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AGRAR/1569: Brandenburgs Landwirtschaft - Blühender Garten oder Agrarsteppe? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 358 - September 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Blühender Garten oder Agrarsteppe?
Enquetekommission zeichnet unterschiedliche Bilder von Brandenburgs Landwirtschaft

von Claudia Schievelbein



Schon beim Blick in das Gutachten von Helmut Klüter im Vorfeld der jüngsten Sitzung der Enquetekommission zur "Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg" durfte man sich auf eine kontroverse Debatte freuen. Kommt doch der Greifswalder Geografieprofessor zu der Aussage, dass die Großbetriebs-Agrarstruktur in Brandenburg verantwortlich ist für die Entleerung der ländlichen Räume und ihrer ökologischen wie auch ökonomischen Probleme. Gleichzeitig sieht er einmal mehr seine vergangenen Untersuchungen dazu bestätigt, dass gemessen an der Umsetzung von EU-Flächenprämien in Wertschöpfung, Brandenburgs Großbetriebe wesentlich uneffektiver sind, als das von ihm aufgrund seiner äußeren Strukturen zum Vergleich betrachtete Bundesland NRW. In beiden existiert - mit Berlin bzw. dem Ruhrgebiet - ein Ballungsraum, der der umliegenden Landwirtschaft nicht nur einen Markt für regional höherpreisig zu vermarktende Produkte bietet, sondern auch vielfältige Möglichkeiten der Einkommenskombination im Bereich Tourismus und Freizeitangebote. Er sprach vom "Garten der Metropolen".


Prämien paradox

Klüter rechnete vor, dass der brandenburgische Agrarbetrieb aus einem Euro Flächenprämie 1,88 Euro macht, der Hof in NRW macht aus einem Euro 3,10 Euro. Hinzu kommt eine wenig homogene Verteilung der EU-Subventionen in Brandenburg, 48 Prozent der Gelder landen bei den 366 Betrieben mit Zahlungsansprüchen über 300.000 Euro. In NRW hingegen verteilen sich 48 Prozent der EU-Flächenbeihilfen auf die 47.175 Betriebe mit Prämienansprüchen bis 50.000 Euro. Damit gehe einher, dass sich in Brandenburg weniger Geld im ländlichen Raum multipliziere "da die dortige Wirtschaft nur beschränkt in der Lage ist, die Saat- und Düngermengen, die Spezialausrüstung und die Spezialmaschinen für Großbetriebe zu liefern." Mit 1,7 AK/ha fällt auch der Arbeitskraftbedarf in Brandenburg deutlich geringer aus als der Bundesdurchschnitt (3,3 AK) bzw. im Vergleich mit NRW (4,3 AK). Klüters Schlussfolgerung: "Die ungerechte Landverteilung, Arbeitsplatzvernichtung, der Rückstand bei den Investitionen, mangelnde Flächenproduktivität, unzureichende Vermögensbildung in breiten Bevölkerungsschichten sind die wesentlichen Faktoren, die in den vergangenen beiden Jahrzehnten große Teile der Landbevölkerung zur Abwanderung gezwungen haben. Dieser Zusammenhang wird häufig mit Hilfe des unschuldig klingenden Begriffs "demografischer Wandel" anonymisiert und verschleiert. Schwer verständlich erscheint vor diesem Hintergrund, dass die öffentliche Hand - in diesem Fall die EU mit ihren Flächenprämien - große Agrarbetriebe, die mit niedriger Produktivität und Monopolisierung bestimmter Erzeugnisse die regionalwirtschaftliche Verarmung ländlicher Räume verursachen, stärker und regelmäßiger fördert als kleine Gemeinden, die versuchen, ihre Territorien positiv zu entwickeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen."


Kritikresistenz

Während die Mitglieder der Linken-Landtagsfraktion sich über die "gruseligen" Darlegungen Klüters erregten, attestierte der als Anzuhörender geladene brandenburgische Bundes-Bauernverbandsvizepräsident Udo Folgart, dem Wissenschaftler nur einen "Hauch von Ideologie". "Wir sind die Guten", proklamierte er dennoch selbstbewusst und sieht sich nicht bedrängt durch schlechte Auszahlungspreise, wie das Beispiel Milch zeige. Investitionsprogramme seien wichtig, damit investiert werden könne, wo die Zukunft liege - in der Veredlung. "Dann müssen aber auch Genehmigungsverfahren für Anlagen beschleunigt werden und nicht verhindert", so seine Forderung. Das geplante Greening bei den Zahlungen aus Brüssel schrecke ihn nicht, die Vorrangflächen ließen sich in Brandenburg problemlos einrichten, man müsse sich aber fragen, ob es der richtige Ansatz sei, bei einem weltweit steigenden Bedarf an Lebensmitteln und Agrarrohstoffen, Fläche aus der Produktion zu nehmen. Und dass die Bezahlung so schlecht in den Betrieben wäre, sähe er nicht, die Betriebe seien eben nicht tariflich gebunden, deshalb gebe es kaum Werte. Aber grundsätzlich seien Arbeitskräfte in der Landwirtschaft eher gesucht. Ja, es finde sich ja kaum noch jemand, weil die sozialen Strukturen wie Kinderbetreuung und Ähnliches auf den Dörfern weggebrochen sei, konterte der nächste Anzuhörende, Karsten Jennerjahn vom Bauernbund, und fügte spitz hinzu, wenn Folgart auch seinen Lohn als Chef eines Großbetriebs mit in den Durchschnitt rechne, sähen die Zahlen eben so schlecht nicht aus. Andreas Eisen, Geschäftsführer des Genossenschaftsverbandes, ließ sich von Kritik nicht beeindrucken. Er betonte erst einmal, wie stolz man auf die brandenburgischen Mehrfamilienbetriebe sein müsse, die er immer erlebe als funktionierende Einheiten mit hoher Leistung und hoher Identifikation der Mitarbeiter, auch der Chefs, die auch schon mal Mittags Gulasch aufs Feld brächten. Er hält nichts von einer Agrarreform, die staffelt und kappt, schließlich "wird doch das Kindergeld auch nicht beim nächsten Kind gekürzt".


Politische Steuerung

Enquetekommissions-Mitglied Dieter Dombrowski (CDU) mahnte zum Blick möglichst ohne Ideologie und sah den in der Studie von Helmut Klüter durchaus gewahrt, auch wenn sie "zugunsten von klein- und mittelständischen Strukturen" ausfiele und "bejahe, dass Großbetriebe zur Entleerung der ländlichen Räume beitragen". Die Politik sei nun verpflichtet, an den entsprechenden Schrauben zu drehen und dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, so Dombrowski. Eine gute politische Ausrichtung bringe Ökologie und Ökonomie in Einklang, formulierte die auch als Anzuhörende eingeladene ehemalige grüne Landwirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, Heidrun Heidecke. Sie betonte einmal mehr die ökologischen Schwierigkeiten, die aus einer industrialisierten Großbetriebs-Agrarstruktur erwachsen und machte zudem die weitergehenden Auswirkungen für Brandenburg auch als Freizeitort Berlins deutlich, wenn sie sagt: "Ich kann mir schlecht vorstellen, auf einer industriellen Schweinemastanlage Urlaub auf dem Bauernhof zu machen." Ihr Parteikollege Axel Vogel, Mitglied der Enquetekommission, formulierte es als Arbeitsauftrag für den Landtag: "Wie weit kann Politik einen Beitrag dazu leisten, dass im Umfeld von Berlin nicht nur Mais wächst, sprich ist öffentliches Geld gut investiert oder wäre es besser einsetzbar?" Bleibt zu hoffen, dass Brandenburg zukünftig ehrliche Antworten gibt.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 358 - September 2012 2012, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2012