairs (SUPI) der New Yorker Columbia University meinen Mastergrad in internationaler Politik mit den Schwerpunkten wirtschaftliche und politische Entwicklung sowie Konfliktlösung zu machen. Von 2009 bis 2011 arbeitete ich als Berater am Center for Conflict Resolution an der Columbia Universität. Seit Januar 2011 bin ich Exekutivdirektor des American Iranian Council und seit Februar 2012 Forscher an der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs an der Universität Princeton. Dort bin ich mit dem Programm Science and Global Security befaßt.

Der American Iranian Council ist 1997 als unabhängige Stiftung gegründet worden. Er bezieht keine Staatsgelder, weder von Washington noch von Teheran, sondern finanziert sich ausschließlich über Spenden von Unternehmen und Privatpersonen. Ziel der Stiftung ist es, zu einer Entspannung im Verhältnis zwischen den USA und dem Iran beizutragen, damit aus der Konfrontation kein Krieg entsteht und es, langfristig gesehen, irgendwann zu einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten kommt. Wir bieten ein Forum und organisieren Veranstaltungen, in denen amerikanische und iranische Politiker, Diplomaten, Militärs, Unternehmen und auch einfache Bürger auf ungezwungene Weise zusammenkommen und sich austauschen können. Zu den nicht unwesentlichen Erfolgen unserer Arbeit gehören die berühmte Rede Madeleine Albrights aus dem Jahr 2000, in der die damalige US-Außenministerin ihr Bedauern für den von der CIA geführten Sturz der Regierung des iranischen Premierministers Mohammed Mossadegh 1953 zum Ausdruck brachte, sowie 2012 die Freilassung der wegen illegalen Grenzübertritts vom Irak in den Iran verhafteten drei amerikanischen Bergwanderer Sarah Shourd, Shane Bauer und Joshua Fattal. Im Vorstand des AIC, der neben dem Sitz in Princeton dank einer Sondergenehmigung Washingtons auch ein Büro in Teheran unterhält, sind namhafte, erfahrene US-Staatsmänner und Nahost-Kenner wie Ex-Außenminister Cyrus Vance, Ex-UN-Botschafter Thomas Pickering und Ex-Botschafter Charles "Chas" Freeman, der bekanntlich Richard Nixon als Dolmetscher bei dessen historischer Reise nach China 1972 begleitete.

SB: Mit einem liberalen Demokraten namens Barack Obama im Weißen Haus und nach der Wahl des als gemäßigt geltenden Pragmatikers Hassan Rohani zum neuen iranischen Präsidenten im Juni scheinen die Bedingungen für einen Durchbruch in den US-iranischen Beziehungen greifbarer als noch vor Jahren zu sein. Was müssen beide Seiten tun, damit aus den Hoffnungen eines Rapprochements zwischen Teheran und Washington keine falsche Morgendämmerung wird?

EK: Megafondiplomatie zu vermeiden, dürfte das oberste Primat sein. Darüber hinaus muß man von der Fixierung auf den Atomstreit wegkommen. Die unterschiedlichen Positionen Teherans und Washingtons bezüglich des iranischen Atomprogramms sind bekannt. Die Iraner beharren auf ihrem Recht auf den Besitz aller Komponenten und Technologien des kompletten Nuklearkreislaufs, während die Amerikaner die Entstehung einer iranischen Kernwaffenkapazität strikt ablehnen. Mit vertrauensbildenden Maßnahmen wie zum Beispiel der Vereinbarung zusätzlicher Kontrollen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in den iranischen Atomanlagen dürfte der Streit beizulegen sein. Doch um einen Durchbruch bei den Atomgesprächen zu erzielen, müssen beide Seiten in anderen Bereichen aufeinander zugehen und beginnen, das gegenseitige Mißtrauen abzubauen.

Auch wenn es komisch klingen mag, machen es die Militärs beider Länder im Persischen Golf bereits vor. Vor allem wegen der Enge der Straße von Hormus, die ein Großteil des arabischen Öls für den Weltmarkt passiert, sind die Kommandeure der amerikanischen und iranischen Kriegsmarinen häufig im Kontakt, um Mißverständnisse und Schiffskollisionen zu vermeiden. Es geht nicht anders. Dadurch ist auf beiden Seiten, wenn schon keine Freundschaft, so doch zumindest ein kollegialer Respekt unter Berufsgenossen entstanden. Es kommt nicht von ungefähr, daß 2008 Admiral William Fallon wegen Kritik an der aggressiven Haltung der Regierung George W. Bush gegenüber dem Iran als CENTCOM-Chef und damit als Oberbefehlshaber aller US-Streitkräfte im Nahen Osten und Zentralasien zurücktreten mußte.

Eingangstür im georgischen Stil und Schild an der Princetoner Nassau Street - Foto: © 2013 by Schattenblick

Sitz des Programms Science & Global Security der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs an der Universität Princeton
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Inwieweit sind die nationalen Sicherheitsinteressen der USA und des Irans miteinander kompatibel?

EK: Ich sehe keinen Grund, warum sie es nicht sein sollten. Der Iran ist eine Regionalmacht, die USA sind die weltweit agierende Supermacht. Beide Staaten haben ein Interesse am reibungslosen Export von Öl und Gas aus der Region um den Persischen Golf. Teheran und Washington bekämpfen den Terrorismus, weshalb eine Zusammenarbeit in diesem Bereich für beide Länder sinnvoll wäre. Schon 2001 haben die Iraner den USA geholfen, die regierenden Taliban in Afghanistan zu stürzen, indem sie unter anderem den Kontakt zur afghanischen Nordallianz vermittelten. 2003 haben die USA mit Saddam Hussein einen der größten Feinde des Irans gestürzt. Über beide Entwicklungen war man in Teheran hocherfreut. Ein Problem besteht natürlich in der Animosität zwischen dem Iran und Israel, dem wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten. Dennoch glaube ich, daß eine Entspannung zwischen den USA und dem Iran auch zu einem Abbau des Mißtrauens zwischen Teheran und Tel Aviv führen könnte. Das wäre durchaus im Sinne der israelischen Sicherheitsinteressen. Und schließlich würde eine Beilegung der iranisch-israelischen Feindseligkeit bedeuten, daß Israel und die libanesische Hisb Allah nicht ständig auf Kriegsfuß stehen müßten.

SB: Hängt eine Normalisierung zwischen Washington und Teheran nicht auch von einer Verbesserung der Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ab?

EK: Ich denke schon. Seit einigen Jahren ist im Nahen Osten - Stichwort Syrien - eine blutige Verschärfung des Konfliktes zwischen Sunniten und Schiiten zu verzeichnen. Saudi-Arabien mit seiner strengen Auslegung des Korans und seiner Unterstützung für salafistische Gruppen in Syrien, im Irak und sonstwo auf der Welt betrachtet sich als sunnitische Führungmacht. Der Iran gilt als Schutzmacht der Schiiten und steht dem säkular-alewitischen Syrien als Verbündeter zur Seite. Darüber hinaus pflegt der Iran zur libanesischen Hisb Allah enge Beziehungen. Daher wäre eine Verständigung zwischen Saudi-Arabien, der Nummer eins unter den arabischen Golfstaaten, und dem Iran wünschenswert. Eine solche Verständigung ließe sich über einen offenen und ehrlichen Dialog erzielen.

SB: Die anhaltende politische Instabilität im Irak scheint der Dauerrivalität der USA und des Irans geschuldet zu sein. Stimmt dieser Eindruck oder überbewertet man damit die Auswirkung der US-iranischen Konfrontation auf das Zweistromland?

EK: Auch wenn sich der Iran und die USA gegenseitig mißtrauen, kann nicht übersehen werden, daß beide Seiten die derzeitige Regierung in Bagdad unter der Führung von Premierminister Nuri Al Maliki unterstützen. Die Spannungen und die anhaltende Gewaltwelle im Irak sind nicht zuletzt das Ergebnis des Sturzes der sunnitisch-dominierten Regierung Saddam Husseins durch die Amerikaner im Jahr 2003. Damit gelangte erstmals in der Geschichte des Iraks die schiitische Mehrheit an die Macht. Mit der historischen Veränderung kommen Iraks Sunniten, die neben den Kurden eine Minderheit in der Bevölkerung darstellen, nur schwer klar. Deshalb tritt der Iran für vertrauensbildende Maßnahmen ein, damit endlich im Irak alle - Kurden, Schiiten und Sunniten - die Zentralregierung in Bagdad akzeptieren und das Land vor dem Zerfall bewahrt wird. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang, wenn Saudi-Arabien den neuen Irak endlich anerkennen und diplomatische Beziehungen zu ihm aufnehmen würde. Das würde der Regierung in Bagdad zusätzliche Legitimität verschaffen und die sunnitischen Untergrundgruppen ins Abseits stellen.

Robertson Hall - ein von zahlreichen weißen Betonsäulen getragener, futuristischer Prachtbau der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts - Foto: © 2013 by Schattenblick

Die 1966 gebaute, von Minoru Yamasaki, Architekt der Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center, entworfene Robertson Hall, Hauptsitz der renommierten Woodrow Wilson School of Public and International Affairs der Universität Princeton
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Der sunnitisch-schiitische Konflikt hat inzwischen auch Syrien erfaßt. Wie könnte er beigelegt werden? Und wäre der Iran bereit, an der geplanten Friedenskonferenz in Genf teilzunehmen?

EK: Das Blutvergießen in Syrien erfüllt alle Iraner mit Trauer und Sorge. Teheran unterstützt die Regierung von Baschar Al Assad in Damaskus nicht zuletzt deshalb, weil es ein Chaos auf dem Territorium des heutigen Syriens befürchtet. Ein solches Szenario kann man sich nicht wirklich wünschen. Deshalb begrüßt der Iran den Vorstoß des russischen Außenministers Sergej Lawrow, auch Vertreter Teherans zu dem geplanten Friedensgipfel Genf II einzuladen. Als Nachbarland ist der Iran selbstverständlich bereit, seinen Beitrag zur Beilegung des militärischen Konfliktes in Syrien zu leisten.

SB: Das Aufbegehren der Schiiten in Bahrain, in den östlichen Provinzen Saudi-Arabiens und im Jemen (die Houthis) wird in den westlichen Medien häufig als Ergebnis iranischer Aufwiegelung kolportiert. Können die Forderungen der schiitischen Gemeinden in diesen drei Regionen innerhalb der existierenden Staatenordnung erfüllt werden? Wie könnte der Iran in dieser Angelegenheit helfen?

EK: Zunächst halten wir fest, daß es sich hier um drei ganz verschiedene Situationen handelt. In Bahrain stellt die schiitische Gemeinde die große Mehrheit der Bevölkerung. Ihr werden von der sunnitischen Herrscherfamilie Al Khalifa die demokratischen Rechte mit dem vorgeschobenen Argument vorenthalten, Bahrains Schiiten seien die fünfte Kolonne des Irans. Das ist natürlich Unsinn. Schiitische und sunnitische Bürger in Bahrain sind vor zwei Jahren nicht wegen eines Anschlusses irgendwann einmal an den Iran, sondern wegen Demokratie und Gleichberechtigung im Hier und Jetzt auf die Straße gegangen. Mit Hilfe eines großen Truppenkontingents aus Saudi-Arabien haben die sunnitisch-dominierten Sicherheitskräfte die Demokratiebewegung Bahrains brutal niedergeschlagen und ihre Anführer mit fadenscheinigen Begründungen inhaftiert und gefoltert. Der Iran ist eine demokratische Republik und unterstützt deshalb die Forderungen der Bürger Bahrains nach mehr Rechten. Zusammen mit dem Herrscherhaus soll dort die Möglichkeit eines größeren Mitspracherechts für den Einzelnen in den Angelegenheiten des Staates ausgelotet und gefunden werden. An einer Destabilisierung oder Übernahme Bahrains ist der Iran nicht interessiert.

Emad Kiyaei in seinem Büro - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

In den östlichen, ölreichen Provinzen Saudi-Arabiens am Persischen Golf gibt es eine größere schiitische Bevölkerung. Nicht nur wegen der Nähe zum Iran, sondern auch aus konfessionellen Gründen trauen die Behörden in Riad diesen Menschen nicht über den Weg, diskriminieren und drangsalieren sie. Insgesamt stößt die Familie Saud darauf, daß ihr bisheriges Herrschaftssystem immer weniger Anklang findet. Die jungen Menschen in Saudi-Arabien, Sunniten genauso wie Schiiten, sind nicht mehr bereit, sich mit dem religiös-politischen Absolutismus Riads abzufinden. Deshalb gärt es innerhalb der saudischen Gesellschaft. Politische Reformen sind dringend notwendig. Das weiß ein Teil der saudischen Königsfamilie auch und ist bereit, sich darauf einzulassen, ein anderer Teil dagegen lehnt Veränderung ab, sucht einen Sündenbock und findet ihn in den vermeintlich iran-freundlichen, staatsfeindlichen Schiiten im Osten.

Was die Houthis betrifft, so werden diese innerhalb des Jemens seit langem benachteiligt, weshalb es in den letzten Jahren im Nordwesten des Landes zu Zusammenstößen zwischen schiitischen Stammeskämpfern und Regierungstruppen gekommen ist. Bei dem einen oder anderen Zwischenfall an der Grenze dort haben sich sogar die saudischen Streitkräfte eingemischt, und zwar gegen die Houthis. Der Jemen steckt seit mindestens zwei Jahren in einer schweren Krise - die Wirtschaft liegt am Boden, die Jugend rebelliert, der Süden will sich wieder unabhängig machen und Al Kaida findet im verarmten Osten, unter anderem wegen der ständigen Drohnenangriffe der USA, immer mehr Anhänger. Da liegt es auf der Hand, daß die Führung in Sanaa, um vom eigenen Unvermögen abzulenken, von iranischen Umtrieben im Norden fabuliert. Zwar interessiert sich der Iran für das Schicksal der Schiiten in allen drei genannten Ländern, doch bedeutet das noch lange nicht, daß er sie destabilisieren will und deshalb entsprechende geheimdienstliche Aktivitäten betreibt. Das wird jeweils von den Regierungen in Manama, Riad und Sanaa behauptet, doch sind sie den Beweis hierfür bis heute schuldig geblieben.

SB: Einer der Hauptaspekte des Streits um das iranische Atomprogramm betrifft die angeblich davon für Israel ausgehende Bedrohung. Was, wenn überhaupt, kann der Iran unternehmen, um die israelischen Ängste zu zerstreuen, und welche Rolle könnte die Hisb Allah hierbei spielen?

EK: Das läßt sich schwer sagen. Zunächst muß man feststellen, daß die israelischen Ängste mehr als nur ein bißchen vorgeschoben sind. Der Iran hat ein Kernenergie- und kein Atomwaffenprogramm. Die Inspekteure der IAEA, welche die iranischen Anlagen routinemäßig kontrollieren, haben niemals eine Abzweigung von Spaltmaterial zu militärischen Zwecken festgestellt. Als Unterzeichnerstaat des Nicht-Verbreitungsvertrages insistiert der Iran auf seinem Recht auf Zugang zu allen Aspekten des atomaren Kreislaufs - auch zur Anreicherung von Uran. Letzteres im eigenen Land betreiben zu können, ist für Teheran deshalb wichtig, weil in der Vergangenheit Länder wie Frankreich nach Druck seitens der USA gültige Verträge über die Lieferung von Brennstäben für die iranischen Atommeiler nicht eingehalten haben. Israel macht viel Aufhebens um eine nicht-existente iranische Atombedrohung, verfügt selbst über mehr als 200 Nuklearsprengköpfe samt der dazugehörigen Trägersysteme und weigert sich, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Der Sicherheit Israels wäre am meisten gedient, wenn das Land nuklear abrüsten und sich an der Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten, wofür sich Teheran seit Jahren stark macht, beteiligen würde. Legten sich die Spannungen zwischen Israel und seinen Nachbarn, so dürfte die Konfrontation mit der Hisb Allah an Schärfe verlieren.

Neogothischer Bau mit doppelten Eingangstüren, Hof und Treppengelände - Foto: © 2013 by Schattenblick

20 Washington Road - einst Sitz des Chemieseminars, demnächst des Wirtschaftsseminars sowie des Princeton Institute for International & Regional Studies (PIIRS)
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Inwiefern ist die Wahrnehmung einer iranischen "Bedrohung" das Ergebnis der Propagandaaktivitäten von Gruppen wie den Volksmudschaheddin (MEK), dem Pahlavi-Klüngel und dem American Israeli Political Action Committee (AIPAC) in den USA? Stecken gegebenenfalls auch Interessen, die dem militärisch-industriellen Komplex Amerikas zuzuordnen wären, dahinter?

EK: Die drei von Ihnen genannten Gruppen betreiben seit Jahren unentwegt Lobbyarbeit in Washington und stellen den Iran als großen Buhmann, als "Hauptförderer des internationalen Terrorismus", dar. Alle paar Monate gibt es irgendeine Schreckensnachricht, die zwar für Schlagzeilen sorgt, bei der aber der Wahrheitsgehalt ungefähr bei Null liegt. Mal sollen die Revolutionsgarden gegen die USA gerichtete Raketen in Venezuela installieren, mal soll der iranische Geheimdienst mit der mexikanischen Drogenmafia unter einer Decke stecken, mal soll die Hisb Allah vom "Terrordreieck" zwischen Brasilien, Argentinien und Uruguay aus ganz Lateinamerika destabilisieren und Großanschläge in den USA aushecken. Solche Geschichten werden gern von iranfeindlichen Politikern in Washington aufgegriffen, um das "Mullah-Regime" in Teheran als ernsthafte Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darzustellen. Es läßt sich nicht bestreiten, daß sich solche Kräfte in Teheran einen "Regimewechsel" wünschen. Auch wenn sie ihrem Ziel seit 34 Jahren nicht nähergekommen sind, sorgen die Spannungen am Persischen Golf für volle Auftragsbücher in der US-Rüstungsindustrie. Inwieweit letztere jedoch tatsächlich die Iranphobie einiger Kongreßabgeordneter und Senatoren in Washington anfeuert, läßt sich aber schwer sagen.

SB: Wie erfolgreich ist der AIC bei der Widerlegung solcher Propaganda gewesen?

EK: Beim AIC sind viele ehemalige US-Diplomaten und -Militärs engagiert, die im Nahen Osten bzw. in der islamischen Welt gedient und dadurch zu einem differenzierteren Verständnis der Verhältnisse dort gelangt sind. Darüber hinaus erhält der AIC von einigen der mächtigsten Stiftungen der USA, darunter das George Soros' Open Society Institute und die Rockefeller Foundation, sowie von mehreren der größten Wirtschaftsunternehmen des Landes wie dem Lebensmittelkonzern Coca-Cola, den Energiefirmen Chevron und Exxon, dem Flugzeugbauer Boeing, der Versicherung AIG und der Bank Chase Manhattan finanzielle Unterstützung. Die Reihe immer drakonischerer Wirtschaftssanktionen, die der US-Kongreß in den letzten Jahren gegen den Iran verhängt hat, verdeutlicht, wie schwer unsere Arbeit ist. Dennoch habe ich den Eindruck, daß der AIC mit seinem demonstrativen Eintreten für eine Versöhnung zwischen dem Iran und den USA immer mehr Amerikaner erreicht, daß wir in Sachen Konfrontation die Talsohle bereits durchschritten haben und daß wir an der Schwelle einer merklichen Verbesserung im Verhältnis zwischen Teheran und Washington stehen.

SB: Alles Gute für Ihre Arbeit, Herr Kiyaei, und vielen Dank für das Gespräch.

Die 1903-1904 aus rotem Backstein gebaute 1879 Hall, von wo aus Woodrow Wilson die Universität Princeton leitete, bis er 1910 in die Politik wechselte und 1912 zum US-Präsidenten gewählt wurde - Foto: © 2013 by Schattenblick

1879 Hall der 1746 gegründeten und damit zur Ivy League gehörenden Princeton Universität
Foto: © 2013 by Schattenblick

6. September 2013