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REDE/056: Schröder - Gesetzentwurf zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes, 24.02.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vor dem Deutschen Bundestag am 24. Februar 2011 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Wehrpflicht geht und mit ihr auch der Zivildienst. Wie schwer der Abschied fällt, merken viele von Ihnen zurzeit in ihren Wahlkreisen. Viele kranke, ältere und behinderte Menschen sind in Sorge, weil sie die Arbeit der Zivis als große Hilfe empfunden haben. Viele soziale Einrichtungen befürchten, dass sie nicht mehr all das anbieten können, was aus Pflege Fürsorge macht: Zeit, Hilfe und Zuwendung über das medizinisch Notwendige hinaus.

Die spürbare Wehmut in den Wochen des Abschieds ist aber auch eine große, eine schöne Anerkennung für all das, was junge Männer in den letzten 50 Jahren in mehr als 37.000 Einrichtungen in Deutschland geleistet haben. Sie haben mit dem Zivildienst über die Jahre hinweg ein dicht geknüpftes Netz der Fürsorge gespannt und es zu einem tragenden Pfeiler für den Zusammenhalt der Gesellschaft gemacht. Gerade deshalb haben wir jetzt die Chance, diesen Dienst weiterzuentwickeln zu einem freiwilligen Angebot, das Männern und Frauen jeden Alters offensteht, zu einem Angebot, das Menschen davon überzeugt, sich Zeit für Verantwortung zu nehmen, und zu einem Angebot, das Jung und Alt verbindet. Mit dem Bundesfreiwilligendienst haben wir dafür die Voraussetzungen geschaffen.

Der Bundesfreiwilligendienst ist der Nährboden für eine neue Kultur der Freiwilligkeit in Deutschland, für ein Umfeld, in dem sich jüngere und ältere Menschen beteiligen wollen und aus eigener Motivation heraus aktiv werden können.

Kurz die Eckpunkte: Der Bundesfreiwilligendienst steht Männern und Frauen jeden Alters offen. Die Freiwilligen sind gesetzlich sozialversichert. Sie erhalten ein Taschengeld, das in Ost und West die gleiche Obergrenze hat. Der Einsatz soll zwischen sechs und 24 Monate betragen, in der Regel Vollzeit. Bei den über 27-Jährigen ist eine Teilzeit von mehr als 20 Wochenstunden möglich. Die Einsatzbereiche werden auf Sport, Integration, Kultur, Bildung, Zivil- und Katastrophenschutz ausgedehnt.

Unser Ziel für den neuen Bundesfreiwilligendienst sind 35.000 Freiwillige pro Jahr. Das ist zwar ein ehrgeiziges Ziel, aber ich bin optimistisch, dass wir dieses Ziel erreichen werden. Optimistisch stimmt mich zum Beispiel, dass schon im Moment 30.000 junge Männer in Deutschland die Möglichkeit nutzen, ihren Zivildienst freiwillig zu verlängern. Das ist eine Möglichkeit, die wir erst ganz aktuell geschaffen haben.

Viele Menschen im Ruhestand sind Gott sei Dank so fit und wollen etwas von ihrer Lebenserfahrung und ihrem Wissen weitergeben. Auch in anderen Lebensabschnitten sind Auszeiten, zum Beispiel in Form von Sabbaticals, attraktiv. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist also vorhanden.

Gleichzeitig werden das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr ausgebaut. Insgesamt fördert der Bund die Freiwilligendienste künftig mit mehr als 350 Millionen Euro im Jahr. Gemeinsam mit den Trägern und den Verbänden bin ich davon überzeugt, dass das vorliegende Gesetz die Freiwilligendienste in Deutschland insgesamt stärken wird.

Die Opposition wird dennoch zum x-ten Mal die angeblichen Doppelstrukturen kritisieren. Da Ihnen jetzt wahrscheinlich auch wieder nichts anderes einfällt als die scheinheilige Frage, warum wir neben dem FSJ und dem FÖJ noch einen Bundesfreiwilligendienst brauchen, will ich Ihnen das ganz präzise beantworten: Wir brauchen ihn, weil die Länder schlicht nicht bereit sind, für den Ausbau der Freiwilligendienste 300 Millionen Euro auszugeben. Der Bund hingegen ist dazu bereit. Wir investieren das Geld in die Engagementförderung. Damit sind wir die Bundesregierung, die wie keine Bundesregierung zuvor so viel Geld in den Ausbau des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland steckt.

Vor uns liegt eine gewaltige Gemeinschaftsaufgabe. Wir müssen dafür werben, dass sich möglichst viele Männer und Frauen, jüngere und ältere, in einem Freiwilligendienst engagieren. Dafür brauchen wir passgenaue Angebote sowie Tätigkeiten, die attraktiv und sinnvoll sind. Wir brauchen aber auch mehr Anerkennung für gesellschaftliches Engagement in Deutschland.

Im Januar dieses Jahres habe ich Vertreter der Bundesländer, der kommunalen Spitzenverbände, der Hochschulrektorenkonferenz, der Wirtschaftsverbände und viele andere an einen Tisch geholt, um darüber zu beraten, wie wir die Anerkennungskultur in Deutschland stärken können. Wir waren uns darüber einig, dass eine uniforme Anerkennung nicht weiterhilft. Es mag beispielsweise für den einen oder anderen eine super Sache sein, den Freiwilligendienst als Wartezeit für einen Studienplatz anrechnen zu lassen. Das bringt aber demjenigen relativ wenig, der im Ruhestand viel-leicht noch einmal für ein Jahr in einer Kita aushelfen möchte. Deshalb brauchen wir ein ganzes Bündel unterschiedlicher Anreize, mit denen die jeweiligen Zielgruppen angesprochen werden sollen. Dafür müssen wir gemeinsam sorgen.

Ich persönlich finde es wichtig, dass wir dabei ganz besonders junge Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, bei Doppelstaatlern mit den jeweiligen Herkunftsländern darüber zu verhandeln, ob dort von der Wehrpflicht abgesehen werden kann, wenn in Deutschland ein Bundesfreiwilligendienst absolviert wurde. Dabei denke ich vor allem an junge Männer mit türkischem Migrationshintergrund. Bei der Wehrpflicht gibt es momentan bereits ähnliche Absprachen. Es wäre sehr gut, wenn wir das auf den Bundesfreiwilligendienst übertragen könnten. Mit Sicherheit ist nichts so wirksam für die Integration wie ein Bundesfreiwilligendienst. Dieser Dienst bringt mehr als so manche staatliche Maßnahme.

In Deutschland gibt es allein aufgrund des Optionsmodells sehr viele junge Männer mit doppelter Staatsangehörigkeit, die noch Zeit haben, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Die Möglichkeit, hier in Deutschland einen Bundesfreiwilligendienst zu absolvieren, kann dabei ein wichtiges Entscheidungskriterium sein.

Wenn Sie den Geist des Zivildienstes erhalten und auch weiterhin ein Netz der Fürsorge und der Hilfe in Ihrem Wahlkreis haben wollen, dann helfen Sie mit, eine neue Kultur der Freiwilligkeit in Deutschland zu etablieren. Sagen Sie Ja zum Bundesfreiwilligendienst. Überzeugen Sie gemeinsam mit mir die Menschen in unserem Land davon, dass es sich lohnt, sagen zu können: Ich habe gedient.


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Quelle:
Bulletin Nr. 20-2 vom 24.02.2011
Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Kristina Schröder, zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines
Bundesfreiwilligendienstes vor dem Deutschen Bundestag am 24. Februar 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2011