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ARMUT/159: UNO-Ausschuss kritisiert wachsende Armut in der BRD (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 29 vom 22. Juli 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

UNO-Ausschuss kritisiert wachsende Armut in der BRD
UN-Sozialausschuss legt neuen Bericht über die soziale Lage in Deutschland vor

Von Werner Altmann


Der UN-Sozialausschuss - in voller Länge als "Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte der Vereinten Nationen" tituliert - prüft in regelmäßigen Abständen die Einhaltung der in der UN-Charta der Menschenrechte und diversen Zusatzabkommen der UN bzw. deren Unterorganisationen wie z. B. die ILO (Internationale Arbeitsorganisation) festgelegten Rechte in den einzelnen Mitgliedstaaten, erstellt einen Bericht und gibt dem betreffenden Mitgliedstaat die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Bezogen auf die BRD ist es jedes Mal das gleiche Ritual: Der UN-Sozialausschuss fordert bei der Bundesregierung einen sogenannten Staatenbericht an und gleicht dann diesen mit den genannten Abkommen und der bundesrepublikanischen Realität ab, führt eine Anhörung mit Regierungsvertretern und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) durch und erstellt einen Bericht. Der Bericht wird der Bundesregierung zur Stellungnahme und anschließend mit der Stellungnahme den zuständigen Gremien der UN zugeleitet. Bisher war der Bericht jedes Mal eine schallende Ohrfeige für die Menschenrechtssituation von Frauen, Armen, Arbeitslosen, Behinderten, Migranten und Asylbewerbern. Und bisher hat jede Bundesregierung, egal welcher Couleur, in der Stellungnahme sich selber eine weitgehende Einhaltung der laut Bericht verletzten Rechte bescheinigt.

Bisher hat jede Bundesregierung es vermieden, die Berichte und die Stellungnahmen zu veröffentlichen. Natürlich verhält es sich beim neuesten Bericht auch so. Er stammt vom 20.5.2011 und ist weder auf der Website der Regierung noch in anderen regierungsöffentlichen Quellen zu finden. Wer sich darüber informieren will, ist auf die NGOs angewiesen, z. B. GEW oder die FIAN. Dort finden sich auch Parallelberichte bzw. Alternativberichte. Das sind parallel zum Staatenbericht erstellte Dokumente, die die Realität deutlich genauer abbilden als der offizielle Bericht. Dies sehen nicht nur die Verfasser so, sondern glücklicherweise auch der UN-Sozialausschuss. In den Abgleich bezieht der Ausschuss auch die bisher erstellten Berichte ein und bewertet, ob es Verbesserungen oder Verschlechterungen gegeben hat.

Der jetzt vorliegende Bericht des UN-Sozialausschusses ist Topaktuell. Z. B. hat sich der Ausschuss das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. 2. 2010 zu den Hartz-IV-Regelleistungen und die "Umsetzung" durch die Regierenden sehr genau angeschaut und bezweifelt, dass die jetzt verwendete Berechnungsmethode geeignet ist, das Menschenrecht auf einen angemessenen Lebensstandard gemäß Artikel 11 des UN-Sozialpaktes zu gewährleisten.

Da sich nach Meinung des EIN-Sozialausschusses die Armut seit dem letzten Bericht vergrößert hat, fordert er die Bundesregierung auf, endlich ein konsistentes Konzept zur Armutsbekämpfung innerhalb Deutschlands vorzulegen. Nachdrücklich fordert der Ausschuss, dass der Zugang zu ausreichender, gesundheitsfördernder Nahrung für Kinder aus armen Familien sicherzustellen ist.

Der Ausschuss befasste sich auch mit dem Streikrecht für Beamte und forderte die Bundesregierung auf, sich endlich an die diesbezüglichen Abkommen zu halten. Diese sehen nämlich ein generelles Streikrecht vor. Einzige Ausnahme: Beamte, deren Tätigkeit grundsätzlich unentbehrlich ist, sind von diesem Recht ausgeschlossen. Der gleichberechtigte Zugang zum Hochschulstudium ist durch Studiengebühren und Ausleseverfahren nicht gewährleistet. Auch hier fordert der Ausschuss die Einhaltung entsprechender Abkommen.

Dass in der BRD Frauen für gleiche Arbeit immer noch bis zu 22 Prozent weniger Lohn bekommen, räumt selbst die Bundesregierung ein. Auch die Unterversorgung mit Kindertagesstätten in quantitativer wie qualitativer Hinsicht, lässt sich dem Staatenbericht entnehmen. Jedoch an Vorschlägen zur Verbesserung mangelt es. Die Bundesregierung ignoriert weiterhin konkrete Empfehlungen aus den früheren Berichten. Komisch mutet in diesem Zusammenhang an, dass die Bundesregierung trotz der selbst eingeräumten Mängel von einer gleichberechtigten Teilhabe der Frauen am gesellschaftlichen Leben ausgeht. Die Parallelberichte sind zu finden unter www.gew.de und www.fian.de


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 29 vom 22. Juli 2011, Seite 4
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011