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KONVENTION/004: Abrüstung - Mehr Transparenz durch globales Waffenhandelsabkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. August 2014

Abrüstung: Mehr Transparenz durch globales Waffenhandelsabkommen - UN bereitet sich auf Inkrafttreten vor

von Joel Jaeger


Bild: © Devra Berkowitz/UN

Die UN-Vollversammlung hatte das Waffenhandelsabkommen am 2. April 2013 gebilligt
Bild: © Devra Berkowitz/UN

New York, 21. August (IPS) - Bei den Vereinten Nationen sind die Vorbereitungen für ein Inkrafttreten des internationalen Abkommens zur Kontrolle des Waffenhandels (ATT) angelaufen. Das ATT wird den grenzüberschreitenden Handel mit konventionellen Waffen - den eigentlichen Massenvernichtungswaffen der Neuzeit - verbindlich regeln und transparenter machen.

Die Konvention verbietet den Transfer dieser Rüstungsgüter an Länder, in denen die Gefahr besteht, dass die Lieferungen für Kriegsverbrechen oder systematische Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten ferner zur alljährlichen Vorlage von Berichten über die Ein- und Ausfuhren konventioneller aber auch leichter und kleiner Waffen.

Abrüstungsexperten zufolge werden sich diese nationalen Berichte qualitativ und quantitativ von den bisherigen unterscheiden, die vom 1991 etablierten UN-Register für konventionelle Waffen (UNROCA) eingefordert werden. Da kein Berichterstattungszwang besteht, liefern die meisten Länder nur sporadisch, wie Daniël Prins, Leiter der Abteilung für konventionelle Waffen im UN-Büro für Abrüstungsfragen, bestätigt. "Unter solchen Umständen können wir uns kein vollständiges Bild machen."


Waffenimporteure weniger auskunftswillig

Allein schon die jährlichen UNROCA-Zusammenfassungen offenbaren Ungereimtheiten. So wurden 2012 760 Kampfpanzer aus-, aber nur 446 eingeführt. Dazu meint Paul Holtom, Vizedirektor des Studienzentrums für Frieden und Versöhnung an der Coventry-Universität, dass Waffenexporteure in der Regel auskunftsbereiter seien als -importeure. "In einer Vielzahl von Staaten herrscht eine Kultur der Geheimhaltung", betont er. Das gelte vor allem für die Waffenimporteure in Nahost und Afrika. "Generell lässt sich sagen, dass sie nicht wollen, dass die Informationen an die Öffentlichkeit gelangen."

Dass die Berichte oftmals unvollständig sind, begründen die betroffenen Staaten in der Regel mit fehlenden Informationen, einem Zeit- und Ressourcenmangel sowie einer unzureichenden Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen. Seinen bisher größten Erfolg erlebte das UN-Waffenregister 2001, als 126 Länderberichte eingereicht wurden. 2012 waren es dann allerdings nur noch 72.

Doch die laxe Haltung der Länder wird mit dem Ende des 2014/Anfang 2015 erwarteten Inkrafttretens des Waffenhandelsabkommens, das die UN-Vollversammlung am 2. April 2013 gebilligt hatte, der Vergangenheit angehören. Denn das ATT ist viel mehr als nur eine Transparenzkonvention. Die Länder, die das Abkommen ratifizieren, sind als Vertragsstaaten dazu verpflichtet, sämtliche Importe und Exporte konventioneller Waffen und zwar aller sieben Kategorien - gepanzerte Kampffahrzeuge, Kampfpanzer, großkalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe, Raketen inklusive Start- und Abschusssysteme - auf jährlicher Basis offenzulegen.

Zudem gilt die Auskunftsverpflichtung auch für kleine und leichte Waffen, die im UN-Waffenregister lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Neuerung wird von zivilgesellschaftlichen Akteuren begrüßt. Denn meist sind es diese Rüstungsgüter, die in Konflikten die meisten Opfer fordern. "Das Waffenhandelsabkommen hat das Potenzial, den Umfang kleiner und leichter Waffen detailliert sichtbar zu machen", betont Sarah Parker vom 'Small Arms Survey' mit Sitz in Genf. Allerdings müsse die Reichweite des ATT auch auf andere moderne Waffenkategorien und -technologien ausgeweitet werden.

Prins zufolge ist das ATT durchaus für künftige Herausforderungen gewappnet. "Natürlich wird es nicht jedes militärisch genutzte Objekt wie etwa Lastwagen aufführen. Doch alle größeren Waffensysteme sind abgedeckt", versichert er. "Das Abkommen ist so angelegt, dass es spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten an neue Anforderungen angepasst werden kann. Allerdings bedarf es dafür der Zustimmung der Mitglieder."

Das UN-Register und die ATT-Waffenoffenbarungsinstrumente werden künftig koexistieren. Nach Angaben von Holtom, der 2013 eine Gruppe von Regierungsexperten des Registers beraten hatte, würden durch eine Auflösung des Registers wertvolle Informationen aus Ländern verloren gehen, die dem ATT noch nicht beitreten wollen, wohl aber dem UN-Register Auskunft geben. "Russland und China berichten dem UN-Register regelmäßig", unterstreicht er. "Beide Länder lassen bisher aber keine Anzeichen dafür erkennen, dass sie in nächster Zeit das ATT unterzeichnen geschweige denn ratifizieren werden."

118 Länder haben das ATT bisher unterzeichnet, 43 haben es ratifiziert. Das Abkommen tritt offiziell drei Monate nach der 50. Ratifizierung in Kraft. "Ich bin überrascht, dass es so schnell geht", meint Holtom. Ursprünglich war das Inkrafttreten 2014 eine Wunschvorstellung gewesen, die jedoch in greifbare Nähe gerückt ist.


Mehr als die Mindestratifizierungen

Prins erwartet, dass die Zahl der Ratifizierungen über die Mindestzahl von 50 herausgehen wird. Unmittelbares Ziel ist es, mehr als die Hälfte der UN-Mitgliedstaaten als Vertragsstaaten zu gewinnen. Weitere Ratifizierungen seien zwar möglich, würden aber noch Jahre auf sich warten lassen, meint der Experte.

Allerdings hängt die Wirkung des ATT von der Bereitschaft der führenden Waffenimporteure und -exporteure ab, mitzuziehen. Die Europäische Union will offenbar mitmachen, doch die USA und Russland zeigen bisher keine derartigen Neigungen.

US-Präsident Barack Obama hatte das Abkommen im letzten Jahr unterzeichnet, doch eine parteiübergreifende Mehrheit im US-Kongress stellte sich bei der Ratifizierung quer. Allerdings steht es den USA nicht frei, Waffen zu exportieren. "Die USA argumentieren, dass sie bereits über eines der weltweit striktesten Waffenexportkontrollsysteme verfügen", meint Parker. "Offen gesagt halte ich das Argument für legitim."

Indien und China, die beiden größten Importeure von konventionellen Waffen, haben sich ihrer Stimme für das ATT in der UN-Vollversammlung im letzten Jahr enthalten. Indien hat immerhin zugesagt, über die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf eigene Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitikinteressen zu beraten. Chinas Stimmenthaltung war eine rein verfahrenstechnische Entscheidung, da Peking keine Einwände gegen konkrete Passagen des Abkommens erhoben hatte.

Die Vorbereitungen für das Inkrafttreten des ATT sind bereits angelaufen. Das UN-Büro für Abrüstungsfragen hat einen Trustfonds eingerichtet, der Ländern bei der Umsetzung des Abkommens finanziell unter die Arme greifen wird, wie Prins gegenüber IPS erläutert. Parker zufolge hat Mexiko angeboten, die erste Konferenz der Vertragsstaaten auszurichten, die aller Voraussicht nach zwischen April und September 2015 stattfinden wird.

Wie Paul Holtom berichtet, soll die Verbreitung der Informationen über den globalen Waffentransfer kritischen nationalen Debatten Vorschub leisten, die wiederum auch von einem unabhängigen Beobachtungsgremium angestoßen werden könnten. "Es gibt Pläne über eine Art von ATT-Monitorstelle, der NGOs, zivilgesellschaftliche und akademische Institutionen angehören", berichtet Parker. Diese könnten etwa evaluieren, ob die Umstände in den potenziellen Importländern eine Lieferung von Waffen empfehlenswert machten.


Auf jeden Fall ein Fortschritt

Generell besteht kein Zweifel an der Überlegenheit des ATT gegenüber dem UN-Register. Das lässt sich beispielsweise anhand der jüngsten Entscheidungen der USA und Frankreich zeigen, die kurdische Miliz im Irak auszurüsten. Keines der beiden Länder hat bisher Angaben über die Zahl der Waffen gemacht, die geliefert werden sollen.

Da die Kurden eine subnationale Gruppe sind, fallen die Transfers nicht in den Zuständigkeitsbereich des UN-Registers, das sich auf den Informationsaustausch zwischen Staaten beschränkt. Das ATT hingegen verlangt Einblick in die Waffentransfers an nichtstaatliche Akteure. Unter dem ATT müssten die USA und Frankreich somit über diese Lieferungen berichten.

Das UN-Register war im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg entwickelt worden. Es sollte im Interesse der Konfliktvermeidung für mehr Transparenz sorgen und vertrauensbildende Prozesse in Gang setzen. Das ATT trägt dem Umstand Rechnung, dass internationale Streitigkeiten zunehmend Binnenkonflikten mit bewaffneten Subgruppen gewichen sind. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/08/u-n-prepares-for-overhaul-of-arms-trade-reporting/

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IPS-Tagesdienst vom 21. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2014