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ARBEIT/424: Fußballproduktion zu Dumpinglöhnen in Pakistan - Nach wie vor viele Kinder ausgebeutet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2010

Pakistan: Fußballproduktion zu Dumpinglöhnen - Nach wie vor viele Kinder ausgebeutet

Von Zofin Ebrahim


Karatschi, 2. Juli (IPS) - Bis vor etwa zehn Jahren war Pakistan noch der weltgrößte Hersteller von Fußbällen. Die Unternehmer in dem asiatischen Land gerieten jedoch in Verruf, weil sie zahlreiche Kinder beschäftigten. Auch seitdem Adidas die Produktion nach China verlagerte, werden in pakistanischen Nähereien noch zahlreiche Minderjährige ausgebeutet.

Etwa 85 Prozent aller Bälle, die bei Turnieren über den Rasen rollten, wurden in den späten 1990er Jahren von pakistanischen Arbeitskräften per Hand gefertigt. Von dem großen Gewinn, den das lukrative Geschäft abwarf, bekamen die Näher allerdings kaum etwas zu sehen.

Wie das englischsprachige Magazin 'Express Tribune' berichtete, stellten damals rund 85.000 Pakistaner jährlich etwa 60 Millionen Bälle im Wert von insgesamt 210 Millionen US-Dollar her. Inzwischen trägt das südasiatische Land nur 30 bis 40 Prozent zur weltweiten Produktion bei.

Bei den Weltmeisterschaften 2006 in Deutschland wurden noch bei jedem Spiel handgefertigte Bälle aus der Stadt Sialkot in der Provinz Punjab eingesetzt. Vor der diesjährigen WM in Südafrika entschied Adidas jedoch, den offiziellen Spielball 'Jabulani' in chinesischen Fabriken maschinell herstellen zu lassen.

Nach Ansicht von Arshid Mehmood Mirza, dem Geschäftsführer der nichtstaatlichen Frauenrechtsorganisation 'Bedari', konnten die pakistanischen Produzenten nicht mit den neuesten technologischen Entwicklungen Schritt halten. Andere sehen den Grund für die Produktionsverlagerung eher darin, dass die Kinderarbeit in dem Land international für negative Schlagzeilen sorgte.


Tausende Kinder arbeiteten fast umsonst

In den USA hatte das Magazin 'Life' bereits 1996 darüber berichtet, dass Kinder in Pakistan Fußbälle für umgerechnet sechs Cent in der Stunde zusammennähten. Das Internationale Programm zur Beseitigung der Kinderarbeit (IPEC) der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und die Behörden in Punjab fanden heraus, dass insgesamt rund 7.000 Minderjährige an den Arbeiten beteiligt waren.

Die pakistanische Regierung geriet dadurch in eine Zwangslage und verpflichtete sich öffentlich dazu, gegen die Ausbeutung von Kindern vorzugehen. 1997 unterzeichnete die Handelskammer von Sialkot eine entsprechende Erklärung mit der ILO und Weltkinderhilfswerk UNICEF.

Da viele Kinder jedoch Heimarbeit leisteten, habe man die Einhaltung des Verbots nicht garantieren können, sagte der ehemalige Vorsitzende der Handelskammer, Khwaja Zakauddin. Die Regierung habe deshalb 1998 gemeinsam mit Unternehmern Nähzentren eröffnet, um die Lage kontrollieren zu können.

Dennoch würden in den Familien nach wie vor Kinder zur Herstellung von Fußbällen eingesetzt, berichtete das in Washington ansässige Internationale Forum für Arbeitsrechte (ILRF). In einem kurz vor WM-Beginn veröffentlichten Report hieß es, dass die Näher in Pakistan lediglich ein bis zwei Dollar pro Ball verdienten. Im Geschäft kostet er dann mindestens hundert Dollar. Bei Befragungen von mehr als 200 Nähern erfuhr ILRF, dass 70 Prozent von ihnen Gelegenheitsarbeiter waren und fast alle weniger verdienten als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn.

Besonders benachteiligt sind demnach Frauen, die weit weniger Geld erhalten als Männer. Zu ihnen gehört die 40-jährige Josephine Francis, die bereits seit mehr als zehn Jahren in Heimarbeit Fußbälle anfertigt. Sie weiß nicht einmal, für wen genau sie arbeitet und für wie viel Geld die Bälle verkauft werden.

"Ich bekomme 35 Rupien (etwa 40 Cent) für jeden Ball. Bis vor ein paar Monaten hatte ich sogar nur 25 Rupien verdient", sagte Francis zu IPS. "Man hat mir erzählt, dass die Bälle dann für 300 bis 600 Rupien auf dem Markt angeboten werden." Die Frau hat inzwischen so viel Routine, dass sie nach der Hausarbeit täglich vier Fußbälle zusammennäht.

Auch Taslim Bibi erhält einen kargen Lohn von 30 Rupien für jeden fertigen Ball. "Die Bezahlung schwankt", erzählte sie. Wer die Mittelsmänner der Auftraggeber sind, will sie aus Angst um den Job nicht verraten. "Wenn wir uns zu sehr beschweren, suchen sie sich andere Näher. Es gibt viele, die für noch weniger arbeiten." (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.laborrights.org/
http://www.bedari.org.pk/
http://www.ilo.org/ipec/
http://www.unicef.org/pakistan/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52013

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2010