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FRAUEN/595: Sri Lanka - Keine Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Juli 2015

Sri Lanka: Keine Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Die wenigen Frauen in Sri Lanka, die Arbeit suchen, sehen sich benachteiligt
Bild: © Amantha Perera/IPS

MIRIGAMA, SRI LANKA (IPS) - Wathsala Marasinghe sieht sich als Opfer einer verfehlten Bildungs- und Beschäftigungspolitik in Sri Lanka. Die 33-Jährige aus der Stadt Mirigama, etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt, besuchte früher eine der besten Schulen im Umkreis und wurde an einer staatlichen Universität angenommen.

"Ich hatte so große Hoffnungen", sagt sie. Mit einem Studienabschluss in Buddhismus und ihrer Muttersprache Singalesisch rechnete sie damit, einen sicheren Arbeitsplatz im Staatsdienst zu finden - als Lehrerin oder Verwaltungsangestellte. Sie ahnte nicht, wie gering ihre Jobaussichten tatsächlich waren.

Bei der Stellensuche stieß Marasinghe auf ein Hindernis nach dem anderen. "Ich habe mich ständig beworben und Vorstellungsgespräche geführt", erzählt sie. "Arbeit habe ich aber nur als Sekretärin in einer kleinen Fabrik gefunden."

Da ihr die Tätigkeit nicht zusagte, stand sie einen Monat später wieder auf der Straße. Verdient hatte sie bis dahin umgerechnet 59 US-Dollar, von denen sie die Hälfte für die Fahrten zur Arbeit ausgegeben hatte. Das durchschnittliche Monatseinkommen in Sri Lanka liegt bei etwa 300 Dollar.

Marasinghes weitere Vorstellungsgespräche blieben erfolglos, während die Mitbewerber immer jünger wurden. Inzwischen hat sie die Jobsuche aufgegeben. Ihr Fall ist keine Ausnahme in einem Land, das sich nach außen hin für die Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt stark macht.


Etwa 90 Prozent der Frauen alphabetisiert

In dem 2012 vom Weltwirtschaftsforum veröffentlichten 'Gender Gap Report' kam Sri Lanka unter 135 untersuchten Ländern auf Platz 39. Das gute Abschneiden sollte nicht verwundern, denn 90 Prozent aller Frauen in dem südasiatischen Inselstaat können lesen und schreiben. In der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen trifft dies sogar auf 99 Prozent zu. Mehr Mädchen als Jungen besuchen in Sri Lanka weiterführende Schulen. Während die Chancengleichheit für Frauen im gesamten gesellschaftlichen Leben zuzunehmen scheint, ist auf dem Arbeitsmarkt davon nichts zu spüren.

Offiziellen Daten zufolge sind 64,5 Prozent der etwa 8,8 Millionen Erwerbstätigen in Sri Lanka Männer und nur 35,5 Prozent Frauen. Etwa zweieinhalb Mal so viele Frauen wie Männer sind arbeitslos. Die durchschnittliche nationale Arbeitslosenrate beträgt 4,2 Prozent. Lediglich 2,9 Prozent der Männer, die sich auf den Arbeitsmarkt begeben, bleiben ohne Job. Bei Frauen liegt der Anteil bei 7,2 Prozent.

Aus den staatlichen Statistiken geht zudem hervor, dass eine gute Ausbildung Frauen bei der Suche nach einem festen Arbeitsplatz nicht unbedingt Vorteile bringt. "Das Problem der Arbeitslosigkeit zeigt sich deutlicher bei gut ausbildeten Frauen als bei entsprechend qualifizierten Männern", heißt es in einer aktuellen Studie des Statistikamtes.

Experten führen die hohe Arbeitslosigkeit bei Frauen auf eine Vielzahl struktureller und sozialer Faktoren zurück. Etwa drei Viertel aller Männer in Sri Lanka, jedoch nur knapp 35 Prozent der Frauen suchen eine Beschäftigung. Die Ökonomin Anushka Wijesinha erklärt dazu, dass Frauen mit einer besseren Ausbildung höhere Ansprüche an ihre Berufstätigkeit stellen. Der Arbeitsmarkt habe sich aber nicht entsprechend entwickelt, um diese Erwartungen zu erfüllen. "Früher wollten Frauen vor allem in der Industrie arbeiten, heute bevorzugen sie den Einzelhandel. In diesem Bereich stehen aber nicht genügend Jobs zur Verfügung."

Muttukrishna Sarvananthan, der das Point-Pedro-Institut für Entwicklung leitet, fordert, auch die etwa 600.000 im Ausland arbeitenden Sri Lankerinnen in die Arbeitsstatistiken einzubeziehen. Die meisten von ihnen sind Haushaltshilfen. Sarvananthan plädiert zudem dafür, den wirtschaftlichen Wert der Hausarbeit anzuerkennen. 42 Prozent der Frauen sind im Dienstleistungssektor beschäftigt, 33,9 Prozent in der Landwirtschaft und etwa 24 Prozent in der Industrie.


Job und Kinder schwer vereinbar

Junge Mütter kritisieren zudem, dass sich Beruf und Familie nur schwerlich in Einklang bringen lassen. Nach Ablauf des staatlich festgelegten Mutterschutzes von drei Monaten musste die 35-jährige Nayana Siriwardena wieder arbeiten gehen. Leider kann sie ihren Arbeitstag nicht flexibel genug gestalten. Die Buchhalterin versuchte vergeblich zu erreichen, einen Teil der Arbeit zu Hause erledigen zu können.


Bild: © Amantha Perera/IPS

Sri Lankas Frauen wünschen sich bessere Verkehrsmittel und Kinderbetreuung
Bild: © Amantha Perera/IPS

Wijesinha schließt nicht aus, dass der staatlich garantierte Mutterschutz viele Firmen davon abhält, jüngere Frauen einzustellen. Denn in den drei Monaten zahlt allein der Arbeitgeber.

Sarvananthan fordert zudem mehr Sicherheit für Frauen am Arbeitsplatz und auf dem Weg dorthin sowie Unterstützung bei der Betreuung der Kinder. "Elternzeit für Väter, Kinderkrippen am Arbeitsplatz sowie bessere und sicherere Verkehrsanbindungen könnten mehr Frauen dazu bringen, berufstätig zu werden. Diese Leistungen sollten vom Staat und von der Privatwirtschaft bereitgestellt werden."

Von der Regierung erwartet er neue Gesetze, die die Diskriminierung der Frau in der Arbeitswelt verhindern. In der Verfassung ist zwar die Gleichbehandlung von Frauen und Männern festgeschrieben. Ein Gesetz, das gleiche Bezahlung garantiert, gibt es bisher aber nicht. (Ende/IPS/ck/08.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/sri-lankan-women-stymied-by-archaic-job-market/

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IPS-Tagesdienst vom 8. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2015

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