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FRAUEN/512: Ägypten - "Bräute" auf Zeit für reiche Araber - Familien verkaufen minderjährige Töchter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2013

Ägypten:
'Bräute' auf Zeit für reiche Araber - Familien verkaufen minderjährige Töchter

Von Cam McGrath


Bild: © Cam McGrath/IPS

Junge Mädchen in armen Regionen Ägypten werden oft Opfer von Menschenhändlern
Bild: © Cam McGrath/IPS

Kairo, 6. August (IPS) - Jeden Sommer kommen wohlhabende männliche Touristen aus den arabischen Golfstaaten in Scharen nach Ägypten, um die heißeste Zeit des Jahres in vornehmen Hotels in Kairo oder Alexandria zu verbringen. Nicht alle bringen ihre Familien und Bediensteten mit. Manche suchen vor allem Sex-Abenteuer mit Minderjährigen.

In El Hawamdia, einer Stadt in einer ländlichen Region etwa 20 Kilometer südlich von Kairo, fällt es sofort auf, wenn die in lange weiße Gewänder gekleideten Araber in Luxusschlitten oder Geländewagen über die holprigen, mit Müll übersäten Straßen fahren. Ägyptische Drogensüchtige nähern sich den Wagen, um ihnen eine kurzfristige Bleibe und die begehrten jungen Mädchen zu vermitteln.

Jedes Jahr werden in El Hawamdia und anderen armen Landgemeinden in Ägypten Tausende Mädchen zwischen elf und 18 Jahren von ihren Eltern unter Vortäuschung einer Heirat an reiche, wesentlich ältere Araber verkauft. Diese Scheinehen halten wenige Stunden oder aber Jahre, je nach Absprache.


Verkappte Kinderprostitution

Azza El-Ashmawy vom Nationalen Rat für Kindheit und Mutterschaft (NCCM) spricht von "verdeckter Kinderprostitution". Der Mann zahle eine bestimmte Summe Geld, um ein paar Tage oder den ganzen Sommer mit dem Mädchen zu verbringen. "Oder er nimmt sie mit in seine Heimat, wo sie im Haus arbeiten oder sich prostituieren muss", sagt die Direktorin der Abteilung, die sich mit Kinderhandel befasst.

Wenn die Ehe beendet ist, wird das Mädchen zu seiner Familie zurückgeschickt, wo die nächste Heirat ansteht. "Manche Mädchen haben im Alter von 18 Jahren bereits 60 Ehen hinter sich gebracht."

Arrangiert werden die Verbindungen durch Vermittler, deren Büros dadurch auffallen, dass sie stets klimatisiert sind. Die meisten Bewohner von El Hawamdia haben nur hin und wieder Strom. Die Broker, oftmals zweitklassige Rechtsanwälte, bieten sogar einen 'Lieferservice' an. Manchmal werden den Kunden bereits elfjährige Dorfmädchen zur Auswahl in ihre Hotels gebracht. Viele Araber, die mit Ehefrau und Kindern reisen, mieten dafür separate Apartments an.

Die Ehen auf Zeit sind ein Weg, um das islamische Verbot von Sex vor der Heirat zu umgehen. "Viele Hotels in Ägypten vermieten keine Zimmer an unverheiratete Paare", erklärt Mohamed Fahmy, ein Immobilienmakler aus Kairo. "Doch jede noch so fadenscheinige Heiratsurkunde macht es den Männern möglich, intime Beziehungen zu einem Mädchen einzugehen."


Gesetze werden nicht eingehalten

Das seit 2008 geltende Kinderschutzgesetz verbietet in Ägypten sexuelle Kontakte zu Minderjährigen unter 18 Jahren. Die Vermittler finden auch für dieses Problem eine Lösung, indem sie Geburtsurkunden fälschen oder dem Mädchen den Personalausweis der älteren Schwester geben. Eine Ehe für einen Tag kostet umgerechnet etwa 115 US-Dollar. Das Geld teilen sich der Vermittler und die Eltern. Will der Mann den gesamten Sommer mit seiner 'Braut' verbringen, muss er zwischen 2.800 und 10.000 Dollar zahlen. Der rechtlich unverbindliche Ehevertrag endet, wenn der Mann in sein Land zurückkehrt.

Auch die Einhaltung eines anderen Gesetzes, das Eheschließungen verbietet, wenn der Altersunterschiede zwischen den Partnern größer ist als 25 Jahre, wird in Ägypten kaum kontrolliert. Seit dem Volksaufstand 2011, der zum Sturz von Präsident Husni Mubarak führte, soll der Handel mit Mädchen weiter zugenommen haben.

Die 'Mitgift', die arabische Männer für Sex mit jungen Mädchen zahlen, wirkt gerade auf arme ägyptische Familien unwiderstehlich. Rund ein Viertel der Bevölkerung lebt von weniger als zwei Dollar am Tag.

Eine von NCCM in Auftrag gegebene Umfrage unter 2.000 Familien in drei Städten nahe Kairo im Jahr 2009 hat ergeben, dass die hohen Summen, die arabische Touristen zahlen, das Hauptmotiv für die zahlreichen 'Sommerehen' sind. Etwa 75 Prozent der Befragten kannten Mädchen, die in diesen Geschäfte verstrickt sind. Die meisten gehen davon aus, dass die Zahl der Scheinehen weiter steigen wird. Laut der Untersuchung stammten mehr als 80 Prozent der 'Bräutigame' aus Saudi-Arabien, zehn Prozent aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und vier Prozent aus Kuwait.


Mädchen ohne Rechtsansprüche

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) werden diese Ehen nicht vom Staat anerkannt. Das Mädchen und eventuelle Kinder, die aus der Verbindung hervorgehen, erwerben keinerlei Rechte.

Sandy Shinouda, die früher ein Heim für Opfer von Frauenhandel leitete und heute für IOM tätig ist, berichtet, dass die Mädchen mehrheitlich aus großen Familien kommen. Manche Eltern ließen Ehen arrangieren, sobald die Tochter die Pubertät erreicht hat. Laut der NCCM-Studie werden etwa ein Drittel der Betroffenen gegen ihren Willen verheiratet. "Den Mädchen ist bewusst, dass ihre Eltern sie verkaufen", sagt Shinouda. Sie später wieder mit den Familien zusammenzuführen, sei ein großes Problem. Denn in vielen Fällen werden sie von den Eltern erneut an Männer verkauft." (Ende/IPS/ck/2013)


Link:

http://www.nccm-egypt.org/e5/e1646/index_eng.html
http://www.iom.int/cms/en/sites/iom/home.html
http://www.ipsnews.net/2013/08/underage-girls-are-egypts-summer-rentals/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2013