Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → SOZIALES


FAMILIE/300: Weniger Job = mehr Vater? (WZB)


WZB Mitteilungen - Nr. 153/September 2016
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Weniger Job = mehr Vater?

Teilzeitarbeit kann väterliches Engagement fördern, Elternzeit allerdings noch mehr

von Mareike Bünning


Kurz gefasst: Während Väter in Teilzeit erwerbstätig sind, verbringen sie mehr Zeit mit ihren Kindern, als wenn sie Vollzeit arbeiten. Doch sobald sie auf eine Vollzeitstelle zurückkehren, verringern sie ihre Beteiligung an der Kinderbetreuung zumeist wieder. Nur Väter mit einer vollzeiterwerbstätigen Partnerin verbringen auch nach Rückkehr in Vollzeit mehr Zeit mit ihren Kindern als vor der Teilzeiterwerbstätigkeit. Eine Elternzeit ist hingegen unabhängig vom Erwerbsstatus der Partnerin damit verbunden, dass Väter sich langfristig stärker in die Kinderbetreuung einbringen.


Viele Väter wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Sie sehen ihre Rolle in der Familie nicht mehr darauf beschränkt, den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern wollen sich auch aktiv ins Familienleben einbringen. Doch oft gelingt es ihnen nicht, diesen Wunsch umzusetzen. Im Jahr 2012 verbrachten Väter durchschnittlich 1 Stunde 22 Minuten pro Tag mit ihren Kindern im Vorschulalter, weniger als halb so viel wie Mütter - bei diesen waren es 2 Stunden 59. Ein Drittel der Väter gab an, nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder zu haben. Einem stärkeren väterlichen Engagement in der Familie wirken insbesondere lange Arbeitszeiten entgegen.

Eine Option, die Vätern mehr Zeit mit ihren Kindern ermöglicht, ist die Inanspruchnahme von Elternzeit. Während der Elternzeit können sich Väter intensiv um ihr Neugeborenes und gegebenenfalls auch dessen ältere Geschwister kümmern; so können sie eine enge Bindung zu ihren Kindern aufbauen. Dies wirkt sich auch langfristig positiv auf die Beteiligung des Vaters an der Kinderbetreuung aus: Auch wenn die Väter nach dem Ende der Elternzeit ins Berufsleben zurückkehren, engagieren sie sich stärker in der Familie.

Eine weitere, bisher weniger diskutierte Option ist die Teilzeiterwerbstätigkeit. Gegenüber einer Elternzeit hat Teilzeiterwerbstätigkeit den Vorteil, dass sie nicht auf die ersten Lebensmonate des Kindes beschränkt ist. Allerdings haben teilzeiterwerbstätige Väter immer noch weniger Zeit für ihre Kinder als Väter, die während einer Elternzeit ganz zu Hause sind. Es stellt sich somit die Frage, ob eine Teilzeiterwerbstätigkeit ähnlich gut geeignet ist wie eine Elternzeit, um die Beteiligung des Vaters an der Kinderbetreuung zu erhöhen. Deswegen habe ich erstens untersucht, ob Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, während sie in Teilzeit arbeiten. Zweitens wollte ich wissen, ob ein positiver Effekt auch langfristig bestehen bleibt, wenn Väter nach einer Teilzeitphase wieder zurück auf eine Vollzeitstelle wechseln.

In der Literatur gibt es drei gängige Theorien zur Arbeitsteilung bei Paaren, aus denen sich Erwartungen über den Zusammenhang zwischen Teilzeiterwerbstätigkeit und der Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung ableiten lassen. Die erste Theorie ist der Zeitbudgetansatz. Er geht davon aus, dass Väter umso mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, je kürzer ihre eigenen Arbeitszeiten sind und je länger die Arbeitszeiten ihrer Partnerinnen. Während einer Teilzeiterwerbstätigkeit sollte die Beteiligung an der Kinderbetreuung also ansteigen, da Väter mehr Zeit zur Verfügung haben, nach der Rückkehr auf eine Vollzeitstelle jedoch wieder auf das Ausgangsniveau absinken.

Der zweite Ansatz, die ökonomische Verhandlungstheorie, geht davon aus, dass Eltern über ihre Arbeitsteilung verhandeln. Derjenige, der das geringere Einkommen hat, hat weniger Verhandlungsmacht und muss somit mehr unbezahlte Arbeit übernehmen. Da Väter während einer Teilzeiterwerbstätigkeit weniger verdienen, sollten sie mehr Kinderbetreuung übernehmen. Dies sollte sich insbesondere bemerkbar machen, wenn ihre Partnerin vollzeiterwerbstätig ist, da dann das Einkommen des Vaters relativ zu dem seiner Partnerin besonders stark sinkt. Wie die bisherige Forschung gezeigt hat, ist eine Teilzeiterwerbstätigkeit zudem dauerhaft mit Lohneinbußen verbunden. Daher sollte eine stärkere Beteiligung an der Kinderbetreuung auch nach der Rückkehr auf eine Vollzeitstelle erhalten bleiben.

Drittens hängt nach dem Geschlechterrollenansatz die Beteiligung des Vaters an der Kinderbetreuung von seinen Einstellungen zu den Rollen der Geschlechter ab: Väter mit egalitären Geschlechterrolleneinstellungen engagieren sich stärker zu Hause als Väter, die traditionelle Einstellungen haben. Während einer Teilzeiterwerbstätigkeit weichen Väter von der Norm des männlichen Vollzeitarbeitnehmers ab. Durch diese Erfahrung mit einem weniger traditionellen Erwerbsarrangement entwickeln sie womöglich egalitärere Geschlechterrolleneinstellungen. Diese sollten wiederum dazu führen, dass sich die Väter - auch langfristig - stärker an der Kinderbetreuung beteiligen.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz von 2001 räumt allen Angestellten ein Recht auf Teilzeitarbeit ein. Auch wenn dieses Recht überwiegend von Müttern genutzt wird, stieg die Inanspruchnahme von Teilzeitarbeit durch Väter im Zeitverlauf ebenfalls an. Nach der Definition des Mikrozensus, die auch ich in meinen Analysen verwende, gilt als teilzeiterwerbstätig, wer sowohl Teilzeit als Erwerbsstatus angibt als auch weniger als 32 Stunden pro Woche arbeitet. Waren 1996 nur 2 Prozent der erwerbstätigen Väter in Teilzeit beschäftigt, stieg ihr Anteil bis 2012 immerhin auf 5,5 Prozent. Wenn man bedenkt, dass die Teilzeitbelegschaft fluktuiert, dürfte der Anteil der Kinder, die vorübergehend einen teilzeiterwerbstätigen Vater erleben, wesentlich höher sein. Teilzeiterwerbstätigkeit bei Vätern ist nämlich anders als bei Müttern in der Regel von kurzer Dauer. Wie meine Auswertungen mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels zeigen, wechselte die Hälfte der Väter nach spätestens elf Monaten zurück auf eine Vollzeitstelle.

Welchen Einfluss hat nun Teilzeiterwerbstätigkeit auf die Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen? Um dies zu untersuchen, habe ich Daten von 7.046 Vätern im Sozio-oekonomischen Panel von 1991 bis 2012 ausgewertet. Die Väter wurden jährlich befragt, wie viele Stunden pro Werktag sie mit Kinderbetreuung verbringen. (*) Zudem gaben sie an, ob sie zum Befragungszeitpunkt in Teilzeit erwerbstätig waren und ob sie im Vorjahr für einen oder mehrere Monate in Teilzeit gearbeitet haben. Sie gaben auch Auskunft darüber, ob sie in der Vergangenheit Elternzeit genommen hatten.

Anhand dieser Daten lässt sich nachzeichnen, wie sich die Kinderbetreuungszeit durch Väter verändert, wenn die Väter von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitstelle und anschließend wieder zurück in Vollzeit wechseln. Auch die Beteiligung des Vaters an der Kinderbetreuung vor und nach einer Elternzeit lässt sich so abbilden. Wie oben ausgeführt, ist zu erwarten, dass die Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung nicht nur von ihrem eigenen Erwerbsstatus abhängt, sondern auch von dem ihrer Partnerinnen. Daher wurden die Analysen zunächst für alle Väter zusammen und anschließend nach Erwerbsstatus der Partnerin durchgeführt. Des Weiteren berücksichtigen die Modelle das Alter des jüngsten Kindes, die Kinderzahl, den Familienstand, das Bildungsniveau beider Partner, den Wohnort (Ost- oder Westdeutschland) und das Erhebungsjahr.

Wie die Ergebnisse zeigen, verbringen Väter, während sie in Teilzeit erwerbstätig sind, mehr Zeit mit ihren Kindern als vor der Teilzeiterwerbstätigkeit. Dieser Zusammenhang zeigt sich besonders stark für Väter mit einer vollzeiterwerbstätigen Partnerin: Sie verbringen etwa 1 Stunde 30 pro Werktag mehr mit ihren Kindern als vor der Teilzeiterwerbstätigkeit. Aber auch Väter mit einer nicht erwerbstätigen oder teilzeiterwerbstätigen Partnerin verbringen pro Werktag eine Stunde mehr mit ihren Kindern, wenn sie in Teilzeit erwerbstätig sind. Sobald sie auf eine Vollzeitstelle zurückkehren, reduziert sich die Zeit, die Väter unter der Woche mit ihren Kindern verbringen, jedoch wieder deutlich. Für Väter mit nicht erwerbstätigen oder teilzeiterwerbstätigen Partnerinnen ist die Kinderbetreuungszeit nach der Teilzeiterwerbstätigkeit nicht signifikant höher als vor der Teilzeiterwerbstätigkeit. Lediglich Väter mit einer in Vollzeit erwerbstätigen Partnerin behalten auch über das Ende der Teilzeitphase hinaus ein erhöhtes Engagement in der Kinderbetreuung bei: Nach der Rückkehr auf eine Vollzeitstelle kümmern sie sich immerhin noch eine halbe Stunde mehr pro Tag um ihre Kinder als vor dem Wechsel in Teilzeit.

Damit stützen die Ergebnisse für Väter mit nicht erwerbstätigen oder teilzeiterwerbstätigen Partnerinnen die Annahmen des Zeitbudgetansatzes, dass insbesondere die aktuellen Arbeitszeiten von Vätern darüber entscheiden, wie viel Zeit sie mit ihren Kindern verbringen. Die Ergebnisse für Väter mit vollzeiterwerbstätigen Partnerinnen entsprechen eher den Erwartungen der ökonomischen Verhandlungstheorie oder dem Geschlechterrollenansatz, wobei sich mit den verfügbaren Daten nicht abschließend klären lässt, ob sich die Veränderungen in der Kinderbetreuungszeit auf egalitärere Geschlechterrollen oder eine geschwächte Verhandlungsposition zurückführen lassen.

Anders als bei der Teilzeiterwerbstätigkeit verhält es sich bei Vätern, die nach einer Elternzeit ins Berufsleben zurückkehren. Sie verbringen nach der Elternzeit im Durchschnitt eine Stunde mehr pro Tag mit ihren Kindern als vor der Elternzeit. Auch hier gibt es wieder Unterschiede nach dem Erwerbsstatus der Partnerin: Je höher der Erwerbsumfang der Partnerin, desto stärker steigt die Kinderbetreuungszeit von Vätern nach einer Elternzeit. Aber selbst bei Vätern mit nicht erwerbstätigen Partnerinnen ist ein Anstieg der Kinderbetreuungszeiten nach einer Elternzeit statistisch nachweisbar.

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse also darauf hin, dass Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, während sie teilzeiterwerbstätig sind. Dieser Anstieg ist jedoch in der Regel auf die Phase der Teilzeiterwerbstätigkeit beschränkt und verflüchtigt sich wieder, sobald die Väter auf eine Vollzeitstelle zurückkehren. Einzige Ausnahme von diesem Muster sind Väter mit einer vollzeiterwerbstätigen Partnerin. Diese Väter behalten ein stärkeres Engagement bei der Kinderbetreuung auch über das Ende der Teilzeitphase hinaus bei. Allerdings ist Vollzeiterwerbstätigkeit bei Müttern in Deutschland eher selten. Nur 18 Prozent der Mütter waren 2012 vollzeiterwerbstätig, und der Anteil der vollzeiterwerbstätigen Mütter ist im Vergleich zu 1996 sogar gesunken.

Wie lässt sich erklären, dass eine Teilzeiterwerbstätigkeit oft nur vorübergehend mit mehr Kinderbetreuung verbunden ist, eine Elternzeit hingegen dauerhaft? Ein Grund könnte sein, dass sich die Motivation für eine Elternzeit und die für eine Teilzeiterwerbstätigkeit unterscheiden. Während die meisten Väter Elternzeit explizit nehmen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, beginnen sie eine Teilzeiterwerbstätigkeit oft aus anderen Gründen. Etwa die Hälfte der Väter arbeitet nur deshalb in Teilzeit, weil sie keine passende Vollzeitstelle finden konnten. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass sich Väter während einer Vollzeit-Elternzeit intensiver um ihre Kinder kümmern, als dies bei einer Teilzeiterwerbstätigkeit möglich ist. Väter bauen somit während der Elternzeit möglicherweise ein engeres Verhältnis zu ihren Kindern auf und entwickeln mehr Betreuungskompetenzen als während einer Teilzeiterwerbstätigkeit, was ein langfristiges Engagement bei der Kinderbetreuung stärker fördert.


Mareike Bünning ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Nachwuchsgruppe Arbeit und Fürsorge und arbeitet im von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt "Fifty-Fifty? Betriebliche und politische Rahmenbedingungen egalitärer Erwerbsarbeits- und Familienzeiten".
mareike.buenning@wzb.eu


Literatur

Bünning, Mareike: Parental Leave for Fathers. Consequences for Men's Work and Family Life. Dissertation. Humboldt Universität zu Berlin 2016.

Bünning, Mareike: "What Happens after the 'Daddy Months'? Fathers' Involvement in Paid Work, Childcare and Housework after Taking Parental Leave in Germany". In: European Sociological Review, 2015, Vol. 31, No. 6, pp. 738-748.

Keller, Matthias/Haustein, Thomas: Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Ergebnisse des Mikrozensus 2012. WISTA - Wirtschaft und Statistik. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt 2013, S. 862-882.

Kott, Kristina/Kühnen, Carola/Maier, Lucia: "Zeitverwendung und Ausgaben für Freizeitaktivitäten". In: Statistisches Bundesamt (Destatis)/Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung) (Hg.): Datenreport 2016, S. 361-377. Online: https://www.wzb.eu/de/publikationen/datenreport/datenreport-2016 (Stand 03.08.2016).

Wolf, Elke: The German Part-time Wage Gap: Bad News for Men? SOEP Paper 663. German Socio-Economic Panel Study 2014.

(*) Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Grafik "Zunahme der Kinderbetreuungszeit von Vätern (SOEP 1991-2012)" wurde nicht in den Schattenblick übernommen. Sie ist zu finden im Originalartikel im PDF-Format unter:
https://www.wzb.eu/sites/default/files/publikationen/wzb_mitteilungen/wzb-mitteilungen-153-2016buenning.pdf

*

Quelle:
WZB Mitteilungen Nr. 153, September 2016, Seite 13-16
Herausgeber:
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Professorin Jutta Allmendinger Ph.D.
10785 Berlin, Reichpietschufer 50
Tel.: 030/25 491-0, Fax: 030/25 49 16 84
Internet: http://www.wzb.eu
 
Die WZB-Mitteilungen erscheinen viermal im Jahr.
Der Bezug ist kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang