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ARBEIT/503: Arbeit in Israel - Für arbeitslose Palästinenser ist der Feind die Hoffnung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2012

Nahost: Arbeit in Israel - Für arbeitslose Palästinenser ist der Feind die Hoffnung

von Jillian Kestler-D'Amours


Viele Palästinenser aus dem Flüchtlingslager Schuafat sind am Bau der jüdischen Siedlung Pisgat Zeev beteiligt - Bild: © Jillian Kestler-D'Amours/IPS)

Viele Palästinenser aus dem Flüchtlingslager Schuafat sind am Bau der jüdischen Siedlung Pisgat Zeev beteiligt
Bild: © Jillian Kestler-D'Amours/IPS)

Ramallah, Westjordanland, 26. September (IPS) - Hassan Haders Antrag auf eine Arbeitserlaubnis in Israel ist vier Mal abgelehnt worden. Doch dem 52-jährigen Vater von fünf Kindern bleibt nichts anderes übrig, als es weiter zu versuchen. "Gründe für die Absagen wurden nicht genannt", berichtet der Palästinenser, der in Ramallah lebt. Hader hat fast 20 Jahre lang in einem Steinbruch im Industriegebiet von Ma'ale Adumim gearbeitet, einer der größten illegalen jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Seit dem vergangenen Jahr ist er aber seinen Job los.

Auf dem Arbeitsmarkt in den Palästinensergebieten gebe es keine echten Alternativen, erklärt Hader. Nach mehr als einem Jahr Arbeitslosigkeit gehen die Ersparnisse der Familie langsam zur Neige. "Ich bin müde", gesteht er. "Die Lage ist nicht gut."

Jüngsten Pressemeldungen zufolge will die israelische Regierung mehr Palästinensern aus dem Westjordanland als bisher das Arbeiten im Land gestatten. Barak Granot, ein Sprecher des israelischen Arbeitsministeriums, bestätigte, dass weitere 5.000 Genehmigungen erteilt würden, damit Palästinenser in der israelischen Bauindustrie arbeiten könnten.

"Die Erhöhung wurde beschlossen, um einerseits fehlende Arbeitsmöglichkeiten im Westjordanland auszugleichen und andererseits den Mangel an Arbeitskräften in der israelischen Baubranche zu beheben", erklärte Granot. "Die Entscheidung steht im Einklang mit der Regierungspolitik, palästinensischen Arbeitskräften vor anderen Ausländern den Vorrang zu geben."

Die israelische Zivilverwaltung (ICA), die als Militärbehörde mehr als 60 Prozent des besetzten Westjordanlandes kontrolliert, vertritt eine ähnliche Position. "Die Aufstockung der Genehmigungen soll die Zahl ausländischer Arbeiter verringern, die über lange Zeiträume in Israel bleiben und hier sesshaft werden könnten. Palästinenser halten sich dagegen über Tag in Israel auf und fahren abends wieder zurück", heißt es in einer Mitteilung von ICA.


Migranten aus Asien und Osteuropa rückten nach

Nachdem Israel beim Ausbruch der zweiten Intifada die Bewegungsfreiheit der Palästinenser eingeschränkt hatte, ersetzten Migranten aus den Philippinen, aus China, Thailand und Osteuropa allmählich die palästinensischen Arbeitskräfte.

Der Zustrom von Arbeitsmigranten und Asylsuchenden in Israel hat in letzter Zeit allerdings die politischen Spitzen in Panik versetzt. Sie warnen davor, dass die Präsenz nicht-jüdischer Ausländer den jüdischen Charakter des Staates bedrohen könnte. Die Regierung beschloss daraufhin, die Zahl der Arbeitsgenehmigungen für Ausländer schrittweise zu reduzieren und deren Freiheiten in Israel zu beschneiden.

Nach Angaben von ICA sind derzeit mehr als 57.000 Palästinenser in Israel und in israelischen Siedlungen beschäftigt. In Kürze sollen weitere 8.000 Arbeitsgenehmigungen erteilt werden. Hinzu kommen 5.000 Sondergenehmigungen für Bauarbeiter. In Frage kommen Personen, die älter als 26 Jahre und verheiratet sind. Sie müssen sich zudem einer vorherigen Sicherheitsüberprüfung unterziehen.

Laut dem im April veröffentlichten Weltbank-Bericht 'Towards Economic Sustainability of a Future Palestinian State' sank die Zahl der von Israelis beschäftigten Palästinenser zwischen den Jahren 2000 und 2004 von 26 auf weniger als zwölf Prozent. 2010 waren etwa 14 Prozent aller erwerbsfähigen Einwohner des Westjordanlandes in Israel oder in israelischen Siedlungen beschäftigt.

Palästinensern aus dem Gazastreifen wird aber seit 2006 der Zugang nach Israel und ins Westjordanland verwehrt. Israel unterbindet zudem fast alle Exporte aus dem Gazastreifen. "Gaza durchläuft einen Prozess der Rückentwicklung, die Wirtschaft wird zerschlagen", sagt Sari Bashi, der Direktor des unabhängigen Zentrums 'Gisha', das sich für das Recht auf Bewegungsfreiheit einsetzt. "Den Menschen im Gazastreifen zu erlauben, an ihre Arbeitsplätze in Israel zurückzukehren, würde den Familien die dringend benötigten Einkünfte verschaffen."


Hohe Jugendarbeitslosigkeit

Nach Angaben der Vereinten Nationen lag die Arbeitslosenrate in den Palästinensergebieten 2011 bei 26 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen war mit 35 Prozent im Westjordanland und mit 53 Prozent im Gazastreifen sogar noch höher.

"Israel hat gegenüber denjenigen, die in den besetzten Gebieten leben und sich eine Existenz sichern wollen, Verpflichtungen", betont Bashi. Nach Schätzungen von Gisha begeben sich täglich etwa 60.000 Palästinenser zur Arbeit nach Israel. Die Hälfte davon hat eine Erlaubnis, die anderen nicht. Bessere Regelungen könnten nach Ansicht von Bashi die Risiken für illegal einreisende palästinensische Arbeiter reduzieren.

Ende Juli waren ein Palästinenser getötet und drei weitere verletzt worden, als israelische Soldaten an einem Checkpoint das Feuer auf ein Fahrzeug eröffneten. Darin saßen etwa ein Dutzend Palästinenser, die ohne Genehmigung nach Israel einreisen wollten. "Ich bin sicher, dass dies nicht der letzte Zwischenfall gewesen ist", meint Shawan Jabarin von der palästinensischen Menschenrechtsorganisation 'Al Haq'.

Hassan Hader will die Risiken einer illegalen Einreise nach Israel nicht eingehen. "Das ist zu gefährlich", sagt er. "Ich will durch die Tür hineinkommen und nicht durch das Fenster." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.gisha.org/
http://siteresources.worldbank.org/INTWESTBANKGAZA/Resources/GrowthStudyEng.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/09/for-palestinian-workers-the-enemy-is-the-hope/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2012