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RESOLUTION/030: UN-Resolution 1325 - Schweiz, kleines Land ganz groß (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. November 2010

Schweiz: UN-Resolution 1325 - Kleines Land ganz groß

Von Karina Böckmann


Berlin, 1. November (IPS*) - Die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats, die auf die verstärkte Einbeziehung von Frauen auf allen Ebenen von Friedensprozessen zielt, ist am 31. Oktober zehn Jahre alt geworden. Zu den wenigen Ländern, die sich aktiv für die Umsetzung der Resolution 'Frauen, Frieden und Sicherheit' einsetzen, gehört die Schweiz.

Die Eidgenossen verfügen seit März 2007 über einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Zielsetzungen von 1325. Der revidierte Aktionsplan 1325 (2010-2012) wird am 10. November 2010 in Bern veröffentlicht. Die Schweiz gehört zudem dem informellen Netzwerk 'Group of Friends of the Resolution 1325' an und ist aktives Mitglieder des 'Human Security Network', das sich für das Thema 'Gender und Friedensförderung' einsetzt.

Das Schweizer Engagement ist vor allem der Außenministerin Micheline Calmy-Rey zu verdanken. "Die Resolution 1325 kann zwar keine Wunder bewirken, aber immerhin wurden durch sie und verstärkt noch durch die Nachfolgeresolutionen die zentralen Anliegen und Forderungen zu 'Frauen, Frieden und Sicherheit' erstmals auf der Ebene des Sicherheitsrats formuliert und kommuniziert, sagte sie in dem folgenden Interview mit IPS. "Sie ist damit eine wichtige Basis für eine nachhaltige Friedenspolitik."


IPS: Frau Ministerin, Sie sind als Verfechterin der UN-Resolution bekannt. Was treibt Sie an?

Micheline Calmy-Rey: Die Stärkung der Rechte der Frauen sowie ihre Vertretung und Partizipation in der Politik sind für mich zentrale Anliegen. Die UN Resolution 1325 zu 'Frauen, Frieden und Sicherheit' ist die erste UN-Sicherheitsratsresolution überhaupt, die sich mit dem Thema der gleichberechtigten Teilnahme der Frauen in der Friedensförderung und dem Schutz ihrer spezifischen Rechte und Bedürfnisse beschäftigt. Sie ist deshalb ein Themenschwerpunkt meiner politischen Agenda.

IPS: Die Schweiz gilt, was die Umsetzung der Resolution 1325 betrifft, als Musterbeispiel. Worin besteht das besondere Engagement der Alpenrepublik und was konnte bisher erreicht werden?

Calmy-Rey: Wir haben Anfang 2007 als eines der ersten Länder einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325 geschaffen und diesen seither als Instrument zur Koordination der Aktivitäten konsequent genutzt. Er hat sich als geeignetes Instrument erwiesen - einerseits, um die Zielsetzungen der Resolution innerhalb und außerhalb der schweizerischen Bundesverwaltung klar zu kommunizieren und andererseits, um die Umsetzung in nationale Aktionsprioritäten zu unterstützen.

Der Aktionsplan wurde durch eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter Einbezug aller in der Friedensförderung relevanten Stellen ausgearbeitet und anschließend mit interessierten Organisationen der Zivilgesellschaft konsultiert. Zudem wird jährlich, wiederum unter Einbezug aller relevanten Dienste, ein Fortschrittsbericht verfasst. Somit haben wir die Prozesse breit abgestützt, was dem Aktionsplan zusätzliche politische Legitimation verleiht und zu einer effektiveren Unterstützung der Anliegen führt.

IPS: Warum ist der Schweiz daran gelegen, sich für die Resolution zu engagieren?

Calmy-Rey: Die Förderung des Friedens ist gemäß der schweizerischen Bundesverfassung ein Schwerpunkt unserer Außenpolitik. Wir sind überzeugt, dass nachhaltiger Frieden nur dann möglich ist, wenn alle Mitglieder der Gesellschaft gleichberechtigt in Prozesse einbezogen werden und die Bedürfnisse der ganzen Gesellschaft Beachtung finden.

Zudem ist uns im Rahmen unserer traditionellen humanitären Politik der Schutz der Zivilbevölkerung ein ganz besonderes Anliegen. Angesichts des alarmierenden Ausmaßes von systematischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen während und nach bewaffneten Konflikten ist der Schutz ihrer Rechte zwingendermaßen ein Eckpfeiler unseres Engagements für den Frieden und die menschliche Sicherheit.

Die Resolution 1325 kann zwar keine Wunder bewirken, aber immerhin wurden durch sie und verstärkt noch durch die Nachfolgeresolutionen die zentralen Anliegen und Forderungen zu 'Frauen, Frieden und Sicherheit' erstmals auf der Ebene des Sicherheitsrats formuliert und kommuniziert. Sie ist damit eine wichtige Basis für eine nachhaltige Friedenspolitik.

IPS: Warum ist Ihnen die Einbeziehung von Frauen an Friedenstischen so wichtig? Was ist anders, wenn Frauen mitreden können?

Calmy-Rey: Frauen bringen andere Erfahrungen und andere Schwerpunkte ein, die einen Unterschied machen und uns alle dem Ziel der Nachhaltigkeit von Frieden und Stabilität bedeutend näher bringen können.

IPS: Kann man sich mit dem Thema Resolution 1325 überhaupt international profilieren?

Calmy-Rey: Es stimmt, dass 'Frauen, Frieden und Sicherheit' nicht immer unter den Top-Themen auf der politischen Agenda figuriert. Allerdings muss das Thema als ein integraler Teil der Diskussion um die menschliche Sicherheit auf jeden Fall ernst genommen werden und das wird es auch in zunehmendem Maße.

IPS: Die Schweiz ist als Friedensvermittlerin international gefragt. Gib es bei solchen Gesprächen Spielraum, um für die Implementierung der Resolution 1325 zu werben?

Calmy-Rey: Unser Nationaler Aktionsplan 1325 sieht sogar ausdrücklich vor, Inhalte und Forderungen daraus in diese Gespräche zu integrieren.

IPS: Können Sie Beispiele nennen, die zeigen, dass sich der Einsatz der Schweiz für eine Implementierung von Resolution 1325 gelohnt hat? Dass Frauen an die Friedenstische geholt oder vor sexueller Gewalt geschützt wurden?

Calmy-Rey: In Nepal haben wir zum Beispiel mit einigen hervorragenden Frauen gearbeitet und Seminare zu Verhandlungstheorie und Mediation angeboten, um die Frauen auf eine aktive Teilnahme am Friedensprozess vorzubereiten. Einige dieser Frauen waren später Mitglieder der 'Peace Task Force', die Stellungnahmen für Dokumente des Friedensprozesses verfasste.

IPS: Am 10. Jahrestag der Resolution 1325 sieht die Erfolgsbilanz generell ziemlich mager aus, was die Umsetzung angeht. Was sind Ihrer Meinung nach die Hindernisse und Schwierigkeiten, mit denen die Resolution 1325 zu kämpfen hat?

Calmy-Rey: Dazu gäbe es viel zu sagen, ich beschränke mich jedoch auf zwei wichtige Punkte:

Erstens ist das Thema 'Frauen, Frieden und Sicherheit' transversaler Natur, das heißt, die Umsetzung betrifft eine Vielzahl von Themenbereichen und Akteuren in der Friedensförderung und der Sicherheitspolitik, aber auch der Entwicklungspolitik.

Gerade auch Männer in betroffenen Funktionen müssen sich der Thematik annehmen, damit ein breites Mainstreaming der Inhalte von Resolution 1325 gewährleistet werden kann. Dafür muss das Thema 'Frauen, Frieden und Sicherheit' aber aus den klassischen, häufig hauptsächlich von Frauen besetzten 'Gender Foren' hinausgetragen werden. Die Diskussion muss noch breiter geführt werden. Gerade in Bezug auf unsere multilateralen Aktivitäten haben wir uns ein verstärktes Engagement in diese Richtung vorgenommen.

Zweitens brauchte die Konkretisierung der Forderungen aus der Resolution Zeit und wird noch mehr Zeit beanspruchen. UNSR 1325 war zwar eine wichtige Resolution im Sinne des grundsätzlichen politischen Signals, erst die Nachfolgeresolutionen haben aber eine gewisse operative Basis zu legen vermocht.

IPS: Was müsste Ihrer Meinung nach auf nationaler, EU- und UN-Ebene getan werden, um die Resolution voranzubringen?

Calmy-Rey: Momentan gibt es verschiedene Prozesse auf nationaler, regionaler und globaler Ebene, die die Realisierung der Forderungen aus 1325 zum Ziel haben. Zum Beispiel wurde das Mandat der UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen in Konflikten geschaffen und es wurden globale Indikatoren entwickelt, welche künftig eine bessere Fortschrittsmessung garantieren sollen.

Mit der Schaffung der (Weltfrauenorganisation) 'UN Women' in diesem Jahr haben wir nun hoffentlich auf UN-Ebene eine starke Institution, die sich für die Rechte der Frauen stark macht. Auf regionaler wie nationaler Ebene wurde und wird das Jubiläumsjahr genutzt, um auf die Wichtigkeit der Resolution aufmerksam zu machen und Strategien für die Zukunft zu erarbeiten. Auf nationaler Ebene können wir anderen Staaten nur empfehlen, einen nationalen Aktionsplan zu entwickeln, um die Umsetzung der Resolution 1325 zu koordinieren und voranzutreiben.

Der revidierte Nationale Aktionsplan 1325 (2010-2012) wird übrigens anlässlich des Schweizer Jubiläumsanlasses am 10. November 2010 in Bern veröffentlicht. (Ende/IPS/kb/2010)


* Dieser Beitrag ist Teil eines Kooperationsprojekts mit den PeaceWomen Across the Globe (PWAG), dem deutschen Frauensicherheitsrat, der OWEN-Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung und dem Global Cooperation Council. Anlass des Projekts ist das zehnjährige Bestehen der UN-Resolution 1325.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2010