Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → UNO

MELDUNG/041: Somalia - Piratenangriffe beunruhigen Indien, UN erwägen Extraterritorialgericht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Januar 2011

Somalia: Piratenangriffe beunruhigen Indien - UN erwägen Extraterritorialgericht

Von Thalif Deen


New York, 28. Januar (IPS) - Ein ehemaliger Botschafter bei den Vereinten Nationen hat den USA einmal augenzwinkernd nachgesagt, sie seien der irrigen Annahme aufgesessen, dass der Indische Ozean zu Indien gehört. "Das ist zwar nicht der Fall, doch wünschten wir, es wäre so", sagte der Diplomat. Die zunehmenden Piratenangriffe vor der somalischen Küste lassen in Neu-Delhi die Alarmglocken schrillen.

"Das somalische Piratentum hat sich in eine organisierte Industrie verwandelt", warnte am 25. Januar Indiens ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Hardeep Singh Puri, auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. 95 Prozent aller Übergriffe in internationalen Gewässern gingen inzwischen auf das Konto somalischer Piraten.

Puri schilderte die Gefahren, die von Seeräubern gerade für Indien mit einer Küstenlinie von insgesamt 7.500 Kilometern ausgehen. Ein großer Tel des indischen Handels im Gesamtwert von 110 Milliarden US-Dollar verläuft durch den Golf von Aden. 24 Handelsschiffe unter indischer Flagge durchqueren jeden Monat den Golf. Zudem sind über sechs Prozent aller weltweiten Schiffsmannschaften Inder. "Wir haben deshalb ein starkes Interesse an der Sicherheit des Schiffsverkehrs vor der somalischen Küste, im Golf von Aden und im Arabischen Meer", betonte der Diplomat.


Gerichtskosten auf 25 Millionen Dollar geschätzt

Alarmiert über die zunehmende Zahl gekaperter Schiffe und Lösegeldforderungen für Schiffe und Mannschaften haben die UN vorgeschlagen, einen Gerichtshof außerhalb Somalias in Tansania einzurichten, der sich zumindest übergangsweise der Pirateriefälle annimmt. Die Kosten für das Tribunal schätzt der UN-Sonderberater für Piraterie Jack Lang auf rund 25 Millionen US-Dollar. Das sei ein relativ kleiner Betrag im Vergleich zu den Kosten, die von Piraten verursacht werden, sagte er.

Lang zufolge sollten die Budgetkosten für die internationale Komponente des Projekts - die Schulung von Richtern, Staatsanwälten und Gefängniswärtern - nicht allein von den Vereinten Nationen, sondern auch von der Afrikanischen Union (AU), der Europäischen Union (EU) und anderen regionalen und internationalen Organisationen getragen werden.

Im vergangenen Jahr hatte der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten B. Lynn Pascoe Delegierte angesichts der wachsenden Bedrohung in den somalischen Küstengewässern mehr als nur militärische Anstrengungen angemahnt. So müsse der Kampf gegen die Seeräuber drei Zielen dienen: der Abschreckung, der Sicherheit und der Rechtstaatlichkeit.

Dem beigeordneten UN-Generalsekretär Stephen Mathias zufolge könnten zwei internationale Konventionen relevant für die Bekämpfung der Piraterie werden: das internationale UN-Seerechtsübereinkommen und die Übereinkunft zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt. Im Fall Somalias ließen sich rechtliche Maßnahmen durch etliche UN-Sicherheitsresolutionen absichern.

Im vergangenen November hat der Sicherheitsrat den UN-Mitgliedstaaten und Regionalorganisationen, die mit der somalischen Übergangsregierung kooperieren, für weitere zwölf Monate erlaubt, die Piraterie in den somalischen Küstengewässern zu bekämpfen. Die Genehmigung beinhaltet das Recht, in somalischen Territorialgewässern einzulaufen und alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um für die Seeräuberei bestimmte Boote, Schiffe, Waffen und Equipment aufzubringen.


Piraten verlagern Operationsgebiet

Indiens UN-Diplomat Puri wies darauf hin, dass somalische Piraten zunehmend im Süden und Osten des Indischen Ozeans ihr Unwesen treiben. Mit der Verlagerung ihrer Aktivitäten stellten sie ihre Fähigkeit unter Beweis, den von der Marine eingerichteten Sicherheitskorridor zu umgehen und ihre Aktivitäten auf ein Gebiet in 1.000 bis 1.200 Meilen Entfernung von der Küste auszuweiten.

Nach Angaben des Internationalen Meeresbüros waren somalische Piraten im letzten Jahr für die Entführung von 1.016 Seeleuten und 49 Schiffen verantwortlich. Weltweit wurden 1.181 Seeleute als Geisel genommen und 53 Schiffe gekapert. Im Vergleich zu 2009 ist die Zahl der Angriffe durch Piraten um zehn Prozent auf 445 gestiegen. Botschafter Puri zufolge werden die jährlichen Verluste für die globale Wirtschaft auf sieben Milliarden bis zwölf Milliarden Dollar geschätzt. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.un.org/News/briefings/docs/2011/110125_Lang.doc.htm
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54251

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. Januar 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2011