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GEWERKSCHAFT/1308: Erschreckender Umgang mit dem garantierten Sonntagsschutz (ver.di)


ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Presseinformation vom 21. Dezember 2015

Erschreckender Umgang mit dem garantierten Sonntagsschutz:
Verfassungsrechtlichen Schutz des Sonntages endlich anerkennen


Berlin, 21.12.2015 - Gegen eine "Aufweichung des verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsschutzes in Deutschland" hat sich ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger ausgesprochen. Der Umgang mehrerer Bezirksregierungen und Regierungspräsidien bei der Genehmigung von Sonntagsarbeit zum Beispiel beim Versandhändler Amazon sei "erschreckend". Man erwarte von den betroffenen Behörden, dass der Sonntagsschutz nicht aufgrund von Unkenntnis oder willentlich ignoriert wird.

Das Unternehmen Amazon, das zurzeit bestreikt wird, hatte für fünf Standorte in Deutschland Sonntagsarbeit beantragt. Lediglich das Regierungspräsidium Kassel lehnte die Sonntagsarbeit für den Standort Bad Hersfeld ab. In allen anderen Fällen musste die Genehmigung erst durch Gerichtsbeschluss außer Kraft gesetzt werden. "Wir erleben immer wieder, dass der verfassungsrechtlich garantierte Sonntagsschutz in Deutschland ignoriert wird. Das ist ein Skandal. Wir brauchen in dieser Frage eine Sensibilisierung der Behörden", sagte Nutzenberger.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hatte in allen anhängigen Verfahren zur Sonntagsarbeit bei Amazon obsiegt. Die von den zuständigen Behörden erteilten Genehmigungen seien allesamt "offensichtlich rechtswidrig" gewesen, so ver.di. Dass die Genehmigungen auch einen Verstoß gegen das dem Staat im Falle eines Arbeitskampfes auferlegte Neutralitätsgebot darstellen, wurde von den Gerichten ebenfalls angesprochen.

Das OVG Münster etwa betonte, dass sich ein Unternehmen zur Begründung der Sonntagsarbeit nicht auf ein Geschäftsmodell berufen könne, welches den in Deutschland geltenden Sonn- und Feiertagsschutz von vorneherein ignoriere. Die Gerichte wiesen außerdem darauf hin, dass es sich bei der Auftragszunahme im Vorweihnachtsgeschäft um ein jährliches und absehbares Ereignis handele. Es sei nicht ersichtlich, warum Amazon den absehbaren Zusatzbedarf nicht durch Einstellung weiterer Mitarbeiter befriedigen könne.

Ein angeblicher Imageverlust wegen verzögerter Lieferung stelle keinen Schaden im Sinne des Gesetzes dar, stellte das Oberverwaltungsgericht Bautzen klar. Amazon drohe kein unverhältnismäßiger Schaden, wenn seine Beschäftigten an den Adventssonntagen frei hätten, so die Richter.


Hintergrund:
Amazon hatte für die Standorte Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg, Werne und Graben Sonntagsarbeit für den 13. und 20. Dezember 2015 beantragt. Bis auf das Regierungspräsidium Kassel, das Sonntagsarbeit am Standort Bad Hersfeld verbot, hatten alle zuständigen Behörden (das Regierungspräsidium Sachsen für Leipzig, das Regierungspräsidium Düsseldorf für Rheinberg, die Bezirksregierung Arnsberg für Werne sowie die Bezirksregierung Schwaben für Graben) dem Antrag von Amazon stattgegeben. ver.di legte dagegen Beschwerde ein. Die Oberverwaltungsgerichte (OVG) Bautzen und Münster sowie der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München haben in den vergangenen Tagen daraufhin in vier Eilverfahren letztinstanzlich die Sonntagsarbeit an den Amazon-Standorten Leipzig (OVG Bautzen), Rheinberg und Werne (OVG Münster) sowie Graben (VGH München) untersagt. Damit hat ver.di in allen anhängigen Verfahren zur Sonntagsarbeit bei Amazon obsiegt.

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Quelle:
Presseinformation vom 21.12.2015
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Günter Isemeyer - ver.di-Bundesvorstand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2015

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