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RESOLUTION/032: Die UN-Resolution 1325 im Rückblick (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 115, 1/11

Frauen im Krieg
Die UN-Resolution 1325 im Rückblick

Von Stephanie Fürtbauer


Sexualisierte Gewalt, Verstümmelung, familiäre Gewalt, Armut und Ausgrenzung - die Betroffenheit von Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten zeigt vielfältige Formen. Vor zehn Jahren hat die UN-Resolution 1325 erstmals offiziell auf die Zusammenhänge von Geschlecht und bewaffneten Konflikten aufmerksam gemacht.


Erfolgreiche Frauenfriedensinitiativen auf der ganzen Welt - wie in Ruanda, Bosnien oder Liberia - weisen auf die von Gewalt geprägten Situationen von Frauen in bewaffneten Konflikten hin. Die Beteiligung an den Friedensgesprächen für den Wiederaufbau ihres Landes blieb ihnen jedoch lange Zeit verwehrt. Mit der einstimmigen Verabschiedung der Resolution 1325 "Women, Peace and Security" durch den UN-Sicherheitsrat am 31. Oktober 2000 wurde erstmals völkerrechtlich verbindlich geregelt, Frauen vor Gewalt in bewaffneten Konflikten zu schützen sowie ihre gleichberechtigte Einbeziehung in Prozesse der Friedenssicherung zu gewährleisten. Die Durchsetzung der bahnbrechenden Resolution ist nicht zuletzt einer immensen Bewusstseinsbildung und Lobbyarbeit durch Frauenorganisationen zu verdanken. So wurde bereits bei der 4. UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking die Situation von Frauen in Kriegen thematisiert. Der weitreichende Erfolg der Resolution muss aber auch im Kontext des damaligen, auf politischer Ebene noch relativ jungen "Gender Mainstreaming"-Konzeptes gesehen werden. Die ebenfalls auf der 4. UN-Weltfrauenkonferenz rechtlich festgeschriebene Bekennung zu "Gender Mainstreaming" gab Frauenorganisationen ein Instrument in die Hand, dieses auch im Bereich der Friedens- und Konfliktarbeit einzufordern.


Förderung umfassender friedenspolitischer Maßnahmen

Die Verabschiedung der Resolution 1325 hat auch großen Einfluss auf die Umgestaltung von Peacekeeping-Missionen. Seit der Beendigung des Ost-West-Konflikts verläuft die größte Zahl der bewaffneten Konflikte innerstaatlich. Diese wirken sich besonders nachhaltig auf soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Bereiche aus. Neues Ziel von Peacekeeping-Missionen ist es, nicht mehr "nur" die Einhaltung von Menschenrechten zu überwachen, sondern auch friedenspolitische Maßnahmen zu fördern und zu unterstützen. Diese Veränderungen sind auch für das jeweilige Land, in dem die Truppen stationiert sind, stark spürbar, haben die Missionen doch große Auswirkungen auf die Nachkriegsgesellschaft. Um diese "neuen" Aufgaben bestmöglich zu bewältigen, sind jedoch auch nicht-militärische Kenntnisse und Fähigkeiten nötig, sollen doch alle Bevölkerungsgruppen - Frauen ebenso wie Männer - gleichermaßen berücksichtigt werden.


Die Rolle der Europäischen Union

Die Europäische Union unternimmt einen nicht zu unterschätzenden Anteil an Peacekeeping-Missionen. Häufig unbeachtet bleibt dabei die Tatsache, dass das Europäische Parlament eine Vorreiterrolle spielt, wenn es um die friedenspolitischen Forderungen von Frauen geht. Bereits wenige Tage nach dem 31. Oktober 2000 verabschiedete das Europäische Parlament ebenfalls eine Resolution zur "Participation of Women in Peaceful Conflict". Im Gegensatz zum Dokument der Vereinten Nationen hat diese Resolution jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit, sondern dient vor allem der Bewusstseinsgenerierung und Vorantreibung der Resolution 1325 inner- und außerhalb der Europäischen Union. Diese Weiterentwicklung zeigt sich auch in den zahlreichen Folgeresolutionen des Europäischen Parlaments, welche die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf bestehende Geschlechterverhältnisse thematisieren.


Fortschritt im Kleinen

Trotz der großen Bedeutsamkeit und der völkerrechtlichen Verbindlichkeit der Resolutionen sind die Fortschritte, die seit ihrer Verabschiedung vor zehn Jahren im Bereich der Friedens- und Konfliktarbeit gemacht wurden, gering. So gibt es bisher nur 23 nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Resolution, jedoch keine Fristen für Unterzeichnerstaaten, die Forderungen umzusetzen. An Friedensverhandlungen nehmen durchschnittlich weniger als acht Prozent Frauen teil. Der Frauenanteil bei der Unterzeichnung von Friedensanträgen beträgt sogar weniger als drei Prozent. Eine genaue Quotenangabe ist aber auch in der Resolution nicht enthalten. Weiters ist sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten noch immer stark tabuisiert. Ihre Thematisierung kommt nur bei ganz wenigen Friedensverträgen vor; zu Verurteilungen kommt es fast gar nicht. (Gunda-Werner-Institut 2010) Auch inhaltlich sind sowohl die Resolution 1325 der Vereinten Nationen als auch die Resolution des Europäischen Parlaments kritisch zu betrachten. Auffällig ist dabei die immer wiederkehrende Reproduktion normativer Vorstellungen von Geschlecht, indem Frauen generell als "Opfer" und "von Natur aus friedlich" dargestellt werden. Männer werden im Gegensatz dazu als pauschale "Täter" konstruiert, ohne die Hintergründe von geschlechterüberformter Gewalt zu reflektieren. Die Resolutionen können somit einer Legitimation dienen, welche die Schutzbedürftigkeit von Frauen sowie die Einhaltung ihrer Rechte für die Durchsetzung eigener Interessen instrumentalisiert. Prominentes Beispiel dafür sind die US-amerikanischen Interventionen in Afghanistan und Irak.


Weitere Bekenntnisse

Bei aller angebrachten Kritik zeugen die Resolution 1325, sowie die Resolutionen des Europäischen Parlaments auch von einem erweiterten Sicherheitsverständnis, da ebenso Bedürfnisse nach individueller Sicherheit mit einbezogen werden. In den Millenniumszielen der Vereinten Nationen spiegelt sich ein solches Begriffsverständnis wider, wenn es heißt: "Nur wenn Frauen den gleichen Zugang zu politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen haben und ein kulturelles Umdenken von gewalttätiger Konfrontation zu gewaltfreier Konfliktlösung stattfindet, kann dauerhafter Frieden erreicht werden." (ADA 2010) Dass diese (Bewusstseins-) Veränderungen in der Friedens- und Konfliktarbeit noch immer stattfinden, zeigt sich auch in den Folgeresolutionen, welche geschlechterüberformte Gewalt in bewaffneten Konflikten in den Blick nehmen. So erkennen die UN-Resolutionen 1820 (2008) und 1888 (2009) sexualisierte Formen von Gewalt als Kriegsverbrechen an und fordern zur strafrechtlichen Verurteilung auf. In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ist die UN-Resolution 1889, welche Ende des Jahres 2009 verabschiedet wurde. Diese setzt erstmals einen konkreten Zeitrahmen für die Erstellung eines Fortschrittsberichtes durch die jeweiligen Unterzeichnerstaaten fest.

Im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums der Resolution 1325 wurde vergangenen Dezember die Resolution 1960 verabschiedet. Inhaltlich ähnlich, ergänzt sie die bisherigen Dokumente und fordert eine striktere Verfolgung und Verurteilung sexualisierter Gewalt.


Empowerment zulassen

Dass bloße Lippenbekenntnisse nicht reichen, zeigt sich in der geringen Anzahl an Verbesserungen, die für Frauen seit den Verabschiedungen real zu verzeichnen sind. Um Frauen unterschiedlicher sozialer Herkunft, Bildung, Sexualität etc. die Möglichkeit zu geben, die Zukunft ihres Landes aktiv und selbstbestimmt mitzugestalten, sind Projekte zur Stärkung dieser Maßnahmen unbedingt notwendig.

Nicht minder wichtig ist es aber auch, bestehende ungleiche Geschlechterverhältnisse auf ihre Ursachen zu hinterfragen. Dies bedingt die Auseinandersetzung mit vorherrschenden Bildern zu "Männlichkeit" und "Weiblichkeit".


Lese- und Webtipps:

Austrian Development Agency: Fokus: Frauen, Gender und bewaffnete Konflikte in der OEZA. (Wien 2010)
www.entwicklung.at/uploads/media/Fokus_Gender_und_Konflikt_Maerz20100.pdf

Fürtbauer, S.: Gender in bewaffneten Konflikten. Konstruktionen von Geschlecht in den Resolutionen des Europäischen Parlaments zu "Gender, Peace and Security". (Wien 2010)

Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie: Hoffnungsträger 1325: Resolution für eine geschlechtergerechte Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa. (Königstein 2008)

Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie:
www.gwi-boell.de/web/un-resolutionen.html


Zur Autorin:
Stephanie Fürtbauer studierte Internationale Entwicklung mit Schwerpunkt Gender Studies an der Universität Wien. Sie ist im Bereich der feministischen Mädchenarbeit tätig und arbeitet in einem Jugendtreff für Mädchen. Sie lebt in Wien.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 115, 1/2011, S. 10-11
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2011