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FRAUEN/324: Kolumbien - Gewalt gegen Frauen, Übergriff von Fußballtrainer löst Kontroverse aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. August 2011

Kolumbien: Gewalt gegen Frauen - Übergriff von Fußballtrainer löst Kontroverse aus

Von Helda Martínez


Bogotá, 17. August (IPS) - Bei der FIFA U-20-Weltmeisterschaft in Kolumbien konkurrieren noch bis zum 20. August Nachwuchsfußballteams aus allen Kontinenten um den begehrten Titel. Doch werden in dem südamerikanischen Land dieser Tage nicht allein die Spiele kommentiert, sondern auch das Thema Gewalt gegen Frauen, seitdem Nationaltrainer Hernán Darío 'Bolillo' Gómez gegenüber einer Frau gewalttätig wurde.

Der Vorfall ereignete sich unlängst in einem Nachtclub in Bogotá im Beisein von Zeugen. Als gegen Gómez, der die Erwachsenen-Elf trainiert, Strafanzeige gestellt wurde, zeigte er sich geständig, entschuldigte sich und stellte sein Amt noch am selben Tag zur Disposition.

Zahlreiche kolumbianische Medien, Politiker und prominente Fußball-Förderer verurteilten den Angriff aufs Schärfste. Der kolumbianische Fußballverband hingegen stellte sich hinter Gómez und lehnte dessen Rücktritt ab. Gómez bleibt somit Nationaltrainer, muss sich aber künftig an Kampagnen gegen Gewalt gegen Frauen beteiligen.

Auch die konservative Parlamentsabgeordnete Liliana Rendón nahm den Nationaltrainer in Schutz. "Frauen sind manchmal töricht und provozieren dadurch gewisse Reaktionen", erklärte sie. 'Bolillo' habe auf eine "pathologische" weibliche Verhaltensweise reagiert. "Wenn mein Mann mich schlägt, habe ich es verdient, weil ich ihn vielleicht sehr genervt habe", meinte sie in einer Fernsehsendung.

Ihre Äußerungen stießen bei 16 Senatorinnen und 20 Parlamentarierinnen auf massive Kritik. Sie beschuldigten Rendón, ihren Einsatz für Kinder- und Frauenrechte um Jahre zurück zu werfen. Angela María Robledo von der Grünen-Partei forderte Rendón auf, sich bei den Zigtausenden misshandelten Frauen für ihre Äußerungen zu entschuldigen.


Gesetzgebung ab absurdum geführt

"Wofür beschließen wir eigentlich noch Gesetze?" fragte Alexandra Moreno von der Partei 'Movimiento Politico Mira'. 2008 war ein Gesetz verabschiedet worden, das die Misshandlung von Frauen unter Strafe stellt. Die Senatorin Dilian Francisca Toro von der rechten U-Partei bezeichnete Gewalt gegen Frauen als Problem des öffentlichen Gesundheitswesens.

Der Fall 'Bolillo' hat immerhin dazu geführt, dass die ausufernde Gewalt gegen Frauen wieder stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt ist. Zahlen der Vereinten Nationen belegen, dass Kolumbien im vergangenen Jahr in der Statistik der Länder mit dem höchsten Anteil misshandelter Frauen den dritten Platz belegte.

In dem 46 Millionen Einwohner zählenden Land wurden im Jahr 2009 mehr als 73.000 Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen bekannt. In 18.000 Fällen handelte es sich um sexuelle Übergriffe. 128 Frauen wurden aufgrund ihres Geschlechts getötet, wie das staatliche Institut für Rechtsmedizin herausfand.

Experten zufolge ist die Dunkelziffer weitaus höher. Viele Opfer würden aus Angst ihre Peiniger nicht anzuzeigen, hieß es. Auch Rendóns Äußerungen werden nach Ansicht von Frauenaktivisten dazu beitragen, dass Gewalt gegen Frauen als Kavaliersdelikt verharmlost werde. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2011