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AGRAR/1760: El Salvador - Kaffeebohnen-Pilz verschärft Armut in ländlichen Gebieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2015

El Salvador: Kaffeebohnen-Pilz verschärft Armut in ländlichen Gebieten

von Edgardo Ayala


Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Ilsy Membreño trennt die grünen von den roten Kaffeebohnen
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

EL CONGO, El Salvador (IPS) - Ilsy Membreño sitzt vor einem Haufen aus Kaffeebohnen, die sie gerade gepflückt hat, und trennt die grünen von den roten Bohnen. Zufrieden mit dem Ergebnis ist sie nicht. Die Ernte ist dieses Jahr besonders schlecht, ihr Lohn entsprechend niedrig.

Schuld daran ist Hemileia vastatrix, ein Pilz, der die Kaffeebohnen in ganz El Salvador und den anderen Ländern Lateinamerikas befallen hat. Der sogenannte Kaffeerost hat auch die Montebelo-Farm im Westen El Salvadors, auf der Membreño gemeinsam mit 30 weiteren Pflückern arbeitet, nicht verschont. "Es gibt weniger Kaffeebohnen zu ernten, und am Ende bleibt weniger Geld für uns übrig", klagt Membreño.

Der Parasit ernährt sich von den Blättern der Pflanze und hinterlässt auf ihnen winzige gelbe und braune Punkte, die die Blätter aussehen lassen, als würden sie rosten. Am Ende fallen die Blätter ab, und die Bohnen können sich nicht entwickeln.

Nicht nur für die Kaffeepflücker, auch für das Land bedeutet die Krankheit große wirtschaftliche Einbußen. Rund 150.000 Menschen arbeiten direkt und 500.000 indirekt in dem Wirtschaftszweig. Laut dem Bericht 'Kaffeeproduktion in El Salvador 2013' des Salvadorianischen Kaffeerates (CSC) machten die Bohnen von 1995 bis 2012 rund 7,5 Prozent der Exporte des Landes aus.

Rund 19.500 Kaffeebauern leben in El Salvador. 86 Prozent von ihnen sind Kleinbauern mit weniger als sieben Hektar Land, die zusammen 21 Prozent der gesamten Kaffeeproduktion bedienen.

Membreño erzählt, dass sie vor dem Befall der Bohnen mit dem Kaffeerost pro Tag rund 92 Kilo Bohnen pflückte. Damit verdiente sie während der dreimonatigen Erntezeit rund acht Dollar täglich. "Jetzt schaffe ich nicht einmal mehr die Hälfte und verdiene gerade drei Dollar pro Tag." Ihre Kollegen bestätigen die Einbußen.


Kaffeerost ließ Produktion um fast zwei Drittel sinken

Nach Angaben des Kaffeerates wurden in der Erntesaison 2012/2013 noch 156,4 Millionen Kilo Kaffee produziert. Im Jahr darauf waren es nach Ausbruch der Krankheit lediglich 64,4 Millionen. Im gleichen Zeitraum sank das Gesamthonorar für Kaffeepflücker von 21,6 Millionen US-Dollar auf 8,7 Millionen.

In der Ernteperiode 2014/2015 stieg die Kaffeeproduktion wieder ein wenig auf 91,8 Millionen Kilo.

Auch der Klimawandel lässt die Erträge aus der Kaffeeernte sinken. Während der Regensaison setzen nun plötzlich langanhaltende Dürren ein, und während der Trockenzeit fällt heftiger Regen. "Der Regen reißt die Bohnen von den Ästen, und wir verlieren wertvolle Zeit, weil wir sie vom Boden aufsammeln müssen", erzählt Sonia Hernández, die wie Membreño auf der Montebelo-Farm arbeitet.

Die Farm liegt in der Gemeinde El Congo im westlichen Department Santa Ana mitten in den Apaneca-Lamatepec-Bergen, wo die Bedingungen für die Kaffeeproduktion geradezu perfekt sind. Mais und Bohnen, Hauptnahrungsmittel der Salvadorienser, werden hier nicht angebaut. "Wenn es keine Ernte gibt, gibt es für die Menschen hier keine Arbeit", erzählt Vorarbeiter Manuel Morán gegenüber IPS. Und wenn sie weder Nahrungsmittel für den täglichen Bedarf anbauen können noch Arbeit haben, ist ihre Ernährungssicherheit in Gefahr.

"Außerhalb der Erntezeit sammeln wir Feuerholz. Das ist die einzige Möglichkeit, uns über Wasser zu halten", sagt Membreño. Zusammen mit ihrem Mann, der ebenso Kaffeepflücker ist, sorgt sie für den gemeinsamen achtjährigen Sohn.


Befall traf Bauern unvorbereitet

Der Kaffeerost wurde in El Salvador erstmals in den späten 1970er Jahren entdeckt. Doch erst 2012 breitete er sich großflächig aus. Die gravierenden Folgen wurden erst 2013 sichtbar. Weder die Kaffeebauern noch Regierungsbehörden waren darauf vorbereitet.

Doch seitdem wird der Pilz erforscht, um ihn letztlich ausrotten zu können. Einer der Wissenschaftler, der sich mit dem Thema beschäftigt, ist Julio Grande vom Nationalen Zentrum für Landwirtschaft und Waldtechnologie (CENTA). Auf der Montebelo-Farm untersucht er zum einen den Parasiten selbst, zum anderen die Epidemiologie der Krankheit. Außerdem testet er Pilzvernichtungsmittel. Damit hat er bisher gute Resultate erzielt. Dort, wo er die Pilzvernichtungsmittel angewendet hat, sehen die Büsche gesund aus. "Fungizide allein sind aber nicht die Lösung."

Was außerdem gegen den Pilz hilft, ist eine Verjüngungskur für den Pflanzenbestand. Alte Pflanzen sind anfälliger für den Pilz. Die Kaffeebüsche in El Salvador sind über 30 Jahre alt und damit schon recht betagt. Die Regierung hat deshalb rund acht Millionen gesunde Pflanzen an 4200 Bauern verteilt. Die Bauern selbst sind noch einmal für genau so viele Pflanzen aufgekommen.

Um wirklich effektiv den Pilz zu besiegen, müsste die Regierung von privaten Baumschulen 300 Millionen Setzlinge kaufen, um die 152.000 Hektar Kaffeeanbaufläche im Land grundzuerneuern, meint Adán Hernández, der bei CENTA für Kaffee zuständig ist. Doch selbst wenn die Regierung bereit wäre, das zu tun: Es gibt gar nicht genügend Setzlinge, so Hernández. (Ende/IPS/jk/22.12.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/coffee-rust-aggravates-poverty-in-rural-el-salvador/

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IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2015

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