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ORGANISATION/543: Post-2015-Prozess - "Business als usual" ist keine Option (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014
Goldgräberstimmung
Bioökonomie zwischen Welthunger und Rohstoffalternativen

"Business as usual" ist keine Option
Der Post-2015-Prozess vor den zwischenstaatlichen Verhandlungen

Von Cathrin Klenck


Auf dem Weg zu einer neuen globalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda für die Zeit nach 2015 werden die zwischenstaatlichen Verhandlungen mit Spannung erwartet. Ob diese die im Post-2015-Prozess oft proklamierte Abkehr vom "business as usual" einleiten werden, ist fraglich.


Die Erarbeitung einer globalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda für die Zeit nach 2015 geht in die heiße Phase. Die zwischenstaatlichen Verhandlungen über die so genannte Post-2015-Agenda stehen kurz bevor. Die neue Agenda soll im September 2015 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen (UN) von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet werden. Mittlerweile liegen zahlreiche Vorschläge zur Post-2015-Agenda im Allgemeinen und den in ihrem Rahmen zu verabschiedenden Zielen nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) im Speziellen auf dem Tisch. Zuletzt hat der UN-Generalsekretär seinen mit Spannung erwarteten Synthesebericht zur Post-2015-Agenda vorgelegt.(1) Dieser greift einige grundlegende Beiträge zur Post-2015-Agenda auf und setzt den Rahmen für die Verhandlungen im entscheidenden Jahr 2015.

SDG-Vorschlag als Verhandlungsgrundlage

Sowohl im Synthesebericht des UNGeneralsekretärs als auch für die zwischenstaatlichen Verhandlungen spielt der SDG-Vorschlag der Open Working Group (OWG) eine maßgebliche Rolle. Die OWG, eine vom Rio+20-Gipfel mandatierte zwischenstaatliche Arbeitsgruppe, hat im Juli 2014 einen Vorschlag mit 17 globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung präsentiert. Dieser umfasst neben Zielen zur Beseitigung von Armut und Hunger oder zu Geschlechtergerechtigkeit und Bildung auch Ziele zu Wasser und Meeresschutz, Klimawandel und Energie oder zu nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern.(2) Einige Staaten, darunter etwa Großbritannien, leisten gegen einen solch breiten Zielkatalog noch Widerstand und sprechen sich für eine reduzierte Anzahl von Zielen aus. Insgesamt treffen die von der OWG vorgelegten Ziele aber auf Zustimmung und ein Beschluss der UN-Generalversammlung erkennt den OWG-Vorschlag als wesentliche Grundlage der anstehenden zwischenstaatlichen Verhandlungen an.(3) Die Bundesregierung will sich bei den Verhandlungen dafür einsetzen, dass der von der OWG erarbeitete Zielkatalog erhalten bleibt und bewertet diesen als ausgewogen und ambitioniert.(4)

Welches Ambitionsniveau?

Ob die vorgeschlagenen Ziele aber tatsächlich als ambitioniert zu bewerten sind, hängt von den Erwartungen ab, die mit ihnen verknüpft werden. Bemisst sich der Erfolg daran, dass im SDG-Vorschlag Zieldimensionen verankert wurden, die über die in den Millennium Development Goals formulierten Entwicklungsziele hinausgehen und einige drängende Umweltprobleme adressieren? Daran, dass sich die in der OWG vertretenen Staaten auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt haben, der weitergeht, als viele erwartet hatten? Dann kann sich das Ergebnis sicher sehen lassen. Zweifelsohne wurden wichtige Ziele in den OWG-Vorschlag aufgenommen, so etwa die Reduzierung von Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten oder Vorgaben zum in der internationalen Politik bislang sträflich vernachlässigten Meeressschutz. Wenn die SDGs aber die Ursachen von Armut und Umweltzerstörung konsequent angehen, die sozial-ökologische Transformation befördern und die planetarischen Grenzen berücksichtigen sollen, greift der Vorschlag zu kurz.

Business as usual?

Die Umweltziele bleiben im OWG-Vorschlag vergleichsweise schwach und unpräzise. Globale Umweltprobleme werden zwar aufgegriffen, es ist jedoch mehr als fraglich, ob die vorgeschlagenen Lösungsansätze und Zielvorgaben eine Trendwende etwa beim Verlust der Biodiversität, der Versauerung der Meere oder der Bodendegradation einleiten können. Angesichts von Klimakrise und notwendiger Dekarbonisierung sind die Klima- und Energieziele sowie die vorsichtige Formulierung zur Beendigung der Subventionierung fossiler Brennstoffe unzureichend. Reformen des internationalen Wirtschafts- und Finanzsystems werden als Lösungsansatz weitestgehend ausgeblendet und auch verpflichtende Standards für den Privatsektor sucht man im Zielkatalog vergeblich. Nicht zuletzt sind die Umsetzungsinstrumente des SDG-Vorschlags ausgesprochen schwammig formuliert. Diese Liste ließe sich fortsetzen.(5)

Inzwischen kommt kaum eine politische Rede zur Post-2015-Agenda mehr ohne die Beteuerung aus, dass ein "weiter so" keine Option sei "business as usual is not an option" gehört als Textbaustein zum Standardrepertoire. Klar ist: Wenn die Abkehr vom "business as usual" mehr als nur proklamiert werden soll, greift der vorliegende SDG-Vorschlag zu kurz. Wie ambitioniert die Post-2015-Agenda letztlich wird, bleibt abzuwarten.


Autorin Cathrin Klenck arbeitet als Referentin beim Forum Umwelt und Entwicklung zur Post-2015-Agenda.


Anmerkungen

1. Siehe Synthesebericht des UNGeneralsekretärs zur Post-2015-Agenda "The Road to Dignity by 2030: Ending Poverty, Transforming All Lives and Protecting the Planet" vom 4.12.2014 (nicht-editierte Vorabversion):
http://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5527SR_advance%20unedited_final.pdf

2. Siehe SDG-Vorschlag der OWG "Open Working Group propsal for Sustainable Development Goals" von Juli 2014:
http://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/1579SDGs%20Proposal.pdf.

3. Siehe Resolution der UN-Generalversammlung 68/309 vom 10.9.2014:
http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/68/309.

4. Siehe gemeinsame Pressemitteilung von BMZ und BMUB "Entscheidende Weichenstellung für globale Nachhaltigkeitsziele" vom 3.12.2014:
http://www.bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/2014/dezember/141203_pm_BMZ_BMUB_Entscheidende-Weichenstellung-fuerglobale-Nachhaltigkeitsziele/index.html
Sowie Bericht der Bundesregierung "Eine Agenda für den Wandel zu nachhaltiger Entwicklung weltweit. Die deutsche Position für die Verhandlungen über die Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung" vom 3.12.2014:
http://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/grundsaetze_und_ziele/2014_12_03_Bericht_Post_2015Agenda_komplett.pdf.

5. Eine ausführlichere Analyse des OWG-Vorschlags findet sich in einem offenen Brief des Forums Umwelt und Entwicklung an Amina Mohammed vom 16.10.2014. Amina Mohammed berät den UN-Generalsekretär zur Post-2015-Agenda und verantwortete die Erarbeitung des Syntheseberichtes:
http://www.forumue.de/fileadmin/userupload/AG_Weitere_Themen/Rio_20/Open_Letter_to_Amina_J._Mohammed_concerning_synthesis_report.pdf.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014, Seite 21 - 22
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2015

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