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GENDER/026: Uganda - Mehr Gewalt durch Anti-Schwulengesetz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. April 2014

Uganda: Mehr Gewalt durch Anti-Schwulengesetz

von Amy Fallon


Bild: © Amy Fallon/IPS

Sandra Ntebi betreibt eine Hotline für verfolgte LGBTI. Das Foto zeigt sie 2013 auf der Gay Pride-Parade
Bild: © Amy Fallon/IPS

Kampala, 28. April (IPS) - Sandra Ntebi kann sich vor Arbeit nicht mehr retten, seit sie in Uganda eine Hotline für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) eingerichtet hat. Das Gesetz gegen Homosexualität, das Präsident Yoweri Museveni Ende Februar in nationales Recht überführte, "fördert Gewalt", sagt sie.

LGBTI oder Menschen, die dafür gehalten werden, sind derzeit Zielscheiben zahlreicher Übergriffe, Festnahmen, Schikanen und Drohungen. "Die Menschen werden aus ihren Wohnungen geworfen, einige sitzen im Gefängnis. Und jeden Tag kommen neue Fälle hinzu", schildert die LGBTI-Aktivistin. Sie und ihr Team seien mit mehr als 130 Fällen befasst.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass bestimmte homosexuelle Praktiken mit einer lebenslangen Gefängnisstrafe geahndet werden können. Die 'Förderung von Homosexualität' ist ebenso strafbar. Die sexuellen Minderheiten im Lande bringt das Gesetz in akute Lebensgefahr, wie Ntebi am Beispiel einer Transsexuellen namens Brenda schildert.


In ständiger Gefahr

Die Mittdreißigerin lebt außerhalb der ugandischen Hauptstadt Kampala. Seitdem sie von den Medien als Aids-kranke Transsexuelle vorgeführt wurde, lebt sie in ständiger Todesangst. Nachdem man sie im März verprügelt und ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte, verschwand sie hinter Gittern.

"Wir bekamen sie auf Kaution frei", berichtet Ntebi, die selbst aus Angst vor Repressalien nur in Notfällen ihr altes Büro besucht. "Doch nach der Rückkehr in ihr Dorf konnte sie ihr Haus nicht mehr verlassen, weil ihr jeden Tag Menschen auflauerten." Irgendwann gelang es Brenda, der Meute zu entkommen und sich ins Haus einer Freundin zu flüchten. Doch am 17. April wurde sie zum Opfer von Gewalt. Seitdem wartet sie in einem Hotel darauf, dass ihr Ntebi und andere Aktivisten eine sichere Bleibe besorgen.

Am 19. März, etwa zur gleichen Zeit, als Brenda zum ersten Mal überfallen wurde, ging ein gewalttätiger Mob auf drei ugandische Männer los und beschimpfte sie als Schwule. Sie wurden verletzt und mussten im Mulago-Krankenhaus in Kampala medizinisch behandelt werden. Einige Wochen später erhielten Ntebi und ihr Team von einer Botschaft die Nachricht, dass sich möglicherweise ein LGBTI umgebracht habe.

Am 3. April führten Sicherheitskräfte eine Razzia in einer Klinik der Makerere-Universität durch, in der die Universität von Kampala und das US-Militär ein gemeinsames Projekt betreiben, das Aids-kranke LGBTI medizinisch versorgt. Zur Begründung hieß es, dass das Projekt junge Männer in unnatürlichen Sexualpraktiken unterweise. Das Programm ist eines der wenigen, das Aids-kranken LGBTI medizinische Hilfe anbietet.

Viele Aktivisten und LGBTI lebten inzwischen im Untergrund, berichtet Ntebi. Sie trägt eine schwarze Weste, auf deren Rückseite 'Lasst mich in Ruhe' seht. Das Kleidungsstück stammt noch von einer Kampagne, die die Sexuellen Minderheiten in Uganda (SM-UG) 2006 durchgeführt hatten. Die SM-UG ist eine Nichtregierungsorganisation und Dachverband der ugandischen Homosexuellenverbände.

Beyondy ist der Spitzname eines 23-jährigen Modedesigners, der ebenfalls untergetaucht ist. Er lebt nun in einer winzigen Hütte in einem armen Stadtteil Kampalas und verbringt seine Zeit damit, Musikvideos von Beyoncé, Pink und Rita Ora anzusehen. Nach draußen geht er nur, wenn es unbedingt sein muss. Wie er im Gespräch mit IPS erklärte, wäre er selbst gern ein Star. "Doch daraus wird wohl erst einmal nichts werden", meinte er. "Jetzt heißt es nur überleben."

Beyondy wurde bereits mehrfach angegriffen. Er fürchtet, dass sich die Lage für die LGBTI noch weiter verschlimmern wird. Ein Vergewaltiger hätte bessere Chancen begnadigt zu werden als ein Schwuler, erklärte er bitter.


Hoffnung auf Verfassungsgericht

Aktivisten hoffen nun auf Hilfe des Verfassungsgerichts. Berichten der ugandischen Zeitung 'The Observer' zufolge erwartet die Regierung, dass die Klage abgewiesen wird. Im nächsten Monat werden die Richter entscheiden, ob das Gesetz einen Verstoß gegen das Recht der Bürger auf Gleichbehandlung und gegen das Recht auf Schutz vor grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung darstellt.

Doch selbst für den Fall, dass das Gesetz gekippt wird, rechnet Beyondy nicht damit, dass sich für die LGBTI etwas ändern wird. In dem derzeitigen homophobischen Klima, das nach Ansicht von Aktivisten den Hassreden westlicher evangelikalischer Kleriker zu verdanken ist, reicht der Vorwurf der Homosexualität aus, um jeden Bürger des Landes ins Unglück zu stürzen. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/04/persecution-ugandas-gays-intensifies-rights-groups-go-underground/

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IPS-Tagesdienst vom 28. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2014