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FRAUEN/366: Pakistan - Gewalt statt Dank für minderjährige Haushaltsangestellte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2012

Pakistan: Gewalt statt Dank für minderjährige Haushaltsangestellte

von Zofeen Ebrahim

Eine Haushaltshilfe bei der Arbeit - Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Eine Haushaltshilfe bei der Arbeit
Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Karachi, Pakistan, 27. Januar (IPS) - In Pakistans Hauptstadt Islamabad ist Anfang Januar wieder ein Kind gestorben, das in einer gut situierten Familie als Haushaltshilfe tätig war. Das Ehepaar, das den elfjährigen Shan Ali beschäftigt hatte, sprach gegenüber der Polizei von Selbstmord. Die Autopsie dagegen deutet darauf hin, dass Ali erwürgt wurde.

In Pakistan haben viele reiche Familien minderjährige Angestellte. Einige Kinder sind gerade mal sechs Jahre alt. Sie hüten Hunde und Kinder und kümmern sich um den Haushalt. In Restaurants sieht man immer wieder kleine Kinder, die Babys im Arm halten, in einer Ecke sitzen, während ihre Arbeitgeber an einem Tisch sitzen und speisen.

Es gibt keine verlässlichen Zahlen dafür, wie viele Mädchen und Jungen tatsächlich in pakistanischen Haushalten angestellt sind. Es ist schwierig, an Daten zu kommen, da weder die Arbeitgeber gerne öffentlich darüber reden, noch leicht an die Kinder oder deren Familien heranzukommen ist. Daten der UN-Kinderhilfsorganisation UNICEF zufolge waren im Jahr 2003 in Pakistan rund acht Millionen Kinder unter 14 Jahren unter anderem in Teppichfabriken, der Landwirtschaft und privaten Haushalten beschäftigt. Weltweit sollen es rund 190 Millionen sein. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt in einem Bericht von 2004, dass in Pakistan 264.000 Haushaltsangestellte noch nicht volljährig waren.

Diese Kinderarbeit verstößt in Pakistan nicht gegen das Gesetz. "Früher galt es als wohltätiger Akt, Kinder armer Familien aufzunehmen und ihnen Arbeit zu geben", sagt Samar Minallah gegenüber IPS. Minallah ist Anthropologin und Dokumentarfilmerin und hat kürzlich einen Film zum Thema gedreht, den sie 'I Have a Dream' genannt hat.


Täter werden nicht verurteilt

Tatsächlich bedeutet es ein nicht unwesentliches zusätzliches Einkommen für arme Familien, ihre Kinder in die Obhut reicher Menschen zu geben. "Dazu kommt, dass in den armen Familien ein hungriger Mund weniger gesättigt werden muss", sagt Anees Jillani, Rechtsanwalt und Kinderrechtsaktivist.

Vor Gericht hat er mit diesen Fällen von Kindesmisshandlung selten zu tun. "In der Regel einigen sich die Familien außergerichtlich. Die Familien der Opfer werden mit einer stattlichen Geldsumme zum Schweigen gebracht", sagt Jillani. Bis heute wurde tatsächlich keiner der Täter zur Verantwortung gezogen.

In den vergangenen Jahren mehren sich jedoch Berichte über Gewalt gegen die minderjährigen Haushaltsangestellten. In den vergangenen zwei Jahren hat die Gesellschaft für die Verteidigung von Kinderrechten (SPARC), eine Nichtregierungsorganisation, 18 Fälle von extremer Gewalt gegen minderjährige Haushaltsangestellte dokumentiert. Fünf von ihnen kamen mit schweren Verletzungen davon, 13 starben.

Für die Kinderrechtsorganisation spiegeln diese Fälle die Unzulänglichkeiten der pakistanischen Justiz wider. "Wir können daran auch ablesen, was unsere Gesellschaft an Ungerechtigkeit und Ausbeutung bereit ist zu tolerieren", sagt Zarina Jillani, die für SPARC arbeitet.

Die NGO fordert von der Regierung Kinderarbeit in privaten Haushalten zu verbieten und gesetzlich auf eine Ebene mit Kinderarbeit in risikoreichen Industrien zu stellen, die bereits illegal ist. Für Zarina Jillani birgt die Arbeit in Familien sogar größere Gefahren als Industriearbeit: "Die Kinder werden fast wie Sklaven gehalten." Von außen habe man keinerlei Einblicke in die Arbeitsbedingungen, sodass die Arbeitgeber uneingeschränkte Kontrolle über die Kinder haben. (Ende/IPS/jt/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2012