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INTERNATIONAL/019: Land Grabbing in Hungerstaaten - Menschenrechtsverletzungen programmiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. April 2011

Landwirtschaft: Land Grabbing in Hungerstaaten - Menschenrechtsverletzungen programmiert

Von Karina Böckmann


Berlin, 13. April (IPS) - Eine internationale Konferenz hat sich mit den Folgen der globalen Landnahme durch private Investoren befasst und eine beunruhigende Bilanz gezogen. Demnach findet Land Grabbing vorwiegend in hungergeplagten Ländern ohne Nutzen für die lokale Bevölkerung statt und wird von gravierenden Menschenrechtsverletzungen begleitet.

In keinem der untersuchten Fälle konnten die vom 6. bis 8. April in Sussex versammelten Experten ein Beispiel dafür finden, dass sich der Verkauf oder die Verpachtung großer Landflächen über Jahrzehnte an ausländische Staaten oder Unternehmen positiv auf die Menschen vor Ort ausgewirkt hätte. Ganz im Gegenteil. "So werden die Armen ihres letzten Gutes beraubt - dem Land, von dem sie leben", warnte Roman Herre, Agrarreferent der Menschenrechtsorganisation FIAN.

Nach neuen, auf der Konferenz vorgestellten Zahlen wurden seit 2009 rund 80 Millionen Hektar Agrarland - fast das Fünffache der landwirtschaftlichen Anbaufläche Deutschlands - an gut 1.200 Investoren vergeben. 44 Prozent der Landdeals werden für die Herstellung von Biokraftstoffen verwendet. Angesichts der sich global verschärfenden Nahrungsmittelkrise und der weltweit über eine Milliarde Hungernden hagelt es von Seiten internationaler Entwicklungsorganisationen an Kritik. Der Vorwurf: Abgesehen von den negativen ökologischen Folgen des monokulturellen Anbaus zerstören die Großprojekte die kleinbäuerliche Landwirtschaft und verschärfen den weltweiten Hunger.

"Die Investitionen werden dort getätigt, wo viel gehungert wird. Mit Ernährungssicherheit oder Armutsbekämpfung hat das nichts zu tun", so auch Herre, der an der 'International Conference on Global Land Grabbing' im britischen Sussex teilgenommen hatte.

Die Veranstaltung bestätigte die Befürchtungen der Kritiker, dass es sich beim Phänomen des Land Grabbing um einen Landklau im großen Stil handelt. In Madagaskar trug die Verpachtung von 1,3 Millionen Hektar Land für den Anbau von Mais und Ölpalmen an den südkoreanischen Konzern 'Daewoo Logistics' 2009 sogar zum Sturz der Regierung bei. Nach UN-Angaben haben im südostafrikanischen Armenhaus rund 85 Prozent der Bevölkerung keine zwei US-Dollar und 61 Prozent noch nicht einmal einen Dollar am Tag zum Leben.

In Äthiopien könnten Landnahmen in diesem Jahr zur Zwangsumsiedlung von 75.000 Menschen einschließlich 60.000 indigenen Anuak und 100.000 Nuer führen. "Es ist skandalös, dass Äthiopien um internationale Nahrungsmittelhilfe für die Regionen Oromiya und Ogaden bittet und zugleich den Bauern auch in diesen Gebieten immer mehr Land raubt, um Platz für die Exportproduktion ausländischer Investoren zu schaffen", kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker im Februar.

Angesichts der Tatsache, dass westeuropäische Unternehmen an 150 Land-Grabbing-Deals beteiligt sind, wollen die Niederlande und die Schweiz die eigenen beteiligten Unternehmen katalogisieren. "Die Bundesregierung sollte sich dieser Initiative anschließen", meint Herre. "Dies wäre ein erster Schritt, um sicherzustellen, dass deutsche Investoren nicht zur Verletzung des Rechts auf Nahrung im Ausland beitragen." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.landcoalition.org/
http://www.future- agricultures.org/index.php?option=com_content&view=category&la yout=blog&id=1547&Itemid=978

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2011