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KONFERENZ/179: Klimaflüchtlinge kein Thema auf Konferenz zu kleinen Inselentwicklungsländern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. August 2014

UN: Klimaflüchtlinge kein Thema auf nächster Konferenz zu den kleinen Inselentwicklungsländern

von Thalif Deen


Bild: © Desmond Brown/IPS

Ein Junge in Georgetown in Guyana auf einer überschwemmten Straße
Bild: © Desmond Brown/IPS

New York, 27. August (IPS) - Im September findet auf Samoa eine internationale Konferenz zu den kleinen Inselentwicklungsstaaten (SIDS) statt. Doch das politisch brisante Thema der 'Klimaflüchtlinge' wird dort nicht zur Sprache kommen. So findet sich der Vorschlag, eine neue Kategorie von Umweltflüchtlingen zu schaffen, die durch den Anstieg des Meeres ihre Heimat verlieren, nicht in der Abschlusserklärung, wie ein Diplomat aus den SIDS gegenüber IPS erklärte.

Die reichen Länder, die in nächster Nachbarschaft zu den kleinen Inselstaaten liegen, seien von der Aussicht, von einer Welle von Flüchtlingen überrollt zu werden, wenig begeistert, erläuterte die Quelle. Der Vorschlag würde eine Reform der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 erforderlich machen.

Das Abschlussdokument, auf das sich ein UN-Vorbereitungskomitee bereits im vergangenen Monat verständigt hatte, soll auf dem internationalen Treffen in der Samoa-Hauptstadt Apia angenommen werden.

Sara Shaw, Koordinatorin für Klimagerechtigkeit und Energie bei den 'Friends of the Earth International' (FoEI), erklärte gegenüber IPS: "Wir glauben, dass Klimaflüchtlinge ein legitimes Recht auf Asyl haben, von der UN-Flüchtlingskommission anerkannt werden und internationalen Schutz genießen müssen."


Verursacher wollen von den Opfern des Klimawandels nichts wissen

Leider sind ausgerechnet diejenigen Industriestaaten, die für den Großteil der in der Erdatmosphäre befindlichen Klimagase verantwortlich sind, gegen die Ausweitung der Flüchtlingskonvention auf Klimaflüchtlinge. "Und noch schlimmer: Sie versuchen, den bestehenden Schutz für Flüchtlinge auch noch zu schwächen", meinte Shaw.

Der weltweit erste Mensch, ein Bürger Kiribatis, der um den Status eines Klimaflüchtlings angesucht hatte, ist im vergangenen Mai vor einem neuseeländischen Gericht mit seinem Asylantrag gescheitert. Der Richter erklärte, dass im internationalen Flüchtlingsrecht die Erteilung von Asyl aufgrund der globalen Erwärmung und des Anstiegs des Meeressspiegels nicht vorgesehen sei.

Der 37-jährige Kläger hatte geltend gemacht, dass sein Heimatinselstaat im Meer versinkt und er deshalb in einem Land in Übersee neu anfangen wolle. Doch das Tribunal berief sich auf die UN-Flüchtlingskonvention von 1951. In jenem Jahr war das Phänomen des Klimawandels noch unbekannt gewesen.

Die Konvention sieht den Flüchtlingsstatus ausschließlich für Menschen vor, "die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen, um Zuflucht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu suchen".

Der elektronische Newsletter der Vereinten Nationen, der 'U. N. Daily News', zitierte François Crépeau, den Sonderberichterstatter über die Menschenrechte von Migranten, mit den Worten: "Wir haben in der internationalen Rechtsprechung keinerlei Mechanismen, die Menschen erlauben, ein anderes Land gegen den Willen jenes Landes zu betreten, es sei denn sie sind Flüchtlinge." Und selbst dann verfügten sie nicht wirklich über das Recht, das Land zu betreten, dürften aber dafür nicht bestraft werden.


SIDS von Klimaverhandlungen enttäuscht

Im vergangenen September hatte der Ministerpräsident von Antigua und Barbuda, Winston Baldwin Spender, vor der UN-Vollversammlung erklärt: "Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, die es verdient, ständig wiederholt zu werden: dass nämlich kleine Inselstaaten am wenigsten zu den Ursachen des Klimawandels beigetragen, aber am stärksten unter den Folgen zu leiden haben." Zudem erklärte er, dass die kleinen Inselstaaten ihre "tiefe Enttäuschung" über den Mangel an konkreten Ergebnissen durch die UN-Klimaverhandlungen ausgedrückt hätten.

Die Industriestaaten sollten ihrer moralischen, ethischen und historischen Verantwortung für die von ihnen verursachten hohen Treibhausgasemissionen nachkommen. "Es sind diese Aktivitäten, die unseren Planeten in Gefahr gebracht haben und das Wohlergehen unserer künftigen Generationen aufs Spiel setzen", fügte er hinzu.

Kristin Casper, Rechtsberaterin für Kampagnen und Aktivitäten von 'Greenpeace International', sprach im IPS-Gespräch von einem "Skandal, dass tief liegende Küstengebiete und kleine Inselentwicklungsstaaten bis zum Ende des Jahrhunderts ihr Territorium aufgrund des ansteigenden Meeres aufgeben müssen".

Ihrer Meinung nach wird die Klimamigration ansteigen. "Deshalb begrüßen wir den dringlichen Ruf der kleinen pazifischen Inselentwicklungsstaaten, der anderen Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nach Handlungsweisen, durch die die Welt im Umgang mit der Klimamigration Fairness walten lassen kann."

Casper zufolge steht außer Frage, dass Regierungen eine Verpflichtung haben, das Risiko klimabedingter Katastrophen zu verringern und den vertriebenen Menschen und Gemeinden rechtlichen Schutz in- und außerhalb ihrer Länder zu ermöglichen.

Die Samoa-Konferenz über die SIDS ist die dritte ihrer Art. Die beiden Vorgängerveranstaltungen fanden 1994 in Barbados und 2005 in Mauritius statt. Zu den 52 SIDS gehören zum Beispiel Antigua und Bahamas, Barbuda, Fidschi, Grenada, Kuba, Osttimor, Suriname, Tuvalu und Vanuatu.

Wie der Generalsekretär der Samoa-Konferenz, Wu Hongbo, gegenüber Journalisten erklärte, erwartet man mehr als 700 Gäste. Dazu gehören politische Führer, 21 Chefs von UN-Agenturen und mehr als 100 NGOs. Das Abschlussdokument enthalte eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die jedoch nicht allein von den Regierungen gestemmt werden können.

Shaw von den FoEI wies darauf hin, dass es Millionen Menschen auf der Welt gebe, die aufgrund von Hunger oder Konflikten Schutz in anderen Ländern suchten. Viele dieser Krisen würden direkt durch den Klimawandel verschärft, wenn beispielsweise Süßwasserreserven schrumpften.

"Die Auswirkungen des Klimawandels, die sich im Anstieg des Meeresspiegels, Dürren und anderen, immer häufiger auftretenden extremen Wetterphänomenen niederschlagen, werden die Zahl der Flüchtlinge weltweit in die Höhe treiben", warnte sie.

Friends of the Earth würden es begrüßen, wenn die Klimaflüchtlinge im Rahmen der UN-Flüchtlingskonvention anerkannt würden und internationalen Schutz genössen. "Allerdings bezweifeln wir, dass die reichen Staaten die Klimaflüchtlinge wärmstens willkommen heißen werden, obwohl sie mit ihren Verschmutzungsaktivitäten diese Menschen heimatlos gemacht haben."


Aussperren statt aufnehmen

"Realistisch ist, dass die überwiegende Mehrheit der Klimaflüchtlinge wie schon diejenigen, die durch Konflikte und Verfolgung entwurzelt wurden, in den armen Ländern Schutz finden werden. Die reichen Staaten hingegen werden noch größere Mauern und Zäune um sich hochziehen, um diejenigen auszusperren, die ein sicheres Leben für ihre Familien suchen", sagte Shaw.

Den UN zufolge liegen die SIDS in den Weltregionen, die die intensivsten und häufigsten Natur- und Umweltkatastrophen erleben. Zudem sind in Katastrophenfällen die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen überproportional hoch. Diese besonderen Widrigkeiten verstärken andere Probleme, mit denen Entwicklungsländer in der Regel ohnehin schon geschlagen sind. Dazu zählen die Herausforderungen um das Thema Handelsliberalisierung und Globalisierung, Nahrungsmittelsicherheit, Energieabhängigkeit, Frischwasserressourcen, Landverödung, Abfallmanagement und Artenvielfalt. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/08/u-n-conference-set-to-bypass-climate-change-refugees/

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IPS-Tagesdienst vom 27. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2014