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INTERNATIONAL/107: Osttimor - Aktivisten warnen vor Gewalt unter Jugendlichen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. August 2012

Osttimor: Palmwein und Fusel gegen den Frust - Aktivisten warnen vor Gewalt unter Jugendlichen

von Grit Porsch



Berlin, 10. August (IPS) - Besorgt beobachten Aktivisten in Osttimor den wachsenden Alkohol- und Drogenkonsum und die damit verbundene Gewaltbereitschaft junger Leute. Die Altersstruktur der kleinen südostasiatischen Inselrepublik verstärkt die Brisanz des Problems: Drei Viertel der 1,2 Millionen Osttimorer sind noch keine 25 Jahre alt, 41 Prozent noch keine 15 Jahre. Die Jugendarbeitslosigkeit wird auf mehr als 40 Prozent geschätzt. Jedes Jahr machen sich weitere 16.000 junge Leute auf Jobsuche.

Vidal Campos Magno hat die konfliktreichen Jahre unter indonesischer Besatzung und nach dem Unabhängigkeitsreferendum von 1999 nicht vergessen. Als Junge hing der heute 29-Jährige mit Freunden herum, immer bereit, sich mit anderen zu prügeln. "Die damalige politische Lage zwang uns zu kämpfen", entschuldigte er sein, wie er sagt, schlechtes Benehmen. In den Jahren der politischen und militärischen Unruhen waren mehr als 100.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden.

Erst als Magno zum Studium zugelassen wurde, änderte er sein Leben. Heute koordiniert er für die lokale Nichtregierungsorganisation 'Ba Futuru' ('Für die Zukunft') ein Hilfsprojekt für Jugendliche. Hier kann er seine eigenen Erfahrungen einbringen und jungen Menschen, darunter auch ehemaligen Bandenmitgliedern und Ex-Häftlingen, beibringen, auf Alkohol zu verzichten und friedlich miteinander umzugehen. "Das Problem lässt sich nicht mit Verboten oder Strafen lösen, sondern mit Erziehung", ist Magno überzeugt.

"Viele Jugendliche haben keine Arbeit. Sie treiben sich auf der Straße herum, trinken Alkohol, gehen aufeinander los und bewerfen Autos mit Steinen. Das ist ihr Alltag", berichtet der Aktivist gegenüber dem UN-Nachrichtendienst IRIN.


Alkohol leicht zu beschaffen

Aktuelle amtliche Angaben über den Alkoholkonsum im Land gibt es nicht, doch für 2008-2009 stellte Australiens Drogenrat für Osttimor einen weiterhin besorgniserregenden Alkoholkonsum fest. Beliebt sind beispielsweise Palmwein und Palmschnaps, die in recycelten Flaschen am Straßenrand erhältlich sind. Doch auch andere Rauschmittel wie das illegale Amphetamin 'Sabu Sabu' erfreuen sich einer hohen Nachfrage.

'Belun', eine einheimische zivile Einrichtung zur Kontrolle von Konflikten, sieht hinter dem Alkoholkonsum und der Gewaltbereitschaft Jugendlicher verschiedene soziale Gründe wie die mühselige Suche nach einem Job, Sozialneid oder die Enttäuschung, sich keinen längeren Schulbesuch leisten zu können. Mit Hilfe der New Yorker Columbia-Universität befasst sich seine Organisation mit der durch zunehmenden Alkoholkonsum ausgelösten Gewalt.

In Osttimor fehlen Vorschriften, was Angaben zum Alkoholgehalt in Getränken und den Verkauf von Alkohol an Jugendliche angeht. Ebenso wenig gibt es staatliche Rehabilitationseinrichtungen für Alkohol- und Drogenabhängige.


Aktivisten leisten Aufklärungsarbeit

Die von der australischen Behörde für internationale Entwicklung (AusAID) finanzierte Nichtregierungsorganisation 'Pradet' war eine der ersten Gruppen, die Betroffene behandelte. Seit 2009 veranstaltet sie auch Informationsseminare für Gefängnisinsassen, Polizisten und kommunale Behörden.

Aufklärungsarbeit ist besonders wichtig, wie der Pradet-Direktor Manuel dos Santos gegenüber IRIN betont. Denn in Osttimor halten die meisten Menschen übermäßigen Alkoholkonsum keineswegs für schädlich. "Viele Teilnehmer der Workshops waren überrascht zu hören, welche negativen Folgen Alkohol hat", berichtet er. Es gab Vorschläge, den Verkauf von Alkoholdrinks zu verbieten und Alkohol durch Steuern zu verteuern. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:

http://www.bafuturu.org/
http://www.pradet.org/programs
http://www.irinnews.org/printreport.aspx?reportid=95997

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2012