Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → UNO

MELDUNG/084: UN - Schachern um die besten Posten, Manipulationsvorwürfe vor allem gegen die USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2012

UN: Schachern um die besten Posten - Manipulationsvorwürfe vor allem gegen die USA

von Thalif Deen


New York, 20. Januar (IPS) - UN-Chef Ban Ki-moon wird in Kürze sein neues Team aus stellvertretenden und beigeordneten Generalsekretären vorstellen. Nicht alle können sich damit brüsten, aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten ins Amt gewählt worden zu sein. Vielmehr verdanken sie ihren Aufstieg dem politischen Einfluss ihrer Herkunftsländer. Alle fünf Jahre rangeln die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und die für die UN-Organisationen wichtigsten freiwilligen Beitragszahler um die einflussreichen Posten.

Wie inzwischen bekannt gegeben wurde, steht das Welternährungsprogramm WFP auch die kommenden fünf Jahre und somit zum dritten Mal in Folge unter US-Führung. So wird die Afroamerikanerin Ertharin Cousin ihre Landsmännin Josette Sheeran beerben, die das Amt von einer weiteren US-Amerikanerin, Catherine Bertini, übernommen hatte. Aus informierten Kreisen ist zu hören, dass US-Präsident Barack Obama auf die Wahl Cousins bestanden habe, die die USA derzeit innerhalb des WFP und der Landwirtschaftsorganisation FAO vertritt. Ban und FAO-Chef Jose Graziano da Silva hatten so gut wie keine Chance, Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen.


Politischer Einfluss entscheidend

Wie die Erfahrungen der Vergangenheit lehren, gibt es keinen UN-Generalsekretär, der beim Schachern um die besten Jobs nicht von einflussreichen Gebern unter Druck gesetzt wurde. Dabei ist es ein ungeschriebenes Gesetz, nach Kriterien wie Befähigung der Kandidaten und Rotation der Weltregionen zu entscheiden. Doch die Realität sieht anders aus. So brach Arpad Bogsch, ein US-Amerikaner ungarischer Abstammung, mit einer 24-jährigen Amtszeit als Generaldirektor der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) alle bisherigen Rekorde.

Als ein Expertenteam des UN-Generalsekretärs damit begann, sich nach Kandidaten für die die frei werdenden UN-Spitzenpositionen umzusehen, erklärte Ban gegenüber IPS, dass er die UN-Mitgliedsländer um die Namen ihrer Kandidaten gebeten habe. Zudem habe er seine beigeordneten und stellvertretenden Generalsekretäre, deren Arbeitsverträge abliefen, dazu aufgefordert sich nach neuen Jobs umzusehen.

Auf die Frage nach Ausnahmeregelungen, was die Dauer der Amtszeit der UN-Spitzenkräfte angeht, antwortete er, dass er selbst die Fünf-Jahres-Frist vorgeschlagen habe. Allerdings gebe es Konstellationen, die eine rigorose Einhaltung der Frist nicht empfehlen. Als Beispiel nannte er eine Situation, in der die Verträge der beiden ranghöchsten Mitarbeiter einer Organisation zeitgleich ablaufen.

Dem größten Druck unterliegen UN-Generalsekretäre, wenn es um die Nachfolge der für politische Angelegenheiten, Friedensmissionen, Management oder menschliche Ressourcen zuständigen Untergeneralsekretäre geht. Traditionell sind diese Positionen den fünf ständigen Mitgliedern USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland vorbehalten.

Druck wird aber auch von den größten Finanziers einzelner UN-Organisationen wie Japan, Deutschland, Kanada, den Niederlanden, Italien und den skandinavischen Ländern aufgebaut, wenn es um die potenziellen Nachfolger der stellvertretenden und beigeordneten Generalsekretäre geht.


US-Monopol auf UN-Kinderhilfswerk

Die Leitung des Weltkinderhilfswerks UNICEF ist seit seiner Gründung 1947 fest in US-amerikanischer Hand. In seinem 1991 veröffentlichten Buch 'Unvanquished: A U.S.-U.N. Saga' schildert der ehemalige UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, wie die Vereinten Nationen von den USA manipuliert und er selbst um eine zweite fünfjährige Amtszeit gebracht wurde.

Der Ägypter schreibt in seinem 345-seitigen Werk, dass er von den USA für "zu unabhängig" befunden wurde. Dabei habe er sich alle Mühe gegeben, Washington entgegen zu kommen. Der größte Disput habe sich an der Wahl des UNICEF-Exekutivdirektors ab 1995 entzündet.

Der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte William Foege, den ehemaligen Leiter des US-Seuchenkontrollzentrums, als Nachfolger des UNICEF-Chefs James Grant vorgesehen. Doch Boutros-Ghali erklärte der damaligen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, dass im Interesse einer größeren Gleichberechtigung eine Frau den Posten erhalten solle.

In dem bei 'Random House' erschienenen Buch berichtet Boutros-Ghali von einer Reihe von Staaten, die mit der Entscheidung, die UNICEF-Leitung den US-Amerikanern zu überlassen, nicht mehr einverstanden waren. Dazu beigetragen habe der Umstand, dass Belgien und Finnland "herausragende" Kandidatinnen präsentiert, die USA ihre Beitragszahlungen für die UN zurückgehalten und abfällige Bemerkungen über die Weltorganisation gemacht hätten.


"Albright verdrehte die Augen"

Den USA empfahl der damalige UN-Chef, eine Frau zu nominieren. "Dann werde ich sehen, was ich tun kann", will er Albright mit Blick auf anstehende Beratungen mit dem 36-köpfigen UNICEF-Exekutivausschuss mitgeteilt haben. "Albright verdrehte die Augen und setzte das für sie typische Gesicht auf, wenn sie sich über mich geärgert hat." Dass Clinton zunächst auf Foege als Kandidaten bestand, löste Boutros-Ghali zufolge bei vielen im UNICEF-Exekutivausschuss vorsitzenden Ländern Unmut aus. Sie sollen den damaligen UN-Chef aufgefordert haben, "den USA mitzuteilen, sich zum Teufel zu scheren".

Schließlich rang sich die US-Regierung dazu durch, die ehemalige Leiterin des Friedenskorps, Carol Bellamy, aufzustellen. Obwohl sie in einer Probeabstimmung zwölf und somit drei Stimmen weniger erhielt als ihre finnische Herausforderin Elizabeth Rehn, überredete Boutros-Ghali den Präsidenten des UNICEF-Exekutiv-Ausschusses, die Ernennung Bellamys durchzusetzen.

Bei seinem Amtsantritt als sechster UN-Generalsekretär im Januar 1992 wies Boutros-Ghali darauf hin, dass die Hälfte aller Management- und Verwaltungsposten der Vereinten Nationen mit US-Amerikanern besetzt war, obwohl Washington am regulären UN-Budget mit nur 25 Prozent beteiligt war.

Als Clinton im Januar 1993 die US-Präsidentschaft antrat, wurde Boutros-Ghali bedeutet, die beiden UN-Untergeneralsekretäre, die US-Amerikaner Richard Thornburgh und Joseph Verner Reed zu entlassen, weil ihre Ernennung auf Empfehlung der Clinton-Vorgänger-Regierung von George H. W. Bush zustande gekommen war. Beide Positionen wurden mit Clinton-genehmen US-Amerikanern besetzt. (Ende/IPS/kb/2012)


Link:
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106487

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2012