Unabhängige Bauernstimme, Nr. 372 - Dezember 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern
Bis zu 1.000 Euro netto Aufschlag je Betrieb
In Frankreich deutlich mehr. Bund und Länder einig zur EU-Agrarreform
von Ulrich Jasper
Deutschland wird ab dem nächsten Jahr [2014] einen Zahlungs-Aufschlag für die ersten bis zu 46 Hektar je Betrieb einführen und dafür 6,9 Prozent der EU-Direktzahlungsmittel nutzen. Das ist Teil des Konzeptes zur nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform, auf das sich die Agrarminister von Bund und Ländern am 4. November auf einer Sonderkonferenz in München geeinigt haben. Damit schöpft Deutschland die maximale Hektarzahl je Betrieb, für die laut EU in Deutschland ab 2014 ein Aufschlag gewährt werden kann, voll aus. Überhaupt nicht voll ausgeschöpft wird dagegen der durch die EU-Agrarreform eröffnete nationale Spielraum, bis zu 30 Prozent der Direktzahlungsmittel für einen Aufschlag für die ersten Hektar einzusetzen. Nicht 30, sondern nur 6,9 Prozent wollen unsere Minister nutzen. Frankreichs Regierung will mit 20 Prozent dreimal so viel bewegen. Konkret sieht der politische Beschluss von München folgendes vor: Für die ersten bis zu 30 ha jeden Betriebes gibt es einen Zahlungs-Aufschlag von 50 Euro je ha und Jahr, d.h. maximal 1.500 Euro je Betrieb. Für weitere bis zu 16 ha beträgt der Aufschlag 30 Euro je ha, d.h. maximal zusätzliche 480 Euro.
Zusammen sind das für die ersten 46 ha maximal 1.980 Euro, brutto. Netto oder effektiv bleiben davon im Bundesdurchschnitt aber höchsten 1.000 Euro übrig, denn es gibt für den Aufschlag kein "frisches Geld", vielmehr werden zur Finanzierung des Aufschlags "vorher" die Direktzahlungen für alle Flächen linear um 6,9 Prozent gekürzt, auch bei den kleineren Betrieben. Bei einer durchschnittlichen Flächenzahlung von rund 300 Euro pro ha in Deutschland ab dem nächsten Jahr reduziert sich die Basisprämie (nicht die Greening- und Junglandwirtezahlung) um knapp 21 Euro je Hektar. Netto bleiben also vom 50 Euro-Aufschlag für die ersten 30 ha nur rund 30 Euro und vom 30-Euro-Aufschlag für weitere 16 ha nur rund 10 Euro je Hektar. Oder anders: Aus knapp 2.000 Euro maximalem Aufschlag je Betrieb bleiben netto gut 1.000 Euro. In Prozenten ausgedrückt, erhöht diese Aufschlagsregelung die Betriebsprämie (Bundesdurchschnitt) netto um höchstens 10 Prozent, nämlich bei Betriebsgrößen bis zu 30 ha. Bei einem 46-ha-Betrieb liegt das Plus bei knapp 7 Prozent - immer im Vergleich zu einer Umsetzung der EU-Reform ohne Einführung des Aufschlags. Wie gesagt: Brüssel ermöglicht ein Vielfaches davon. Für alle Flächen, die ein Betrieb über 46 Hektar hinaus hat, wird kein Aufschlag mehr gezahlt. Hier kommt also die Kürzung um die oben erwähnten durchschnittlichen 21 Euro (6,9 Prozent) voll zum Tragen. Das bedeutet, dass die Aufschlagssumme aus den ersten 46 Hektaren mit jedem weiteren Land angeknabbert wird. Bei rund 100 ha Betriebsgröße ist der Aufschlag ganz aufgebraucht. Ab 100 ha kommen die Betriebe so langsam in die Verlust-Zone. Das heißt, die Netto-Aufschläge werden ganz von den Betrieben mit über 100 ha "bezahlt". Der größtmögliche Verlust für einen Riesenbetrieb liegt bei 6,9 Prozent. Ein 1.000-ha-Betrieb verliert z.B. gut 6 Prozent.
Bei der bisher beschriebenen Gewinn- und Verlustrechnung ist die Aufschlags-Regelung jeweils verglichen worden mit einer Reform-Umsetzung ohne Aufschlag. Um jedoch bewerten zu können, ob der Beschluss unserer Agrarminister die viel verwendete Note "Stärkung der bäuerlichen Betriebe" tatsächlich verdient, muss der beschlossene Aufschlag mit der heute bestehenden Regelung des Jahres 2013 verglichen werden. Das ergibt dann ein anderes Bild: Denn als Ergebnis der vorangegangenen EU-Agrarreformen werden heute die Direktzahlungen der Betriebe mit gestaffelten Prozentsätzen gekürzt (Modulation): Die Beträge zwischen dem Freibetrag 5.000 Euro und 300.000 Euro Direktzahlung je Betrieb werden um 10 Prozent gekürzt, und jeder Euro mehr um 14 Prozent. Die einbehaltenen Gelder werden für spezifische Förderprogramme der zweiten Säule (Ländliche Entwicklung) eingesetzt.
Diese gestaffelte Modulation fällt durch die aktuelle EU-Agrarreform weg - insbesondere auch auf Drängen Berlins. Würde die heutige Modulation dagegen fortgeführt, würden die Direktzahlungen großer Betriebe dadurch also um bis zu fast 14 Prozent gekürzt und nicht nur um bis zu 6,9 Prozent für den nun beschlossenen Aufschlag. So gesehen gewinnen alle Betriebe durch die neue Aufschlags-Regelung. Zwar gewinnt ein 30-ha-Betrieb relativ am stärksten (+ 14 %) und der Vorteil schrumpft dann bis zu einer Betriebsgröße von 1.000 ha (+ 4 %). Doch ab da steigt der Vorteil (auf bis zu knapp 7 %) Wieder an, weil sich ab dieser Betriebsgröße der Wegfall der heutigen zweiten Kürzungsstaffel ab 300.000 Euro auswirkt.
Viel Mathematik - das lässt sich auch anders ausdrücken: "Gemessen an dem, was die aktuelle EU-Agrarreform den Mitgliedstaaten an Umsteuerung zugunsten bäuerlicher Betriebe ermöglicht, ist die Einigung der Agrarministerkonferenz viel zu zaghaft", kommentierte der AbL-Bundesvorsitzende Bernd Voß die Agrarministerkonferenz. "Hier muss in den nächsten Jahren kräftig nachgelegt werden. Der Aufschlag für die ersten Hektare kann nach EU-Recht jedes Jahr erhöht werden, das sollte genutzt werden", so Voß.
Als eine "Fehlentscheidung" bewertet Voß, dass es in Deutschland weiterhin keine Obergrenze und keine wirksame Kürzung bei Großbetrieben mit wenig Arbeitskräften geben soll. "Damit wird weiter unbegrenzt für jeden Hektar Fläche Prämie gezahlt, auch wenn ein Unternehmen mehrere Tausend Hektar bewirtschaftet und dafür Zahlungen in Millionenhöhe bekommt. Flächenstarke rationalisierte Ackerbaubetriebe kommen so umgerechnet auf Zahlungen von über 100.000 Euro je Arbeitskraft und Jahr, während bäuerliche Betriebe nicht ein Zehntel davon erhalten. Das ist verrückt. Und es ist eine vergoldete Einladung an die Bodenspekulanten, denn die vom Steuerzahler finanzierten Zahlungen sichern ihnen die volle Rendite", so Voß.
Darauf hat sich die Agrarministerkonferenz geeinigt:
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 372 - Dezember 2013, S. 4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2014