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INTERNATIONAL/260: Uruguay - "Die Pandemie Rassismus hat in unserer Gesellschaft Tradition" (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Uruguay

"Die Pandemie Rassismus hat in unserer Gesellschaft Tradition"


Im Zuge des Social Distancing nimmt geschlechtsspezifische Gewalt rasant zu. Besonders betroffen sind afrikanischstämmige Frauen.

(Montevideo, 18. Mai 2020, saladeredacción) - COVID-19 verschärft die Probleme der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen, finden afro-uruguayische Gemeinden. "Rassismus und Diskriminierung gehören zum Alltag der afrikanisch-stämmigen Bevölkerung - von der Zeit der Sklaverei bis heute", erklärt Carla Méndez, Mitglied des afro-uruguayischen Frauenkollektivs Mizangas Mujeres Afrodescendientes. Die gegenwärtige Pandemie-Situation trage das ihrige dazu bei, um rassistisch bedingte Ungleichheiten weiter zu verstärken. "Rassismus ist eine Pandemie, die die Geschichte unserer Gesellschaft begleitet", so Méndez weiter.


Das Rassismus-Virus bestimmt das Leben

Zwar gibt die Regierung seit der Ausrufung des Gesundheitsnotstands am 13. März regelmäßig Lebensmittelkörbe aus, jedoch sind insbesondere die afro-uruguayischen Bevölkerungsgruppen mit den von den Behörden ergriffenen Maßnahmen unzufrieden: Die Hilfeleistungen seien beschränkt, so Méndez, "denn sie bieten keine mittel- und langfristigen Perspektiven und berücksichtigen nicht die bestehenden strukturellen Ungleichheiten."

"Ob Corona oder nicht: das Rassismus-Virus bestimmt das Leben", betont das Mizanga-Kollektiv in einer Pressemitteilung. Die aktuelle Situation im Land beschreiben sie folgendermaßen: "Der Staat muss die verwundbarsten Menschen schützen. Wir fordern effektive Maßnahmen, die die Rechte von Hausangestellten, Wohnungslosen, Sexarbeiter*innen, Tagelöhner*innen, Schausteller*innen, Straßenverkäufer*innen und Künstler*innen garantieren."


Afrikanisch-stämmige Frauen erleben mehr Gewalt als andere

Orlando Rivero, ehemaliger Berater der uruguayischen Planungsbehörde OPP (Oficina de Planeamiento y Presupuesto), bekräftigte, die verletzliche Situation der afrikanisch-stämmigen Bevölkerung habe sich durch die Pandemie verschlimmert, sie sei jedoch "schon seit einigen Jahren kritisch; das ist nicht erst seit heute so". Rivero erklärte weiter, das Schlimmste sei der hohe Anteil an informellen Beschäftigungsverhältnissen, "wovon überwiegend die afrikanisch-stämmige Bevölkerung betroffen ist, somit ist für sie auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung schwieriger."

Rivero kritisierte, dass sich anhand der behördlichen Daten nicht feststellen lasse, ob die mit dem Coronavirus infizierten Personen afrikanisch-stämmig sind. Laut Beatriz Ramírez, Direktorin für Menschenrechte im Ministerium für soziale Entwicklung (Mides) betrachten antirassistische Organisationen die Auswirkungen der sozialen Distanz auf das Leben afrikanisch-stämmiger Frauen als besonders besorgniserregend, denn diese führe zu einer Zunahme der geschlechtsspezifischen Gewalt: "Die Frauen haben nun keine Möglichkeit, ihre Sachen zu machen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen." Dazu Méndez: "Afro-uruguayische Frauen erleben mehr geschlechtsspezifische Gewalt als andere Frauen", weshalb sich die Arbeit der verschiedenen Gruppen auf diese Art von Gewalt konzentriere. "Wir wissen sehr genau, dass die gegenwärtige Pandemie rassistische Gewalt in den Einkaufszentren und auf den Straßen begünstigt, während in den privaten Haushalten patriarchale Gewalt zunimmt, ohne dass der Staat sich dieses Problems in angemessener Weise annimmt", so die Gruppe Mizangas in ihrer Erklärung.


Solidaritätskampagnen

Aufgrund der gesundheitlichen Notlage wurden verschiedene Aktionen veranstaltet, um die stärker gefährdete Bevölkerung zu unterstützen. Der Anti-Rassismus-Block und die Yambo-Kenia-Gruppe sammelten in verschiedenen Stadtteilen Spenden. Aus Rivera berichtet Gilda Machado, wie ihre Gruppe Identidad Afro Rivera (Idafro) das Personal des örtlichen Krankenhauses mit Mundschutz und medizinischer Schutzbekleidung versorgt. "Das Krankenhaus stellt den Vliesstoff und gibt uns ein Modell, und wir schneidern die Schutzbekleidung."


Mehr als ein Korb mit Lebensmitteln

Verschiedene soziale Organisationen in Montevideo als auch im Landesinneren seien damit beschäftigt, Geld zu sammeln, um der Bevölkerung beim Kauf von Lebensmitteln zu helfen, berichtet Machado. "Die Idee ist, afro-uruguayische Familien, LGBTs und Behinderte, die sich in kritischen Situationen befinden, zu erfassen und ihnen dieses Geld als Unterstützung zukommen zu lassen, damit es in den Geschäften innerhalb des eigenen Bezirks wieder ausgegeben wird", erklärte Machado. Dies sei mehr, als den Familien mit einem Korb Essen zu helfen, denn da das Geld in der Nachbarschaft bleibe, werde zusätzlich ein Beitrag zur Solidarwirtschaft geleistet, ergänzt Méndez. "Dann helfen wir auch den Läden in den Vierteln. Es ist ein kleiner Beitrag zur Unterstützung des lokalen Einzelhandels".


Spendenakquise und politische Mobilisierung

Das Mizanga-Kollektiv startete auch eine Kleidersammlung für Frauen, die mit ihren Kindern im Gefängnis sitzen. "Wir erhielten viel Unterstützung aus der Gemeinde; am Ende hatte wir mehr Kleiderspenden, als wir brauchten, so dass wir auch was an andere Verbände weitergeben konnten, die noch Bedarf hatten", so Méndez. Ihre Gruppe habe außerdem an einer Video-Kampagne teilgenommen, die international gestartet wurde, um gegen die Erprobung eines Impfstoffs in Afrika zu protestieren. "Wir haben ein Video dagegen produziert und die Leute ermutigt, eigene Videos zu machen und zu senden", erzählt das Kollektivmitglied.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2020

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